Cystinstein

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Cystinsteine, auch Zystinsteine, sind eine seltene Form von Nieren- bzw. Harnsteinen. Sie machen etwa 0,5 % aller Harnsteine aus.[1]

Cystinsteine sind meistens rundlich oder auch ausgussförmig dem Nierenbecken angepasst, haben eine wachsartige Oberfläche und ähneln Milchglas. Farblich sind sie aber eher gelblich.

Die Bildung von Cystinsteinen beruht auf einer vererbten seltenen Stoffwechselerkrankung, der Cystinurie. Das Lebenszeitrisiko für die Steinbildung liegt bei über 50 %. Bei Männern verläuft Cystinurie eher aggressiver. Steinbildung im Alter von unter drei Jahren ist bei Jungen häufiger.[2]

Bei der Cystinurie ist die Rückresorption der dibasischen Aminosäuren Arginin, Lysin, Ornithin sowie von Cystin im proximalen Tubulus der Niere gestört. Während sich erstere unter physiologischen (sauren) Bedingungen im Urin auflösen, ist Cystin im Harnmilieu schwer löslich. In der Folge kommt es zur Auskristallisation und zur Entstehung von Cystinsteinen.[3]

Zur Diagnose von Harnsteinen werden bildgebende Verfahren eingesetzt, allen voran die Ultraschalluntersuchung. Die Bildgebung kann auch Hinweise auf die Zusammensetzung eines Steins liefern. Bei entnommenen bzw. ausgeschiedenen Steinen kann die Zusammensetzung durch analytische Verfahren wie Infrarotspektroskopie, Röntgendiffraktionsanalyse sowie Polarisationsmikroskopie erfolgen.[1]

Die Untersuchung des Urins gibt Aufschluss über das Vorliegen einer Cystinurie – die Konzentrationen von Cystin ist dann im Urin deutlich erhöht.[3]

Aufgrund des inneren Aufbaus der Steinstruktur können Cystinsteine sehr schlecht bis überhaupt nicht mit Hilfe von Zertrümmerungstechniken wie z. B. der Stoßwellentherapie ESWL behandelt werden. In der Regel muss operativ vorgegangen werden, um die Steine zu entfernen:[1]

  • Perkutane Nephrolitholapaxie (PCNL) – mit einer Punktionsnadel wird ein dünner Kanal von außen zur Niere gebohrt. Durch den Kanal wird ein optisches Instrument eingeführt, die Nierensteine werden zerkleinert und entfernt. Das Verfahren wird besonders bei großen Steinen über 2 cm Durchmesser angewandt.[1]
  • Ureterorenoskopie (URS) – diese operative Methode wird vornehmlich bei Steinen bis 2 cm Durchmesser in sämtlichen Lokalisationen des Harntraktes eingesetzt.[1] Ein starres bzw. flexibles, dünnes Rohr wird mit einem optischen Instrument (ähnlich wie bei einer Blasenspiegelung) über die Harnröhre in die Blase und weiter in den Harnleiter eingeführt. Über den Arbeitskanal des optischen Instruments lassen sich unterschiedliche Geräte zur Zertrümmerung und Entfernung der Harnleitersteine einführen. Dies können Ultraschall-, Laser-, spezielle Sonden oder Zangen sein. Manchmal wird dabei auch ein Katheter als Platzhalter (Stent oder Harnleiterschiene) für einige Tage im Harnleiter belassen, um den natürlichen Abgang weiterer Steinfragmente zu erleichtern.
  • Schlingenextraktion – Wegen der hohen Verletzungsgefahr wird sie heute nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt. Über die Harnröhre wird eine Schlinge eingeführt und der Arzt versucht, den Stein herauszuziehen. In den EU-Richtlinien wird diese Art der Behandlung nicht mehr erwähnt, da die Verletzungsgefahr des Harnleiters durch scharfkantige Steine relativ hoch ist.

Als letzte Möglichkeit muss der Stein durch eine offene Operation entfernt werden.

Die Grunderkrankung Cystinurie sollte möglichst effektiv kontrolliert werden. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie und die European Association of Urology empfehlen in ihren Leitlinien eine ausreichend hohe sowie gleichmäßige Flüssigkeitsaufnahme über 24 Stunden.[1][4] Die Urinmenge sollte bei Erwachsenen mindestens 3,5 Liter betragen. Für Kinder gilt eine Trinkmenge von mindestens 1,5 l/m2 Körperoberfläche als Richtwert.[1]

Zusätzlich sollten Personen mit Cystinurie eine Alkalisierungstherapie mit Alkalizitraten oder Natriumbikarbonat erhalten, da die Löslichkeit des Cystins im Urin dadurch stark ansteigt. Die einzunehmende Dosis richtet sich dabei nach dem pH-Wert des Patienten-Urins, Ziel ist ein Wert von deutlich über 7,5.[1]

Reichen diese Maßnahmen nicht aus, um eine wiederkehrende Bildung von Cystinsteinen zu verhindern, oder überschreitet die Cystinausscheidung einen Grenzwert von 3 mmol pro Tag, ist die medikamentöse Therapie mit einem Komplexbildner empfehlenswert: Der Wirkstoff Tiopronin bindet Cystin in einem gut löslichen Cystein-Tiopronin-Komplex.[1][5] Studien zeigen, dass das Risiko einer Steinbildung hierbei um 60 % und die Anzahl notwendiger chirurgischer Eingriffe um 72 % gesenkt werden kann.[6] Die Dosierung variiert dabei nach Alter und Körpergewicht – bereits Kinder ab einem Alter von ein bis zwei Jahren können behandelt werden.[5]

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis. Arbeitskreis Harnsteine der Akademie der Deutschen Urologen, Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V, 1. Mai 2019, abgerufen am 31. März 2022.
  2. Eintrag zu Zystinurie. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten), abgerufen am 31. März 2022.
  3. a b Cystinurie. In: DocCheck Flexikon. DocCheck Medical Services GmbH, 14. Juni 2021, abgerufen am 31. März 2022.
  4. EAU Guidelines on Urolithiasis. European Association of Urology, 1. März 2022, abgerufen am 31. März 2022.
  5. a b Gebrauchsinformation: Information für Patienten, Thiola® 100 mg überzogene Tabletten. Desitin Arzneimittel GmbH, 1. Dezember 2020, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 31. März 2022.@1@2Vorlage:Toter Link/www.desitin.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  6. A. Lindell, T. Denneberg, E. Hellgren, J. -O. Jeppsson, H. -G. Tiselius: Clinical course and cystine stone formation during tiopronin treatment. In: Urological Research. Band 23, Nr. 2, Mai 1995, ISSN 0300-5623, S. 111–117, doi:10.1007/BF00307941 (springer.com [abgerufen am 31. März 2022]).


Dieser Text basiert ganz oder teilweise auf dem Eintrag Zystinstein im Flexikon, einem Wiki der Firma DocCheck. Die Übernahme erfolgte am 19. Juni 2007 unter der damals gültigen GNU-Lizenz für freie Dokumentation.