72er-Regel
Die 72er-Regel ist eine Faustformel aus der Zinsrechnung. Die Regel gibt näherungsweise die Zeit an, in der sich ein zu Zinseszinsen angelegtes Kapital verdoppelt (Verdopplungszeit). Dazu teilt man 72 durch den Zinsfuß, zu dem das Kapitals angelegt wird, daher der Name der Regel.
Die 72er-Regel kann nicht nur auf die Zinsrechnung, sondern auf jede Art exponentiellen Wachstums angewendet werden. Varianten der 72er-Regel sind die 70er-Regel und die 69er-Regel.
Formel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für die Zeit (in Jahren), in der sich ein zum (jährlichen) Zinssatz (bzw. zum Zinsfuß ) angelegtes Kapital verdoppelt, gilt nach der 72er-Regel die Näherung
- .
Man kann denselben Zusammenhang nutzen, um den Zinsfuß abzuschätzen, bei dem sich ein Kapital in vorgegebener Zeit verdoppelt:
- .
Beispiel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Kapital, das zu 8 % pro Jahr angelegt ist, verdoppelt sich gemäß der 72er-Regel etwa alle
- .
Ein Kapital verdoppelt sich in einem Zeitraum von Jahren bei einem Zinsfuß von etwa
- .
Herleitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach der Zinseszinsformel gilt für das Endkapital einer festverzinslichen Anlage mit Anfangskapital bei einem Zinssatz von nach einer Laufzeit von Jahren bei jährlicher Verzinsung
- .
Setzt man nun , wendet den Logarithmus auf beiden Seiten der Gleichung an und löst nach auf, ergibt sich die Anzahl der Jahre bis zur Verdopplung als
- .
Für kleine gilt in guter Näherung (siehe Taylor-Reihe). Damit und mit erhält man die Näherungsformel
- .
Nähert man schließlich noch durch , so erhält man die 72er-Regel.
Die Näherung durch hat sich in der Praxis bewährt, unter anderem weil die Zahl viele kleine Teiler aufweist .[1]
Varianten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nähert man hingegen durch oder , so erhält man die Näherungsformeln
- ,
die in der Literatur 69er-Regel[2] bzw. 70er-Regel[3] genannt werden. Für die 69er-Regel findet sich in der Literatur auch eine Modifikation der Form
- ,
die durch numerische Approximation gefunden wurde.[4][5] Die Logarithmusfunktion kann damit im Bereich mit maximal 0,5-prozentiger Abweichung genähert werden. Wird 0,32 als Wert des Absolutglieds verwendet, betragen die Abweichungen im Bereich maximal ein Prozent gegenüber den exakten Verdopplungszeiten.
Für die Herleitung mittels Reihenentwicklung wird die Laurentreihe benötigt (a-1/x + a0 + a1 x + a2 x2 …), speziell die ersten beiden Terme dieser Reihe (n = 2).
Es ergibt sich somit:
- mit Zahlenwerten
- bzw. gerundet
- .
Genauigkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die folgende Tabelle vergleicht die Abschätzungen gemäß der 72er-, der 70er-, der 69er-Regel und weiteren oben aufgeführten Näherungen mit den tatsächlichen Werten für typische Zinssätze. Eine grafische Darstellung der relativen Genauigkeiten zeigt das Diagramm am rechten Rand.
Zinssatz | Verdopplungs- zeit |
72er-Regel | 70er-Regel | 69er-Regel | Näherung 69/p + 0,35 |
Näherung 69/p + 0,32 |
---|---|---|---|---|---|---|
0,25 % | 277,605 | 288,000 | 280,000 | 276,000 | 276,350 | 276,320 |
0,5 % | 138,976 | 144,000 | 140,000 | 138,000 | 138,350 | 138,320 |
1 % | 69,661 | 72,000 | 70,000 | 69,000 | 69,350 | 69,320 |
2 % | 35,003 | 36,000 | 35,000 | 34,500 | 34,850 | 34,820 |
3 % | 23,450 | 24,000 | 23,333 | 23,000 | 23,350 | 23,320 |
4 % | 17,673 | 18,000 | 17,500 | 17,250 | 17,600 | 17,570 |
5 % | 14,207 | 14,400 | 14,000 | 13,800 | 14,150 | 14,120 |
6 % | 11,896 | 12,000 | 11,667 | 11,500 | 11,850 | 11,820 |
7 % | 10,245 | 10,286 | 10,000 | 9,857 | 10,207 | 10,177 |
8 % | 9,006 | 9,000 | 8,750 | 8,625 | 8,975 | 8,945 |
9 % | 8,043 | 8,000 | 7,778 | 7,667 | 8,017 | 7,987 |
10 % | 7,273 | 7,200 | 7,000 | 6,900 | 7,250 | 7,220 |
11 % | 6,642 | 6,545 | 6,364 | 6,273 | 6,623 | 6,593 |
12 % | 6,116 | 6,000 | 5,833 | 5,750 | 6,100 | 6,070 |
15 % | 4,959 | 4,800 | 4,667 | 4,600 | 4,950 | 4,920 |
18 % | 4,188 | 4,000 | 3,889 | 3,833 | 4,183 | 4,153 |
20 % | 3,802 | 3,600 | 3,500 | 3,450 | 3,800 | 3,770 |
25 % | 3,106 | 2,880 | 2,800 | 2,760 | 3,110 | 3,080 |
30 % | 2,642 | 2,400 | 2,333 | 2,300 | 2,650 | 2,620 |
40 % | 2,060 | 1,800 | 1,750 | 1,725 | 2,075 | 2,045 |
50 % | 1,710 | 1,440 | 1,400 | 1,380 | 1,730 | 1,700 |
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine frühe Erwähnung der 72er-Regel findet sich in Luca Paciolis Summa de arithmetica (Venedig 1494, S. 181). Darin stellt er die Regel im Rahmen einer Diskussion über die Schätzung der Verdopplungszeit einer Investition vor, leitet sie aber nicht her und erklärt sie auch nicht. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Regel schon vor Pacioli bekannt war.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- John J. Spitzer, Sandeep Singh: The rule of 72?. Financial Counseling and Planning 10 [1] (1999).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eric W. Weisstein: Rule of 72. In: MathWorld (englisch).
- Rule of 72. Online-Rechner von moneychimp.com (englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ R. L. Finney, G. B. Thomas: Calculus. Addison-Wesley, 1990, S. 360.
- ↑ Pamela Peterson Drake, Frank J. Fabozzi: Foundations and Applications of the Time Value of Money. John Wiley & Sons, 2009, S. 89.
- ↑ M. C. Lovell: Economics With Calculus. World Scientific, 2004, S. 361.
- ↑ J. P. Gould, R. L. Weil: The Rule of 69. In: Journal of Business. Band 39, 1974, S. 397–398.
- ↑ Richard P. Brief: A note on “rediscovery” and the rule of 69. In: The Accounting Review. Band 52, Nr. 4, 1977, S. 810–812.