Achaiischer Bund

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Karte der antiken Landschaft Achaia aus dem historischen Atlas von William Shepard von 1926 (Südteil)
Die römische Provinz Achaea (grün markiert) in der Zeit des Kaisers Augustus

Der Achaiische Bund (anhören/?, oft Achäischer Bund, vereinfachend auch Achaia) war ein Bündnis (Koinon) des nordpeloponnesischen Stammes der Achaier im antiken Griechenland, zu dem später zwölf und mehr Poleis gehörten.

Der Städtebund umfasste ursprünglich die zwölf achaiischen Städte Aigai, Aigeira, Aigion, Bura, Dyme, Helike, Olenos, Patrai, Phara, Pellene, Rhypes und Tritaia. Später kamen Keryneia und Leontion dazu. Während der Expansionsphase im frühen Hellenismus schlossen sich noch weitere Städte, teils unter Zwang, dem Bund an. Einige von diesen, wie Sikyon oder Korinth, gehörten nicht dem Stamm der Achaier an.

Der erste Achaiische Bund entstand nach Einführung der demokratischen Verfassungen im 5. Jahrhundert v. Chr., zentriert um den Kult des Zeus Homagyrios. 373 v. Chr. wurde die führende Polis Helike durch eine Flutwelle völlig zerstört. Aigai, Olenos und Rhypes wurden wegen ihres desolaten Zustands von der Bevölkerung aufgegeben und verlassen. Keryneia und Leontion blühten auf und wurden an deren Stelle in den Bund aufgenommen. Der Bund beteiligte sich an der Opposition gegen König Philipp II. Nach der Unterwerfung Griechenlands durch Makedonien verschwand der Bund offenbar, und die einstigen Mitglieder führten ab ca. 300 v. Chr. teilweise Krieg gegeneinander.

281 v. Chr. wurde der Achaiische Bund unter der Führung von Dyme und Patras neu gegründet, mit dem Ziel, die Makedonen zu vertreiben. Dies gelang fünf Jahre später in Aigion, das zum neuen Zentrum aufstieg. Im Chremonideischen Krieg kämpfte man im Bündnis mit Athen, Sparta und den Ptolemäern gegen die Antigoniden, unterlag aber. Ab 251 v. Chr. wurden auch dem Ethnos nicht angehörende Gebiete in den Bund integriert, teils freiwillig, teils unter Zwang. Sie erhielten das Bürgerrecht und eine Beteiligung an der Regierung.

Der Bund verfügte über eine Volksversammlung, einen Rat und Beamte, die zunächst von zwei, wohl ab 255 v. Chr. von einem jährlich gewählten Strategen geführt wurden, der auch das Bundesheer kommandierte. Hinzu kamen ein gemeinsames Bürgerrecht, das neben das der einzelnen Poleis trat, und gemeinsame Maße und Münzen. Die Beamten und Ratsmitglieder entstammten in der Regel der Oberschicht ihrer jeweiligen Heimatpolis. Dennoch pries der Historiker Polybios den Bund als vorbildliche Demokratie. Die Darstellung des Polybios ist die Hauptquelle für die Geschichte und Verfassung der Achaier (besonders 2,38-44), deren koinon allerdings idealisiert wird, was nicht allzu sehr verwundert, da der Arkadier selber zu den führenden Offizieren des Bundes gehörte. Sein Vater Lykortas war um 185 v. Chr. mehrfach Stratege, während sein Sohn es immerhin bis zum Hipparch brachte.

Seit der Mitte des 3. Jahrhunderts schlossen sich auch Städte dem Bund an, die nicht zu Achaia im engeren Sinne gehörten, als erstes die im Osten angrenzende Stadt Sikyon. Unter dem Strategen Aratos von Sikyon, der bald eine führende Rolle einnahm und ein Bündnis mit den Ptolemäern schloss, betrieben die Achaier eine aggressive Expansionspolitik. So wurden die antigonidischen Besatzungen im Handstreich aus Korinth und Megara vertrieben, worauf sich auch Epidauros, Troizen und etwas später Kleonai offenbar aus freien Stücken anschlossen.

Schutzgemeinschaft

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Andernorts verhandelte man mit den lokalen Machthabern und nötigte sie teils zum Rücktritt. Dies gelang in Megalopolis, Orchomenos, Phleius, Argos und Hermione. Der Achaiische Bund inszenierte sich daher auch als eine Schutzgemeinschaft gegen die Gefahr der Tyrannenherrschaft, auch wenn dies der machtpolitischen Realität nicht immer entsprach, da viele der vorgeblich entmachteten Männer nun eben mit achaiischer Rückendeckung ihre Poleis dominierten. Vor allem kämpfte man zunächst recht erfolgreich gegen die Antigoniden, deren König Antigonos Gonatas viele griechische Städte kontrollierte. Gegen dessen Nachfolger Demetrios II. schlossen die Achaier um 239 sogar ein Bündnis mit ihren alten Rivalen, den Aitoliern. Von den Ptolemäern, die mit den Antigoniden seit langem um die Hegemonie über die Griechen rivalisierten, erhielt man vor allem finanzielle Unterstützung. Die Achaier gaben sich als kompromisslose Vorkämpfer für die Befreiung Griechenlands von der makedonischen Hegemonie.

Krise im Krieg gegen Sparta

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Das zeitweilige Bündnis mit Sparta kehrte sich im Laufe der Zeit in Feindschaft um, und als in Sparta ein junger, tatkräftiger König auf den Thron gelangte, gerieten die Achaier in die Defensive: Im Kleomenischen Krieg konnte der Spartanerkönig Kleomenes III. viele Städte des Bundes auf seine Seite ziehen, und man fürchtete, er könnte dem Bund die Kontrolle Südgriechenlands streitig machen. Die Achaier änderten daraufhin 225 v. Chr. ihre Politik grundsätzlich und riefen den bisherigen Erzfeind, das antigonidische Makedonien, zu Hilfe, dessen König Antigonos III. Doson als Preis für seinen Beistand allerdings die Übergabe von Korinth und die faktische Anerkennung der makedonischen Hegemonie forderte. Die Achaier, denen dies immer noch lieber war als ein Erfolg der Spartaner, stimmten zu. Das alte Bündnis mit den Ptolemäern wurde derweil aufgekündigt; diese stellten sich daraufhin hinter Kleomenes.

Bündnis mit Makedonien

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Im Bündnis mit Doson gewannen die Achaier große Teile der Peloponnes, unter anderem in der Argolis und am Isthmus von Korinth, aber auch in Arkadien. 222 wurde Kleomenes III. in der Schlacht von Sellasia entscheidend geschlagen. Während des Zweiten Makedonischen Krieges wechselten die Achaier unter Philopoimen 198 v. Chr. von der Seite Makedoniens unter dem Antigoniden Philipp V. dann noch rechtzeitig auf die Seite Roms, woraufhin der Bund in den folgenden Jahren seine größte Ausdehnung erreichte. 192 konnte Philopoimen sogar Sparta zum Beitritt zwingen.

Partner der Römer und Untergang

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Als Juniorpartner der Römer erweiterten die Achaier ihr Bundesgebiet und konnten 188 v. Chr. die gesamte Peloponnes unter ihrer Herrschaft vereinigen, da die Aitolier, die gegen Rom gekämpft hatten, nun völlig entmachtet wurden. Vor allem immer wieder aufflammende Konflikte mit dem gewaltsam in den Bund eingegliederten Sparta belasteten aber das Verhältnis zu den Römern, die von den Achaiern eine Befriedung Griechenlands erwarteten. Nach dem siegreichen Krieg Roms gegen König Perseus von Makedonien setzten sich im Bund endgültig jene durch, die eine bedingungslose Unterwerfung unter den römischen Willen forderten; sie veranlassten 168 v. Chr. die Deportation von etwa 1000 innenpolitischen Rivalen nach Italien, darunter auch Polybios.

Da der zerstrittenen Führungsschicht der Achaier aber eine dauerhafte Befriedung Griechenlands auch weiterhin nicht gelang und der Bund gegen den erklärten Willen Roms ab 150 v. Chr. Krieg auf der Peloponnes führte, kam es 147 v. Chr. zum Bruch mit Rom: Der römische Gesandte L. Aurelius Orestes übermittelte ein senatus consultum, demzufolge Sparta, Korinth, Argos und weitere wichtige Städte den Bund zu verlassen hätten; dies hätte faktisch dessen Zerschlagung bedeutet. Als sich die Achaier verweigerten, kam es zum Krieg (bellum Achaicum). Nach der Niederlage der Achaier und der Zerstörung Korinths 146 musste der Bund zunächst offenbar aufgelöst werden. Er wurde aber wenig später neu gegründet, allerdings stark verkleinert und politisch unbedeutend. Süd- und Mittelgriechenland wurden schließlich 27 v. Chr. zur römischen Provinz Achaea.

Liste der Strategen des Achaiischen Bundes

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Jahr Stratege Herkunft
256/255 Margos Keryneia
--
245/244 Aratos I Sikyon
243/242 Aratos II Sikyon
241/240 Aratos III Sikyon
239/238 Aratos IV Sikyon
238/237 Aigialeus (?)
237/236 Aratos V Sikyon
236/235 Dioitas
235/234 Aratos VI Sikyon
234/233 Lydiadas I Megalopolis
233/232 Aratos VII Sikyon
232/231 Lydiadas II Megalopolis
231/230 Aratos VIII Sikyon
230/229 Lydiadas III Megalopolis
229/228 Aratos IX Sikyon
228/227 Aristomachos Argos
227/226 Aratos X Sikyon
226/225 Hyperbatas
225/224 Timoxenos I
224/223 Aratos XI Sikyon
223/222 Timoxenos II (?)
222/221 Aratos XII Sikyon
221/220 Timoxenos III (II)
220/219 Aratos XIII Sikyon
219/218 Aratos (der Sohn) Sikyon
218/217 Eperatos Pharai
217/216 Aratos XIV Sikyon
216/215 Timoxenos IV (III)
215/214 Aratos XV Sikyon
213/212 Aratos XVI Sikyon
209/208 Kykliadas I
208/207 Philopoimen I Megalopolis
206/205 Philopoimen II Megalopolis
201/200 Philopoimen III Megalopolis
200/199 Kykliadas II
199/198 Aristainos I Megalopolis
198/197 Nikostratos
195/194 Aristainos II Megalopolis
193/192 Philopoimen IV Megalopolis
192/191 Diophanes Megalopolis
190/189 Philopoimen V Megalopolis
189/188 Philopoimen VI Megalopolis
188/187
187/186 Philopoimen VII Megalopolis
186/185 Aristainos III Megalopolis
185/184 Lykortas I Megalopolis
184/183 Archon I Megalopolis
183/182 Philopoimen VIII Megalopolis
182/181 Lykortas II Megalopolis
181/180 Hyperbatos
180/179 Kallikrates
175/174 Xenarchos Megalopolis
172/171 Archon II Megalopolis
170/169 Archon III Megalopolis
168/167 Xenon Megalopolis
--
151/150 Menalkidas Sparta
150/149 Diaios I Megalopolis
149/148 Damokritos Megalopolis
148/147 Diaios II Megalopolis
147/146 Kritolaos Megalopolis
146 Diaios II Megalopolis
  • Andreas Bastini: Der achäische Bund als hellenische Mittelmacht. Geschichte des achäischen Koinon in der Symmachie mit Rom. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Bd. 335). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1987, ISBN 3-8204-9193-7 (Zugleich: Köln, Univ., Diss., 1982).
  • Thomas Corsten: Vom Stamm zum Bund. Gründung und territoriale Organisation griechischer Bundesstaaten. Oberhummer Gesellschaft, München 1999, S. 160–176 und passim.
  • Kaja Harter-Uibopuu: Das zwischenstaatliche Schiedsverfahren im achäischen Koinon. Zur friedlichen Streitbeilegung nach den epigraphischen Quellen. Böhlau, Köln u. a. 1998.
  • Jakob Aall Ottesen Larsen: Greek Federal States. Their Institutions and History. Clarendon Press, Oxford 1968, S. 215–240.
  • Yves Löbel: Rom und die „Flüchtlinge“. Zum Umgang Roms mit griechischen Verbannten aus dem Achaiischen Bund. In: Gymnasium. Band 124, 2017, S. 225–246.
  • Athanasios Rizakis: Le collège des nomographes et le système de représentation dans le Koinon Achéen. In: Kostas Buraselis u. a. (Hrsg.): The Idea of European Community in History. Conference Proceedings. Band 2. Nationale und Kapodistrias-Universität Athen, Greek Ministry of Education and Religious Affairs, Athen 2003, S. 97–109 (online).
  • Athanasios Rizakis: The Achaian League. In: Hans Beck, Peter Funke (Hrsg.): Federalism in Greek Antiquity. Cambridge University Press, Cambridge 2015, S. 118–131.
  • James Roy: The Achaian League. In: Kostas Buraselis u. a. (Hrsg.): The Idea of European Community in History. Conference Proceedings. Band 2. Nationale und Kapodistrias-Universität Athen, Greek Ministry of Education and Religious Affairs, Athen 2003, S. 81–95.
  • Ralf Urban: Wachstum und Krise des Achäischen Bundes. Quellenstudien zur Entwicklung des Bundes von 280 bis 222 v. Chr. (= Historia. Einzelschriften. Heft 35). Steiner, Stuttgart 1979, ISBN 3-515-02861-7.
  • Thomas Schwertfeger: Der Achaiische Bund von 146 bis 27 v. Chr. (= Vestigia. Beiträge zur Alten Geschichte. Band 19). C. H. Beck, München 1974.
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