Adèle Haenel

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Adèle Haenel (2017)

Adèle Haenel (* 11. Februar 1989 in Paris)[1] ist eine französische Schauspielerin, die von 2002 bis 2021 in über 30 Spielfilmen mitwirkte und zweimal mit dem Filmpreis César ausgezeichnet wurde. Sie ist eine der Protagonistinnen der französischen MeToo-Bewegung und engagiert sich öffentlich gegen Sexismus und Diskriminierungen.[2][3][4]

Adèle Haenel ist die Tochter einer französischen Lehrerin und eines aus Graz stammenden österreichischen Übersetzers.[5] Sie besuchte Theaterkurse in Montreuil und bekam mit 13 Jahren die Hauptrolle in Kleine Teufel.

Bekannt wurde sie 2007 durch ihre Rolle der Floriane in dem Film Water Lilies, dem Debütfilm der Regisseurin Céline Sciamma, für den sie 2008 als beste Nachwuchsdarstellerin für den César nominiert wurde. 2009 wurde sie für die Rolle der Lucie in dem Filmdrama Frau und frei! mit dem Darstellerpreis auf dem Festival Cinéma tous écrans de Genève ausgezeichnet.

2012 wurde Haenel von der European Film Promotion zum französischen „Shooting Star“ ernannt und für ihre Darstellung einer jungen Prostituierten in Bertrand Bonellos Historienfilm Haus der Sünde erhielt sie eine weitere César-Nominierung. 2014 gewann sie den César als beste Nebendarstellerin für ihre Rolle in dem Film Die unerschütterliche Liebe der Suzanne. Während ihrer Dankesrede outete sie sich und dankte ihrer damaligen Lebensgefährtin Céline Sciamma.[6][7] Im Folgejahr gewann sie einen César als Beste Hauptdarstellerin für Liebe auf den ersten Schlag.

Adèle Haenel 2017 an der Österreichpremiere von „Die Blumen von Gestern“
Plakat mit Inschrift „Wir stehen auf und hauen ab“ in Anspielung auf Haenels Reaktion bei der César Verleihung 2020, als Zitat aus Despentes Text zur Würdigung dieses Schrittes.[8]

Im Februar 2020 wirkte Haenel in einem Musikvideo des französischen Elektropop-Projekts Kompromat mit.[9] Sie übersetzte zudem die Texte für das Album Traum und Existenz für die Sängerin Julia Lanoë ins Deutsche.[10]

Ende Juni 2020 wurde Haenel eingeladen, Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences zu werden. Nach eigener Aussage nahm sie die Einladung nicht an.[11][12]

2021 wurde der Dokumentarfilm Retour à Reims (Rückkehr nach Reims) nach einem autobiographischen Buch von Didier Eribon in Cannes vorgestellt. Haenel übernahm den gesprochenen Part im Film.[13]

Von 2021 bis 2022 spielte Adèle Haenel in dem Theaterstück L’Étang / Der Teich, einer Inszenierung von Gisèle Vienne nach Robert Walser, zugleich den Teenager Fritz und dessen Geschwister. Fritz versucht die Liebe seiner Mutter durch einen vorgetäuschten Suizid auf die Probe zu stellen. Haenel erhielt für ihre Darbietung, die im deutschsprachigen Raum unter anderem bei den Wiener Festwochen gezeigt wurde, begeisterte Kritiken.[14][15][16][17]

Im Mai 2022 gab Haenel dem Wiener Magazin FAQ ein Interview, in dem sie ihre Kritik an den Strukturen der Filmbranche ausführte und bestätigte, dass sie dem Kino aus politischen Gründen bewusst den Rücken kehre, um sich dem Theater und weiteren Kollaborationen mit Gisèle Vienne zu widmen. Sie könne trotz aller Lippenbekenntnisse keinen Wandel in der Filmbranche ausmachen. Am Theater seien die finanziellen Einsätze geringer und damit die Freiräume etwas größer. „Wenn ich heute in dieser Kinobranche bleiben würde, würde ich zu einer Art feministischer Garantie für diese männliche und patriarchalische Industrie. Mein Traum ist es, klar zu machen: Diese Industrie verteidigt eine kapitalistische, patriarchalische, rassistische, sexistische, generell strukturelle Welt der Ungleichheit.“ Mit ausschlaggebend für die Entscheidung sei eine kürzliche Zusammenarbeit mit dem Filmregisseur Bruno Dumont gewesen, der nicht bereit war, auf die große Zahl von Witzen über Cancel Culture und sexuelle Gewalt im Drehbuch zu verzichten. Für filmische Zusammenarbeiten mit aktivistischen Regisseuren und mit Regisseurinnen wie Céline Sciamma oder Gisèle Vienne sei sie jedoch jederzeit offen.[18][12]

Im November 2019 gab Haenel der französischen Internet-Zeitung Mediapart ein Interview, in dem sie von sexuellen Belästigungen durch den Kleine Teufel-Regisseur Christophe Ruggia zwischen ihrem 12. und 14. Lebensjahr berichtete. Sie wurde damit zu einer der Protagonistinnen der französischen MeToo-Bewegung. In dem Interview betonte sie auch, dass es ihr mehr um die Änderung des Gesellschaftssystems als um die Verurteilung einzelner Individuen gehe; es gebe keine Monster, sondern die Gesellschaft ermögliche und fördere gewisse Handlungen.[19][20]

Als Roman Polanski 2020 den César in der Kategorie Beste Regie erhielt, erhob sich Haenel und verließ, begleitet von Sciamma und anderen, mit dem Ausruf „la honte!“ („Schande!“) den Saal. Polanski wurde bereits mehrfach wegen sexueller Belästigung und Pädophilie angeklagt.[21] Céline Sciamma war für den Film Porträt einer jungen Frau in Flammen, ein Drama über die Liebesbeziehung zwischen zwei Frauen im 18. Jahrhundert, ebenfalls für den Preis für die beste Regie nominiert, Haenel für den César als Beste Hauptdarstellerin.[8][22] Die Geste wurde in den französischen Medien kontrovers diskutiert. Haenel erfuhr breite Unterstützung unter anderem durch den Philosophen Paul B. Preciado und die Schriftstellerin Virginie Despentes.[23][24]

Die Schauspielerin wandte sich in der Folge zunehmend von der Filmbranche ab.[12]

Auszeichnungen (Auswahl)

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Adèle Haenel beim César 2015
Commons: Adèle Haenel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Interview d'Adèle Haenel : "La relation avec un réalisateur fait tout". 31. Juli 2014, abgerufen am 2. März 2020 (französisch).
  2. Elian Peltier: Adèle Haenel: France ‘Missed the Boat’ on #MeToo. In: The New York Times. 24. Februar 2020, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 8. Juni 2022]).
  3. Valerie Complex, Valerie Complex: After 2020 César Awards, Five Women Are Making A Stand To Force Change In The French Industry — Deadline Disruptors. In: Deadline. 22. Mai 2022, abgerufen am 8. Juni 2022 (amerikanisches Englisch).
  4. Adèle Haenel en croisade contre les violences policières. Abgerufen am 8. Juni 2022 (französisch).
  5. Salzburger Nachrichten: Viennale-Star Adele Haenel: „Gleichheit ist sexy“. Abgerufen am 11. Dezember 2019.
  6. L.Mag: K-Word #34: Neues aus der Lesbenwelt. Abgerufen am 11. September 2020.
  7. Académie des César: Adèle Haenel, César 2014 de la Meilleure Actrice dans un Second Rôle dans SUZANNE. Abgerufen am 11. September 2020 (französisch).
  8. a b FAZ: Preis für Polanski: „Fortan hauen wir ab“. Abgerufen am 11. September 2020.
  9. Kompromat: KOMPROMAT feat. Adèle Haenel - De mon âme à ton âme. Abgerufen am 11. September 2020 (französisch).
  10. Frankfurter Rundschau: Für mich hört sich Deutsch ziemlich sexy an. Abgerufen am 11. September 2020.
  11. Academy Invites 819 To Membership. In: oscars.org, 30. Juni 2020.
  12. a b c „Ich mache kein Kino mehr“. In: FAQ Magazine. 4. Mai 2022, abgerufen am 4. Juni 2022 (deutsch).
  13. Retour à Reims (Fragments). Abgerufen am 5. Juni 2022 (englisch).
  14. Gisèle Vienne, L’Étang d’après Robert Walser. Abgerufen am 27. Dezember 2021 (französisch).
  15. L’Etang – Gisele Vienne. Abgerufen am 4. Juni 2022 (amerikanisches Englisch).
  16. MIR MEDIA-Digital Agency- www.mir.de: Ruhrtriennale - L’Étang/Der Teich. Archiviert vom Original am 28. Dezember 2021; abgerufen am 25. März 2024.
  17. Theater bei den Wiener Festwochen Astronauten im Mondkrater. 30. Mai 2022, abgerufen am 7. Juni 2022.
  18. Kathleen Hildebrand: Adèle Haenel verlässt die Filmbranche: Die Frau, die geht. Abgerufen am 4. Juni 2022.
  19. Spiegel: Ich schulde es allen, die schon geredet haben. Abgerufen am 11. September 2020.
  20. MeToo in Frankreich „Wir sind erst am Anfang“. 8. November 2019, abgerufen am 5. Juni 2022.
  21. Neuer Vergewaltigungsvorwurf gegen Regisseur Roman Polanski. In: Der Spiegel. 9. November 2019, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 16. Mai 2022]).
  22. Auf allen Kanälen: Kriegerin im Abendkleid. 4. März 2020, abgerufen am 9. Juni 2022.
  23. Paul B. Preciado: L’ancienne académie en feu, par Paul B. Preciado. Abgerufen am 27. Dezember 2021 (französisch).
  24. Virginie Despentes: Césars : «Désormais on se lève et on se barre», par Virginie Despentes. Abgerufen am 27. Dezember 2021 (französisch).