Aflatoxine

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Strukturformel von (−)-Aflatoxin B1
Strukturformel von Aflatoxin G1

Aflatoxine sind natürlich vorkommende Schimmelpilzgifte (Mykotoxine), die erstmals beim Schimmelpilz Aspergillus flavus nachgewiesen wurden. Sie wurden entsprechend nach dieser Art benannt („A-fla-toxin“). Aflatoxine können jedoch auch von anderen Arten der Gattung Aspergillus wie Aspergillus parasiticus, Aspergillus tamarii, Aspergillus nomius und weiteren Arten gebildet werden.

Man unterscheidet mindestens 20 natürlich vorkommende Aflatoxine, von denen Aflatoxin B1 als das für den Menschen gefährlichste gilt.[1] Neben Aflatoxin B1 haben vor allem die Toxine B2, G1 und G2 sowie die in Milch vorkommenden Metaboliten M1 und M2 eine größere Bedeutung.

Aflatoxine haben bei Konzentrationen um 10 µg/kg Körpergewicht akut hepatotoxische Wirkung (Leberdystrophie), wirken jedoch schon bei geringeren Konzentrationen und vor allem bei wiederholter Aufnahme karzinogen auf Säugetiere, Vögel und Fische.[2] Die letale Dosis von Aflatoxin B1 beträgt bei Erwachsenen 1 bis 10 mg/kg Körpergewicht bei oraler Aufnahme. Im Tierversuch mit Ratten (letale Dosis 7,2 mg/kg Körpergewicht) wurde die Karzinogenität einer Tagesdosis von 10 µg/kg Körpergewicht nachgewiesen.[3] Aflatoxin B1 ist damit eine der am stärksten krebserzeugenden Verbindungen überhaupt.

Die karzinogene Wirkung der Aflatoxine beruht darauf, dass sie nach Aufnahme in Hepatozyten oxidativ in ein sehr reaktionsfähiges Epoxid wie z. B. Aflatoxin-B1-8,9-epoxid, umgewandelt werden (Phase I der Biotransformation). Dies geschieht mithilfe von Cytochrom P450. Das Epoxid kann zwar als Glutathion-S-Konjugat löslich gemacht (Phase II der Biotransformation) und anschließend durch entsprechende Transportsysteme (MRP2-Transporter, ATP-abhängig) ausgeschieden werden (Phase III der Biotransformation), allerdings kann das Epoxid auch in den Nucleus eindringen, dort mit der DNA Addukte bilden und so Mutationen bzw. Tumore verursachen.[4]

Die Neoplasie tritt bei oraler Aufnahme besonders häufig in Leber und Magen auf. Da auch die Schimmelpilz-Sporen Aflatoxine enthalten, kann beim Arbeiten mit aflatoxinhaltigen Produkten das Einatmen der Stäube zu Lungenkrebs führen.[3] Daher werden seit 1976 Höchstmengen für Aflatoxine in bestimmten Lebensmitteln festgesetzt.

Im Lebensmittel-Monitoring-Bericht 2008 wurden in 6 von 88 Reisproben quantifizierbare Mengen von Aflatoxin B1 gefunden, eine Probe überschritt den zulässigen Höchstgehalt.[5]

Aflatoxine sind thermostabil, d. h., sie können durch Erhitzen (Kochen, Braten etc.) nicht zerstört werden.

Schimmelpilze wie Aspergillus flavus kommen in Erde, verrottender Vegetation sowie Heu und Getreide vor, das mikrobiellem Verderb ausgesetzt ist. Sie befallen organische Substrate jeden Typs, wenn die Bedingungen ihr Wachstum begünstigen. Solche wachstumsbegünstigenden Bedingungen sind z. B. hohe Temperatur und Feuchtigkeit wie in tropischen Regionen. Das Vorhandensein von Aspergillus flavus allein ist jedoch nicht hinreichend für die Entstehung schädlicher Mengen von Aflatoxinen.

Die in (pflanzlichen) Nahrungsmitteln auftretenden Aflatoxine sind das Aflatoxin B1, B2, G1 und G2.[2] In Milch kommen Aflatoxin M1 und M2 vor.

Aspergillus flavus

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Aspergillus flavus ist in der Natur häufig und weit verbreitet. Man findet ihn meist, wenn das Wachstum von Erdnüssen, Mohn oder bestimmten Getreidesorten unter schlechten (Stress auslösenden) Bedingungen, wie z. B. Dürre, erfolgt, oder die Produkte bei Ernte oder Lagerung kontaminiert werden. In einer Vielzahl von Fällen wurde der Pilz auf Pistazien festgestellt. Die Belastung schwankt dabei stark je nach Herkunftsland und Erntemethode. Auch produzieren nur 40 Prozent der untersuchten Pilzstämme Aflatoxine.[3][2]

Aspergillus parasiticus

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Aspergillus parasiticus ist häufig in Erdnüssen zu finden und kommt nur in bestimmten Regionen vor. Alle untersuchten Pilzstämme können B- und G-Aflatoxine produzieren.[2]

Weitere Aspergillus- und Emericella-Arten

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Es wurden weitere Schimmelpilzarten gefunden, die Aflatoxine produzieren. Diese sind aber selten bis sehr selten anzutreffen. B- und G-Aflatoxine werden von A. nomius, A. toxicarius, A. parvisclerotigenus und A. bombycis hergestellt. B-Aflatoxine wurden weiterhin in A. pseudotamarii, A. ochraceoroseus, A. rambelli sowie Emericella astellata und E. venezuelensis festgestellt.[2]

Von vielen Aflatoxinen sind Totalsynthesen bekannt. Eine Forschergruppe um George Büchi veröffentlichte bereits 1966 eine Synthesevorschrift für (±)-Aflatoxin B1 und darauf folgend von weiteren Aflatoxinen.[6]

Totalsynthese von Aflatoxin B2 (Tf=Triflylgruppe)

Zur zuverlässigen Identifizierung und Quantifizierung in Lebensmitteln und anderen komplexen Untersuchungsgütern werden chromatographische Methoden mit Fluoreszenzdetektion oder die Kopplung der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) mit der Massenspektrometrie nach angemessener Probenvorbereitung eingesetzt.[7] Ergebnisse sogenannter Schnelltests sollten stets mit HPLC/MS-Methoden überprüft werden, um Fehlinterpretationen mit erheblichen gesundheitlichen oder ökonomischen Konsequenzen zu vermeiden.[8] Zur Qualitätssicherung der eingesetzten analytischen Verfahren können Referenzmaterialien eingesetzt werden.[9]

Belastung von Lebens- und Futtermitteln

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Aflatoxine in gesundheitsschädlichen Mengen werden am häufigsten in Trockenprodukten wie Pistazien, Erdnüssen, Haselnüssen, Paranüssen, Trockenfeigen und Gewürzen nachgewiesen.[10][11] In Guatemala ernähren sich viele Maya von mit Aflatoxinen belastetem Mais.[12]

Am 1. März 2013 wurde in Deutschland mit bis zu 0,204 Milligramm Aflatoxin B1 pro Kilogramm verunreinigter Mais gefunden, nachdem 57 Nanogramm Aflatoxin M1 pro Kilogramm Milch eines Hofes festgestellt wurden und die Maislieferung aus Serbien als Futterbestandteil ermittelt worden war. Futter aus der Maislieferung war an mehrere Tausend weitere Betriebe in Niedersachsen und einige Betriebe in weiteren Bundesländern geliefert worden. Bereits in den vorausgegangenen Monaten wurden erhöhte Aflatoxin-Gehalte in Mais aus verschiedenen europäischen Staaten gemeldet. In Serbien war ein Großteil der Ernte des Jahres 2012 belastet.[13][14][15][16]

Die Affäre um mit Schimmelpilz-belastete Tierfutterimporte wird – nach Pressemeldungen – keine strengeren Kontrollen auf Bundesebene nach sich ziehen.[17] Im Juni und November 2015 wurde ein ähnlicher Fall in Äthiopien dokumentiert.[18]

Zulässige Höchstwerte

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In der Europäischen Union gelten durch die Verordnung (EU) 2023/915 (Vorgänger: Verordnung (EG) Nr. 1881/2006) verschiedene (auch von der Verarbeitung abhängige) Grenzwerte zwischen 2 und 12 μg·kg−1 für Aflatoxin B1 sowie zwischen 4 und 15 μg·kg−1 für die Summe der Aflatoxine B1, B2, G1, G2 in verschiedenen Getreiden und Getreideprodukten, Gewürzen, Schalenfrüchten, Ölsaaten, Trockenfrüchten, Mais und Reis. Ausgenommen werden Raffinierte Pflanzenöle und deren Ausgangsprodukte, da ein Entfernen der Aflatoxine bei der Raffination vorausgesetzt wird. Für Aflatoxin M1 gilt ein Grenzwert von 50 Nanogramm pro Kilogramm (50 ppb) Rohmilch, wärmebehandelte Milch und Werkmilch sowie 25 Nanogramm pro kg in Säuglingsnahrung. Lebensmittel für Säuglinge (und Kleinkinder) dürfen nur 0,1 μg·kg−1 Aflatoxin B1 enthalten.[19]

Es gibt zahlreiche national unterschiedliche Regelungen dazu.[20]

Tabelle. Toleranzniveau für Aflatoxin B1 im internationalen Vergleich
Staat Maximal zulässige Menge [μg·kg−1] Produkt
Kanada 15 Nüsse
Vereinigtes Königreich 20 Lebensmittel
Europäische Union 2 Nüsse, Trockenfrüchte, Getreide
Vereinigte Staaten 20 Lebensmittel[21]
Schweiz 8 Mandeln, Pistazien und Aprikosenkerne[22]
Argentinien 0 (i.e unterhalb der Nachweisgrenze) Erdnüsse, Mais und Maisprodukte
Brasilien 15 Lebensmittel
China 10 Reis und Tafelöle
Tschechien 5 Lebensmittel
Ungarn 5 Lebensmittel
Indien 30 Lebensmittel
Japan 10 Lebensmittel
Nigeria 20 Lebensmittel
Polen 0 (i.e unterhalb der Nachweisgrenze) Lebensmittel
Südafrika 5 Lebensmittel
Zimbabwe 5 Lebensmittel

Da Aflatoxine thermostabil sind, setzt die Lebensmittelindustrie zur Reinigung bestimmter Verarbeitungsmaschinen Natriumhypochlorit oder vergleichbare Verfahren ein. Der Reinigungserfolg wird dann per Hochleistungsflüssigkeitschromatographie mit Fluoreszenzdetektion nachgewiesen.[23]

Aflatoxine als biologischer Kampfstoff

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Aflatoxine stehen aufgrund ihrer vergleichsweise einfachen Produktionsmethode und der niedrigen letalen Dosis im Verdacht, als Kampfstoff bevorratet zu werden. So wurden beispielsweise im Irak zwischen 1985 und 1991 etwa 2200 Liter Aflatoxin als Kampfstoff hergestellt, mit dem R-17-Raketen bestückt werden sollten.[24]

Commons: Aflatoxine – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Albert Gossauer: Struktur und Reaktivität der Biomoleküle. Verlag Helvetica Chimica Acta, Zürich 2006, ISBN 3-906390-29-2, S. 422–423.
  2. a b c d e J. C. Frisvad, U. Thrane, R. A. Samson, J. I. Pitt: Important mycotoxins and the fungi which produce them. In: Advances in Food Mycology (= Advances in Experimental Medicine and Biology. Band 571). Springer, 2006, ISBN 0-387-28391-9, S. 3–31, doi:10.1007/0-387-28391-9_1, PMID 16408591 (englisch).
  3. a b c Verbraucherschutz-Jahresbericht 2000. (Memento vom 21. September 2015 im Internet Archive) (PDF; 1,5 MB). Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
  4. Georg Löffler, Petro E. Petrides: Biochemie & Pathobiochemie. 8. Auflage. Springer-Verlag, 2007, ISBN 978-3-540-32680-9.
  5. Lebensmittel-Monitoring Bericht 2008. (Memento vom 5. Dezember 2014 im Internet Archive) Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, S. 42.
  6. Liyan Yang, Zhonglei Wang: Advances in the Total Synthesis of Aflatoxins. In: Frontiers in Chemistry. Band 9, 2021, doi:10.3389/fchem.2021.779765, PMID 34917589 (englisch).
  7. Natalia Arroyo-Manzanares, Ana M. García-Campaña, Laura Gámiz-Gracia: Multiclass mycotoxin analysis in Silybum marianum by ultra high performance liquid chromatography-tandem mass spectrometry using a procedure based on QuEChERS and dispersive liquid-liquid microextraction. In: Journal of Chromatography A. 22. März 2013, S. 11–19, doi:10.1016/j.chroma.2013.01.072, PMID 23415469 (englisch).
  8. Robert Salter, David Douglas, Mark Tess, Bob Markovsky, Steven J. Saul: Interlaboratory study of the Charm ROSA Safe Level Aflatoxin M1 Quantitative lateral flow test for raw bovine milk. In: Journal of AOAC International. Band 89, Nr. 5, 2006, S. 1327–1334, PMID 17042183 (englisch).
  9. R. D. Josephs, F. Ulberth, H. P. Van Egmond, H. Emons: Aflatoxin M1 in milk powders: processing, homogeneity and stability testing of certified reference materials. In: Food Additives & Contaminants. Band 22, Nr. 9, September 2005, S. 864–874, doi:10.1080/02652030500166537, PMID 16192073 (englisch).
  10. Sendung „Forschung aktuell“ des Deutschlandfunks vom 1. März 2013, moderiert von Ulrich Blumenthal.
  11. 2003/493/EG: Entscheidung der Kommission vom 4. Juli 2003 zum Erlass von Sondervorschriften für die Einfuhr von Paranüssen in Schale, deren Ursprung oder Herkunft Brasilien ist, abgerufen am 25. Februar 2015.
  12. Thomas Kruchem: Mangelernährung in Guatemala – Die verhängnisvolle Tradition der Maya. In: Deutschlandfunk Kultur. 4. August 2016, abgerufen am 23. Januar 2021 (deutsch).
  13. Futtermittelkontamination mit Aflatoxin B 1 festgestellt. Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Pressemitteilung, 1. März 2013.
  14. Aflatoxin B1 in Futtermais – Aktueller Sachstand. Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
  15. Erhöhte Gehalte an Aflatoxin in Futtermais aus Serbien (Memento vom 20. Dezember 2015 im Internet Archive) Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Pressemitteilung Nr. 73, 1. März 2013.
  16. Politische Kurzmeldungen (25. Januar 2013) Serbien: Aflatoxin in Mais. In: Österreichische Ärztezeitung.
  17. Pilzbelastete Futtermittel: Keine Kontrollen auf Bundesebene. (Memento vom 27. Mai 2013 im Internet Archive) vom 5. April 2013.
  18. Ethiopia: Milk Malaise (14. November 2015). allafrica.com
  19. Verordnung (EU) 2023/915 Verordnung (EU) 2023/915 der Kommission vom 25. April 2023 über Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006
  20. L. L. Charmley, H. L. Trenholm: Fact Sheet – Mycotoxins. (Memento vom 7. Mai 2010 im Internet Archive) Canadian Food Inspection Agency.
  21. Center for Food Safety and Applied Nutrition: Guidance for Industry: Action Levels for Poisonous or Deleterious Substances in Human Food and Animal Feed. 28. September 2022, abgerufen am 6. November 2022 (englisch).
  22. Verordnung des EDI über die Höchstgehalte für Kontaminanten In: admin.ch, abgerufen am 12. Februar 2020.
  23. Hamed K. Abbas: Aflatoxin and food safety. 2005, ISBN 0-8247-2303-1, S. 543 ff. (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  24. T. Vasek: Wahrheitssucher beim Vater aller Täuscher. In: Die Zeit. 40, 2002.