Afrozentrismus

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Unter Afrozentrismus versteht man die ideologische Beurteilung inner- und außerafrikanischer Gesellschaften nach schwarzafrikanischen Vorstellungen; demnach auf der Grundlage der von subsaharischen Afrikanern entwickelten Werte und Normen. Diese Wertvorstellungen, Kategorienbildungen und Überzeugungen nehmen im Afrozentrismus als Maßstab das alleinige Zentrum des Denkens und Handelns ein.

Angenommen und vertreten wird, dass subsaharische Kulturen einen stärkeren Einfluss auf die Weltgeschichte gehabt hätten als in eurozentrischer Sichtweise dargestellt.

Der Afrozentrismus entstand Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts in Folge einer neuen Sichtweise der afroamerikanischen Bevölkerung auf Afrika durch die Abschaffung der Sklaverei und später durch die Dekolonisation des Kontinents. Maßgeblich beteiligt an der Entwicklung des Afrozentrismus waren amerikanische und afrikanische Intellektuelle. Der Afrozentrismus in seiner heutigen Form wurde von Molefi Kete Asante geprägt, einem Professor der Temple University in Philadelphia. Er organisierte afrozentrische Studiengänge und verfasste zahlreiche Schriften und Bücher, in denen er seine Theorien erläuterte. Ein weiterer Begründer des Afrozentrismus war Cheikh Anta Diop, ein senegalesischer Historiker, Anthropologe und Politiker, der grundlegende afrozentrische Thesen formulierte und vertrat.[1]

Ziele und Thesen

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Folgende Ziele und Thesen sind als Kernelemente des Afrozentrismus anzusehen:[2]

  • Rekonstruktion der „tatsächlichen“ Geschichte Afrikas
  • Abbau negativer Stereotypen über (Schwarz-)Afrika und (schwarze) Afrikaner
  • Betonung des kulturellen Reichtums Afrikas
  • Abkehr vom Materialismus
  • Überwindung und Bekämpfung des eurozentrischen Denkens[3]

Theoretiker und prominente Vertreter

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Altägypten als Kultur aus Subsahara-Afrika?

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Eine Studie, die DNA-Tests an Mumien aus dem Alten Ägypten vornahm, konnte die afrozentrische These, dass die Alten Ägypter schwarze Afrikaner waren, nicht bestätigen.

Die Studie ergab vielmehr, dass die Bevölkerung im Alten Ägypten – zumindest nach den untersuchten Mumien einer Siedlungsstätte in Unterägypten – genetisch am engsten mit den damaligen Bewohnern des Nahen Ostens verwandt war. Eine enge Verwandtschaft bestand auch mit den jungsteinzeitlichen Populationen der anatolischen Halbinsel und Europas. Die Studie schloss allerdings nicht aus, dass zukünftige Untersuchungen südlicherer und dem heutigen Sudan näheren Ausgrabungsstätten möglicherweise zu anderen Ergebnissen mit stärkerer Ausprägung subsaharischer Gene kommen könne.[4]

Der Vergleich mit der genetischen Zusammensetzung der heutigen Ägypter zeigte überraschenderweise, dass diese in den letzten 1500 Jahren einen erheblichen genetischen Anteil aus den südlicheren Regionen Afrikas erworben haben. Sie weisen etwa acht Prozent mehr gemeinsame Kernzell-DNA mit Subsahara-Populationen auf als die Bewohner des Alten Ägyptens. „Dies deutet darauf hin, dass es in dieser Zeit zu einem verstärkten Genfluss aus den Gebieten südlich der Sahara nach Ägypten kam“, erklärt Stephan Schiffels, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena.

Mögliche Ursachen können eine erhöhte Mobilität entlang des Nils, die Zunahme des Handels zwischen den subsaharischen Gebieten und Ägypten oder der transsaharische Sklavenhandel sein, der vor etwa 1300 Jahren begann.[5]

  • Thomas Reinhardt: Geschichte des Afrozentrismus. Imaginiertes Afrika und afroamerikanische Identität, Stuttgart: Kohlhammer 2007, ISBN 978-3-17-019947-7.

Einzelnachweise

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  1. Geschichte Afrikas: Der Philosoph Kwame Anthony Appiah erklärt die Krux des Rassismus. In: Die Zeit. 17. Februar 2011, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 19. Mai 2017]).
  2. Afrozentrismus. Abgerufen am 19. Mai 2017.
  3. ZAG 47 Afrozentrismus. Abgerufen am 19. Mai 2017.
  4. Verena J. Schuenemann, Alexander Peltzer, Beatrix Welte, W. Paul van Pelt, Martyna Molak, Chuan-Chao Wang, Anja Furtwängler, Christian Urban, Ella Reiter, Kay Nieselt, Barbara Teßmann, Michael Francken, Katerina Harvati, Wolfgang Haak, Stephan Schiffels, Johannes Krause: Ancient Egyptian mummy genomes suggest an increase of Sub-Saharan African ancestry in post-Roman periods. In: Nature Communications. Band 8, Nr. 1, 30. Mai 2017, ISSN 2041-1723, S. 15694, doi:10.1038/ncomms15694 (nature.com [abgerufen am 27. Mai 2023]).
  5. Forscher entschlüsseln erstmals Genome ägyptischer Mumien Bewohner des Alten Ägypten waren genetisch am engsten mit den damaligen Bewohnern des Nahen Ostens verwandt. Max-Planck-Gesellschaft, 17. Mai 2017, abgerufen am 22. April 2023.