Albrecht Ritschl (Wirtschaftshistoriker)
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Albrecht Ritschl (* 16. September 1959 in München[1]) ist ein deutscher Wirtschaftshistoriker.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ritschl wurde nach einem Studium der Geschichte bei Knut Borchardt 1987 an der Ludwig-Maximilians-Universität München promoviert.[2] Von 1994 bis 2007 hatte er Professuren an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona (1994–1999), der Universität Zürich (1999–2001) und der Humboldt-Universität zu Berlin (2001–2007) inne, bevor er 2007 an die London School of Economics and Political Science berufen wurde.
Thesen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ritschl unternahm mehrere Reinterpretationsversuche der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem:
- Der wirtschaftliche Zusammenbruch der Weimarer Republik. Ritschl behauptet, Deutschland sei 1929/1930 in eine Zahlungsbilanzkrise geraten, ausgelöst durch Überschuldung im Ausland und die Verschärfung des Reparationsregimes durch den Young-Plan. In dieser Lage sei die Deflationspolitik Heinrich Brünings alternativlos gewesen.[3]
- Die Beschäftigungspolitik des Dritten Reichs. Ritschl argumentiert, der Aufschwung im Anschluss an die Weltwirtschaftskrise habe bereits 1932 eingesetzt und sei damit nicht der Wirtschaftspolitik der Nationalsozialisten zuzuschreiben. Die schnelle Rückkehr zu Vollbeschäftigung sei eine Folge der Niedriglohnpolitik Brünings gewesen, welche das Dritte Reich bruchlos fortgesetzt habe. Der Bau der Reichsautobahn hingegen habe in großem Umfang erst 1936 begonnen, als Deutschland praktisch bereits zur Vollbeschäftigung zurückgefunden habe.[4]
- Die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg. Ritschl bestreitet, die soziale Marktwirtschaft sei eine Erfindung Ludwig Erhards gewesen. Wesentliche liberale Elemente wie die Anti-Kartellgesetzgebung seien auf Druck der West-Alliierten, insbesondere der Vereinigten Staaten, zustande gekommen. Andere korporatistische Elemente hingegen, wie zum Beispiel Beschränkungen der Gewerbefreiheit, habe bereits Hjalmar Schacht in den 1930er Jahren eingeführt.[5]
- Konjunkturzyklen im Kaiserreich. Mit Methoden der empirischen Konjunkturforschung bestätigt Ritschl die Existenz der Gründerkrise (einer scharfen Rezession in den 1870er Jahren), die von anderen Wirtschaftshistorikern in Abrede gestellt worden war.[6]
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Prices and Production. Elements of a System-Theoretic Perspective. Physica-Verlag, Heidelberg 1989, ISBN 3-7908-0429-0.
- Deutschlands Krise und Konjunktur 1924–1934. Binnenkonjunktur, Auslandsverschuldung und Reparationsproblem zwischen Dawes-Plan und Transfersperre. Akademie-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003650-8.
- (Hrsg.): Preußen im Kaiserreich. Akademie-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-05-003699-0.
- Hat das Dritte Reich wirklich eine ordentliche Beschäftigungspolitik betrieben? In: Neue Ergebnisse zum NS-Aufschwung (= Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte. 2003/I), ISBN 3-05-003860-8 (PDF ( vom 26. März 2007 im Internet Archive)).
- Mit Thomas Welskopp und Katja Girschik (Hrsg.): Der Migros-Kosmos. Zur Geschichte eines aussergewöhnlichen Schweizer Unternehmens. Hier und Jetzt, Baden 2003, ISBN 3-906419-64-9.
- (Hrsg.): Das Reichswirtschaftsministerium in der NS-Zeit. Wirtschaftsordnung und Verbrechenskomplex (= Wirtschaftspolitik in Deutschland 1917–1990. Bd. 2). De Gruyter Oldenbourg, Berlin 2017, ISBN 978-3-11-046281-4.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Albrecht Ritschl im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Albrecht Ritschl ( vom 19. August 2006 im Internet Archive) auf der Website der Humboldt-Universität
- Albrecht Ritschl auf der Website der London School of Economics and Political Science
- Im Gespräch: Albrecht Ritschl, auf FAZ.net, 24. Oktober 2008
- Deutschland ist der größte Schuldensünder des 20. Jahrhunderts, auf Spiegel.de, 21. Juni 2011
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Vademekum der Geschichtswissenschaften. Ausgabe 10.2012/2013. Steiner, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-515-10079-3, S. 538.
- ↑ Albrecht Ritschl im Mathematics Genealogy Project (englisch)
- ↑ Knut Borchardts Interpretation der Weimarer Wirtschaft. Zur Geschichte und Wirkung einer wirtschaftsgeschichtlichen Kontroverse (PDF; 137 kB), 2001.
- ↑ Hat das Dritte Reich wirklich eine ordentliche Beschäftigungspolitik betrieben ? ( vom 26. März 2007 im Internet Archive), 2002.
- ↑ Von der Krise zur Moderne? Zu den langfristigen Wirkungen der NS-Wirtschaftspolitik ( vom 26. März 2007 im Internet Archive), 2003.
- ↑ Business Cycles and Stock Market Comovement in Germany before World War I: Evidence from Spectral Analysis (PDF; 573 kB), 2005.
Personendaten | |
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NAME | Ritschl, Albrecht |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Wirtschaftshistoriker und Hochschullehrer |
GEBURTSDATUM | 16. September 1959 |
GEBURTSORT | München |
Kategorien:
- Wirtschaftshistoriker
- Ökonom (20. Jahrhundert)
- Hochschullehrer (London School of Economics and Political Science)
- Hochschullehrer (Humboldt-Universität zu Berlin)
- Hochschullehrer (Universität Pompeu Fabra)
- Hochschullehrer (Universität Zürich)
- Absolvent der Ludwig-Maximilians-Universität München
- Deutscher
- Geboren 1959
- Mann