Allianz Kompass Europa

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Die Allianz Kompass Europa ist eine politische Schweizer Organisation, die die geplanten Abkommen über die Weiterentwicklung auf bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) auf der gegenwärtigen Basis ablehnt. Insbesondere ist sie gegen die Einbindung der Schweiz in die von der EU vorgesehenen Bedingungen institutioneller Natur.[1] Sie macht Vorschläge für die zukünftige Ausrichtung der Schweizer Aussenpolitik. Der Allianz gehören Persönlichkeiten aus Industrie, Finanzwesen und Beratung als Unterstützer an.[2]

Argumente gegen die Weiterentwicklung der bilateralen Verträge mit dynamischer Rechtsübernahme

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2021 formulierte Kompass Europa seine Argumente gegen das damals verhandelte Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU und veröffentlichte ein entsprechendes Manifest.[3][4]

Seit 2022 verhandelt der Schweizer Bundesrat mit der EU über die Weiterentwicklung der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU. Die neuen Verhandlungspositionen wurden in Form einer Paketlösung festgehalten.[5] Dazu hat das Bündnis Kompass Europa eine Lagebeurteilung aus Sicht der Allianz vorgenommen und befunden, dass die Schweiz von Grund auf politisch und strukturell nicht mit der EU kompatibel sei. Die Rechte der Schweiz als souveräne Partnerin der EU würden ausgehöhlt.[6] Der Schweiz drohe wegen der geplanten dynamischen Rechtsübernahme eine Nivellierung der Wirtschaft nach unten.[7] Die einzelnen Vertragsgegenstände hat Kompass Europa kritisch ausgelegt und verdeutlicht.[8] Kontrovers wird der Nutzen des freien Personenverkehrs beurteilt. Heinrich Fischer als Präsident der Allianz bezeichnet das Interesse der EU am Freizügigkeitsabkommen als grösser im Vergleich mit jenem der Schweiz.[9] Alfred Gantner als Mitgründer der Allianz ist gegen den ungesteuerten Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt über die Personenfreizügigkeit. Die Schweiz müsse eine eigenständige Auswahl der erwünschten Arbeitskräfte vornehmen. Zitat: "Wir können jederzeit in der EU rekrutieren".[10]

Schweizer Volksinitiative

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Ein der Allianz nahestehendes Komitee hat am 1. Oktober 2024 die Unterschriftensammlung für die Eidgenössische Volksinitiative Für eine direkt-demokratische und wettbewerbsfähige Schweiz – Keine EU-Passivmitgliedschaft (Kompass-Initiative) begonnen. Dem Initiativkomitee gehören 27 Personen an, darunter ein Mitglied des Nationalrats (Diana Gutjahr, SVP), ein Mitglied des Ständerats (Hans Wicki, FDP.Liberale), die Unternehmer Daniel Aegerter, Alfred Gantner, Urs Lehmann und Jörg Wolle, der Chefredaktor des Nebelspalters Markus Somm, der frühere Fernsehmoderator Kurt Aeschbacher und der ehemalige Skirennfahrer Bernhard Russi.[11][12][13][14] Zu den Initianten gehören die Gründer der Partners Group.[15] Die Initiative geht nicht von politischen Parteien, bereits etablierten Verbänden, NGOs oder professionellen Politaktivisten aus, sondern von neuen Gruppierungen aus Wirtschaft und Volk.

Diese Initiative fordert, dass zukünftig völkerrechtliche Verträge, die eine Übernahme wichtiger rechtsetzender Bestimmungen vorsehen, dem obligatorischen Referendum zu unterstellen sind. Laut einer Redaktorin der Neuer Zürcher Zeitung könnte der Schweizer Bundesrat eine Volksinitiative mit über 100'000 gültigen Unterschriften kaum ignorieren. Er müsste wohl ein institutionelles Abkommen mit der EU auch dem Ständemehr unterstellen. Falls diese Volksinitiative mit zeitlicher Verzögerung angenommen würde, müsste ein zuvor nur vom Volk allein durch ein Volksmehr angenommenes und dem fakultativen Referendum unterstelltes Vertragswerk mit der EU anschliessend durch eine zusätzliche Abstimmung wiederholt werden (Rückwirkungsklausel).[16]

Am 17. Juni 2012 haben Volk und Stände die eidgenössische Volksinitiative «Für die Stärkung der Volksrechte in der Aussenpolitik (Staatsverträge vors Volk!)» mit ähnlicher Stossrichtung mit 75,3 %-Neinstimmen und 23:0 Standesstimmen abgelehnt. Jedoch hätte jene Initiative vor mehr als 10 Jahren Staatsverträge viel umfassender neuen Regeln unterworfen als es diese Initiative formuliert. Es ist vorgesehen, dass die nun geplanten Bestimmungen auf einen eng begrenzten Sachbereich beschränkt bleiben. Zudem werden neue Verträge, welche keine dynamische Rechtsübernahme enthalten, ausgenommen. Auch bestehende Verträge wie das Schengen-/Dublin-Abkommen wären laut den vorgesehenen Übergangsbestimmungen dieser Initiative nicht betroffen.[17]

Der Verband Autonomiesuisse mit 900 Mitgliedern unterstützt diese Initiative. Wirtschaftshistoriker Thomas Straubhaar sieht eine politische Neuaufstellung des Wirtschaftssektors. Man könne diese Opposition nicht als Aussenseiter abtun. Auch Jean-Daniel Gerber bezeichnet Kompass Europa als eine Zäsur im Auftritt der Wirtschaft. Andererseits hat der Vorstand des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse, der hundert Wirtschaftsbranchen, zwanzig Handelskammern und ein Dutzend Grossfirmen vertritt, am 5. September 2024 mit Dreiviertelmehrheit beschlossen, die Kampagne für die Weiterentwicklung der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU zu verstärken. Gegen die Initiative haben sich auch die Handelskammer von Zürich und der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem ausgesprochen. Gemäss Elisabeth Schneider-Schneiter, Präsidentin der Handelskammer beider Basel, stellen die Aktivitäten von Allianz Kompass Europa und Autonomiesuisse «keine Spaltung der Wirtschaft dar». Es sei dies «eine isolierte Gruppe von Wirtschaftsleuten».[18]

Alternative Zielsetzung

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Die Allianz Kompass Europa fordert die Sicherung einer weltoffenen und aktiven Aussenwirtschaftspolitik für die Schweiz ohne einseitige Ausrichtung auf den EU-Binnenmarkt. Die Beziehungen zur EU sollen respektvoll auf Augenhöhe geregelt werden.[8] Zudem soll der Bund die Eigenständigkeit der Kantone beim Vollzug der Aussenwirtschaftspolitik respektieren.[17]

Steuerungsausschuss

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Präsident des Steuerungsausschusses der Allianz ist Heinrich Fischer, ehemaliger Verwaltungsratspräsident der Hilti-Gruppe, Verwaltungsrat weiterer Schweizer Unternehmen wie auch früherer Vorsitzender der Konzernleitung der Adolph Saurer AG, Arbon. Zum Ausschuss gehören 22 Mitglieder, vorwiegend Unternehmer.[19]

Einzelnachweise

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  1. Stabilisierung und Weiterentwicklung des bilateralen Wegs. Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), abgerufen am 19. Oktober 2024.
  2. Anja Burri: Ski-Legende, TV-Star und milliardenschwerer Unternehmer spannen zusammen. In: Tagesanzeiger, 30. September 2024, abgerufen am 1. Oktober 2024
  3. Die Allianz Kompass / Europa ist lanciert! kompasseuropa.ch, 18. Januar 2021, abgerufen am 1. Oktober 2024
  4. Manifest der Allianz Kompass Europa 2021. kompasseuropa.ch, abgerufen am 1. Oktober 2024
  5. Paketansatz. Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), abgerufen am 19. Oktober 2024 (mit Link zum Verhandlungsmandat vom 8. März 2024).
  6. Marcel Erni, Philip Erzinger: Warum wir keinen Rahmen­vertrag brauchen. In: Tagesanzeiger, 29. Juli 2024, abgerufen am 26. Oktober 2024
  7. Andreas Valta: Ein Zuger Milliardär als der geborene Abstimmungskämpfer. In: Handelszeitung, 4. Oktober 2024, abgerufen am 10. Oktober 2024
  8. a b Gegen den EU-Rahmenvertrag. kompasseuropa.ch, abgerufen am 1. Oktober 2024
  9. Daniel Imwinkelried: Wer profitiert mehr von den Bilateralen III: die EU oder die Schweiz?. In: NZZ, 10. Oktober 2024, abgerufen am 10. Oktober 2024
  10. Tobias Gafafer: Gantners Mission: wie der EU-Kritiker durch das Land tourt und vor «Bürokratie-Granaten» in Europa warnt. In. NZZ, 25, Oktober 2024, abgerufen am 26. Oktober 2024
  11. Eidgenössische Volksinitiative «Für eine direktdemokratische und wettbewerbsfähige Schweiz – keine EU-Passivmitgliedschaft (Kompass‑Initiative)». Vorprüfung. In: Bundesblatt. Bundeskanzlei, 1. Oktober 2024, abgerufen am 19. Oktober 2024.
  12. Christina Neuhaus: Gegen ein Abkommen mit der EU: Während der Bund noch verhandelt, werden bereits Unterschriften gesammelt. In: NZZ, 30. September 2024, abgerufen am 1. Oktober 2024
  13. Katharina Fontana, Christina Neuhaus: Ein Abkommen mit der EU? «Mittlerweile sind acht von zehn Unternehmern skeptisch», sagt Urs Wietlisbach. In: NZZ, 1. Oktober 2024, abgerufen am 1. Oktober 2024
  14. Christian Zürcher, Anja Burri: Von Aeschbacher bis Russi – wie sich drei Milliardäre ein Politik­netzwerk schufen. In: Der Bund, 5. Oktober 2024, abgerufen am 5. Oktober 2024
  15. Beatrice Bösiger, Eflamm Mordrelle: Drei Schweizer Milliardäre setzen sich gegen ein Rahmenabkommen mit der EU ein. In: NZZ, 4. Oktober 2024, abgerufen am 4. Oktober 2024
  16. Christina Neuhaus: Operation EWR 2.0: Drei Unternehmer wollen die Geschichte wiederholen – die Aussichten sind gut. In: NZZ, 4. Oktober 2024, abgerufen am 5. Oktober 2024
  17. a b Katharina Fontana: Kampf gegen «Rahmenabkommen 2.0»: Was taugt die Kompass-Initiative?. In: NZZ, 14. Oktober 2024, abgerufen am 24. Oktober 2024
  18. Andreas Valta: Economiesuisse oder Kompass Europa: Wer spricht für die Wirtschaft? In: Handelszeitung, 10. Oktober 2024, abgerufen am 10. Oktober 2024
  19. Steuerungsausschuss. kompasseuropa.ch, abgerufen am 1. Oktober 2024