Alpen-Leinkraut

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Alpen-Leinkraut

Alpen-Leinkraut (Linaria alpina)

Systematik
Asteriden
Euasteriden I
Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Wegerichgewächse (Plantaginaceae)
Gattung: Leinkräuter (Linaria)
Art: Alpen-Leinkraut
Wissenschaftlicher Name
Linaria alpina
(L.) Mill.

Das Alpen-Leinkraut (Linaria alpina)[1] ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Leinkräuter (Linaria) innerhalb der Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae).

Der Name „Leinkraut“ weist auf die Ähnlichkeit der Blätter mit denen des Gemeinen Leins (Linum usitatissimum) hin.[2]

Illustration aus Atlas der Alpenflora, 1882

Vegetative Merkmale

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Das Alpen-Leinkraut wächst als ein-, zweijährige oder ausdauernde, krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen von meist 5 bis 10[1] (3 bis 15) Zentimetern. Die oberirdischen Pflanzenteile sind kahl. Die zahlreichen niederliegenden bis aufsteigenden Stängel sind stielrund und kahl.[1]

Die Laubblätter sind zu dritt oder zu viert quirlständig am Stängel verteilt angeordnet. Die einfache Blattspreite ist etwas fleischig, kahl, blaugrün bereift und bei einer Länge von 5 bis 15 Millimetern schmal lanzettlich. Die Blattnervatur ist von außen nicht sichtbar.[1]

Generative Merkmale

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Die Blütezeit reicht von Juni bis September. Jeweils 3 bis 10, selten bis zu 15 Blüten stehen in einem endständigen, kurzen traubigen Blütenstand zusammen.[2] Die Blütenstiele sind 2 bis 5 Millimeter lang.

Die zwittrigen Blüten sind deutlich zygomorph und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die oft intensiv violett gefärbte (selten weiße oder gelbe) Krone ist 10 bis zu 20 Millimeter lang. Die Oberlippe ist tief zweispaltig. Die Unterlippenwulst ist meist safrangelb bis orangegelb.[3] Die Krone hat einen bei einer Länge von 8 und 10 Millimetern etwas gebogenen, kegeligen,[1] zylindrischen bis abgeflachten Sporn, der somit fast so lang wie die übrige Blüte ist.

Die eiförmige Kapselfrucht öffnet sich mit gezähnten Löchern.[1]

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 12.[4]

Mit den zahlreichen unbewurzelten, niederliegenden oder aufsteigenden, beblätterten Stängeln „überkriecht“ die mit einem unterirdischen Rhizom tief verankerte Pflanze feinen Gesteinsschutt,[2] sie wird daher zu den „Schutt-Überkriechern“ gerechnet.

Blütenökologie

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Das Alpen-Leinkraut wird von Insekten bestäubt. Für die Bestäuber hält die Art reichlich Nektar bereit. Als typische Bestäuber treten langrüsselige Hummeln in Erscheinung.[5][6] Nach Kugler entsprechen die Blüten blütenökologisch den Lippenblumen des Typs „Maskenblume“.[7] Diese zeichnen sich durch einen gelenkig verschlossenen Blüteneingang aus, wobei die beiden Lippen die obere und untere Hälfte einer Maske darstellen. Die Bestäubung kann nur von Insekten wie Hummeln vollzogen werden, die die nötige Kraft haben, den maskierten Blüteneingang zu öffnen.[8] Der orangegelbe Unterlippenwulst, der einen starken Farbkontrast bildet, kann als Saftmal gedeutet werden.[9] [10]

Ausbreitungsökologie

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Die Samen des Alpen-Leimkrauts werden über den Wind ausgebreitet, was botanisch als Anemochorie bezeichnet wird.[6]

Alpen-Leinkraut auf der Schynigen Platte im Kanton Bern, Schweiz

Von Linaria alpina gibt es Fundortangaben von Spanien sowie Frankreich über Deutschland, Österreich, Liechtenstein, der Schweiz, Italien, der Slowakei, Slowenien, Serbien, Kroatien, Rumänien, Albanien bis Griechenland.[11][12]

Das Alpen-Leinkraut ist in den Gebirgen Süd- und Mitteleuropas verbreitet. Verbreitungsgebiet sind vor allem die Kalkalpen, die Gebirge Spaniens, die Balkanhalbinsel und der Apennin.[13][14] In Österreich finden sich bis auf Wien und das Burgenland Bestände in allen Bundesländern. Die Art kommt häufig vor, allerdings in der Unterart subsp. petraea selten.[6] In Deutschland ist es in Bayern in den Alpen verbreitet. Zerstreute Vorkommen sind im Alpenvorland bis Landsberg am Lech und München verzeichnet. Ausgestorben gilt es in Südost-Baden-Württemberg. Es besiedelt meist die alpine bis subalpine Höhenstufe.[15]

Teils werden die Samen auch mit der Schneeschmelze oder über Muren in Tallagen geschwemmt. So dringt es als Alpenschwemmling zum Beispiel auf Kiesbänke und in die Kiefernauwälder am Lech vor. Die klimatischen Bedingungen wie kalte Winter, heiße Sommer, hohe UV-Reflexion des hellen Kieses ähneln dort denen der Gipfelregionen der Allgäuer und Lechtaler Alpen.[16]

Das Alpen-Leinkraut besiedelt mäßig frische Steinschuttfluren, präalpine Flussschotterfluren, Geröll und Felsspalten von Tallagen bis in Höhenlagen von 4200 Metern. Es bevorzugt sonnige Standorte überwiegend auf kalkreichen Unterlagen.[15][14]

Es handelt sich beim Alpen-Leinkraut um eine typische Schuttpflanze. Sie ist Charakterart der Klasse der Steinschutt- und Geröllfluren (Thlaspietea rotundifolii BR-BL. 1948).[15]

Linaria alpina subsp. filicaulis in Nordwestspanien
Linaria alpina var. concolor, Naturpark Texelgruppe, unter Similaun, in einer Höhenlage von etwa 3000 Meter

Die Erstveröffentlichung erfolgte 1753 unter dem Namen (Basionym) Antirrhinum alpinum L. durch Carl von Linné in Species Plantarum.[17] Die Neukombination zu Linaria alpina (L.) Mill. wurde 1768 durch Philip Miller in The Gardeners Dictionary veröffentlicht.[18]

Von Linaria alpina (L.) Mill. gibt es etwa drei Unterarten:[19]

  • Gewöhnliches Alpen-Leinkraut (Linaria alpina (L.) Mill. subsp. alpina): Diese niederliegende Pflanze ist 3 bis 10 Zentimeter hoch. Ihre Kronzipfel sind verkehrt-eilanzettlich, die Kronoberlippe ist ein- bis zweimal solange wie breit und der Sporn unterseits abgeflacht. Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 3+ (feucht), Lichtzahl L = 5 (sehr hell), Reaktionszahl R = 4 (neutral bis basisch), Temperaturzahl T = 1+ (unter-alpin, supra-subalpin und ober-subalpin), Nährstoffzahl N = 2 (nährstoffarm), Kontinentalitätszahl K = 4 (subkontinental).[20]
  • Aufrechtes Alpen-Leinkraut (Linaria alpina subsp. petraea (Jord.) Rouy): Diese bogig aufsteigende Pflanze ist 10 bis 20 Zentimeter hoch. Ihre Kronzipfel sind halblanzettlich, die Zipfel der Kronoberlippe zwei- bis dreimal so lang wie breit und der Sporn zylindrisch. Sie kommt nur in Frankreich, in der Schweiz und in Österreich vor.[19] Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 2+ (frisch), Lichtzahl L = 5 (sehr hell), Reaktionszahl R = 5 (basisch), Temperaturzahl T = 2+ (unter-subalpin und ober-montan), Nährstoffzahl N = 2 (nährstoffarm), Kontinentalitätszahl K = 4 (subkontinental).[20]
  • Linaria alpina subsp. filicaulis (Boiss. ex Leresche & Levier) M.Laínz: Sie ist in nordwestlichen Spanien beheimatet.

Botanische Geschichte

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Es wurden zwei Varietäten beschrieben:

  • Bei der Varietät Linaria alpina var. concolor ist der Unterlippenwulst statt orangegelb blauviolett bzw. weißlich gefärbt. Diese Varietät kommt in Tirol, Vorarlberg und in Liechtenstein häufig vor.[21]
  • Bei der Varietät Linaria alpina var. rosea ist der sonst blauviolett gefärbte Teil der Blüte rosa gefärbt.[21]

Für das Alpen-Leinkraut sind oder waren, zum Teil nur regional, auch die Bezeichnungen Unser Frauen Haar (Hundstein in Saalfelden), Blau Johannesblüh (Fusch im Pinzgau), Kalbernase (Graubünden) und Goldenes Verschreikraut (Werfen, Pongau, Lungau) gebräuchlich.[22] In Kärnten wird diese Art auch Stanklitter (Steinkletterer) genannt, in Tirol und Salzburg wird sie auch als Grießspeik (Grieß = Geröll, Speik = duftende Pflanze) bezeichnet.

Das Alpen-Leinkraut wird mitunter in Steingärten als Zierpflanze verwendet. Es eignet sich ebenfalls für eine Pflanzung in Trögen und zur Gestaltung von Trockenmauern. Die Vermehrung erfolgt über Aussaat. Als Lichtkeimer benötigen die Samen für eine erfolgreiche Keimung Licht, daher sollten sie mit weniger als 1 Zentimeter Erde bedeckt werden. Es gibt einige Sorten, die sich vor allem in der Farbe der Blüte unterscheiden. So wurden Sorten mit rosa, violetter oder gelber Blütenfarbe entwickelt.[13]

  • Xaver Finkenzeller, Jürke Grau: Alpenblumen. Erkennen und bestimmen (= Steinbachs Naturführer). Mosaik, München 2002, ISBN 3-576-11482-3.
  • Wolfgang Adler, Karl Oswald, Raimund Fischer: Exkursionsflora von Österreich. Hrsg.: Manfred A. Fischer. Eugen Ulmer, Stuttgart/Wien 1994, ISBN 3-8001-3461-6.
  • Karlheinz Senghas, Siegmund Seybold: Flora von Deutschland und angrenzender Länder. Ein Buch zum Bestimmen der wildwachsenden und häufig kultivierten Gefäßpflanzen. Begründet von Otto Schmeil, Jost Fitschen. 92. durchgesehene Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2003, ISBN 3-494-01328-4.
  • Elfrune Wendelberger: Alpenpflanzen – Blumen, Gräser, Zwergsträucher (= Spektrum der Natur). Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main/Olten/Wien 1984, ISBN 3-7632-2975-2.
  • Manuel Werner: Welche Alpenblume ist das? Franckh-Kosmos, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-440-12576-2.

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f Linaria alpina (L.) Mill., Alpen-Leinkraut. auf FloraWeb.de
  2. a b c Manuel Werner: Welche Alpenblume ist das? Franckh-Kosmos, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-440-12576-2, S. 84.
  3. Edith R. Saunders: On the Relation of Linaria alpina Type to its Varieties Concolor and Rosea;Hrsg: Sammelwerk The New Phytologist Band 11, Nummer 5/6, 1912 ISSN 0028-646X, Seiten 167–169 abgerufen am 19. Juli 2019
  4. Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 829.
  5. Alpen-Leinkraut. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
  6. a b c Nowotny G.: Das Alpen-Leinkraut im Bundesland Salzburg. in NaturLand Salzburg 2015, 22/4: S. 22–28.
  7. Alpen-Leinkraut. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
  8. Ruprecht Düll, Irene Düll: Taschenlexikon der Mittelmeerflora. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2007, ISBN 978-3-494-01426-5, S. 23.
  9. Wolfgang Adler, Karl Oswald, Raimund Fischer: Exkursionsflora von Österreich. Hrsg.: Manfred A. Fischer. Ulmer, Stuttgart/Wien 1994, ISBN 3-8001-3461-6. S. 717.
  10. Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mittel-Europa Band 1, 1907. Seite cxlv
  11. Linaria alpina im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 1. März 2018.
  12. Erminio Ferrarini: NUOVI RELITTI GLACIALI SULLE ALPI APUANE E SULL'APPENNINO VICINO: (« LINARIA ALPINA » MILL., « SALIX HERBACEA » L.). In: Webbia. Band 24, Nr. 1, Januar 1969, ISSN 0083-7792, S. 411–417, doi:10.1080/00837792.1969.10669911 (tandfonline.com [abgerufen am 19. Juli 2019]).
  13. a b Eckehart J. Jäger, Friedrich Ebel, Peter Hanelt, Gerd K. Müller (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Begründet von Werner Rothmaler. Band 5: Krautige Zier- und Nutzpflanzen. Springer, Spektrum Akademischer Verlag, Berlin/Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-0918-8, S. 462 f.
  14. a b Xaver Finkenzeller, Jürke Grau: Alpenblumen (= Steinbachs Naturführer. Band 16). Mosaik, München 1985, ISBN 3-570-01349-9, S. 208.
  15. a b c Eckehart J. Jäger: Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland. 21. Auflage, Springer, 2017, ISBN 978-3-662-49707-4, S. 42f u 646.
  16. Naturpark Tiroler Lech: Alpenschwemmlinge.
  17. Carl von Linné: Species Plantarum. Band 2, Lars Salvius, Stockholm 1753, S. 615 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fwww.biodiversitylibrary.org%2Fopenurl%3Fpid%3Dtitle%3A669%26volume%3D2%26issue%3D%26spage%3D615%26date%3D1753~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  18. Philip Miller: The Gardeners Dictionary. 8. Auflage. John & Francis Rivington, London 1768 (online).
  19. a b Karol Marhold: Scrophulariaceae. Linaria alpina In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity. Berlin 2011.
  20. a b Linaria alpina (L.) Mill. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 24. März 2021.
  21. a b Edith R. Saunders: On the relation of Linaria alpina type to its varieties concolor and rosea. In: New Phytologist. Band 11, Nr. 5–6, 1912, S. 167–169, DOI:10.1111/j.1469-8137.1912.tb05633.x.
  22. Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, S. 34 (online).
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