Alte Synagoge (Göttingen)

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Alte Synagoge in Göttingen
Synagoge Untere-Masch-Straße 13 (um 1935)

Die Alte Synagoge in Göttingen, einer Universitätsstadt im südlichen Niedersachsen, wurde von 1869 bis 1872 erbaut. Die Synagoge befand sich in der Unteren Masch.

Nach der im Königreich Hannover verordneten Konstituierung von Synagogengemeinden mussten die Juden in Göttingen 1844 zusammen mit denen in Geismar und in Rosdorf einen Synagogenverband bilden.

Da die frühere, um 1710/20 eingerichtete und 1783[1] neu erbauten Synagoge in der Prinzenstraße sowie auch das vorgelagerte Schulhaus in einem schlechten baulichen Zustand waren und sich die Zahl der Gemeindeangehörigen stark vergrößert hatte, ließ die jüdische Gemeinde in den Jahren 1869–1872 eine neue Synagoge im neuromanischen Stil errichten. Ausgewählt wurde in etwa 250 m nordwestlicher Entfernung ein unbebautes Grundstück gegenüber des Amt- und Gefangenhauses an der Obere-Masch-Straße.

Gut 20 Jahre später bedingte der weitere Zuzug von Juden nach Göttingen einer Erweiterung der Synagoge nach Plänen des Architekten Hans Breymann[2][3], die 1895 feierlich eingeweiht werden konnte. Statt der bisherigen 200 verfügte die Synagoge nun über circa 450 Plätze. Die überlieferten Abbildungen und Pläne zeigen den Zustand nach der Erweiterung, wobei in den Grundrissen die neuen Bauteile farblich rot markiert sind.

Zeit des Nationalsozialismus und Nachkriegszeit

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Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch Brandstiftung zerstört. Am Tag darauf sprengte die Technische Nothilfe die Ruine und ein Jahr später wurde das Gelände eingeebnet. Das Grundstück wurde 1940 an den Göttinger Spar- und Bauverein verkauft.[4]

Mahnmal auf dem Platz der Synagoge, Göttingen
Mahnmal auf dem Platz der Synagoge, Göttingen (Gedenktafeln unter der Skulptur)

Im Jahre 1952 erhielt die Jüdische Gemeinde das Grundstück zurückgegeben. Weil sie es nicht nutzen konnte, verkaufte sie es an den Deutschen Gewerkschaftsbund, der 1955 auf dem Grundstück ein Gewerkschaftshaus errichtete. Der dreieckige Platz vor dem Grundstück blieb bis zur Errichtung des Mahnmals Parkplatz.[4]

1960 wurde an dem Gewerkschaftshaus auf dem ehemaligen Synagogengrundstück eine kleine Gedenktafel für die Synagoge angebracht. Weil diese Tafel als nicht angemessen erschien, beschloss der Rat der Stadt 1970 die Errichtung eines Mahnmals[4] das 1973 auf dem Dreicksgrundstück, also neben dem historischen Synagogenstandort – vor dem Göttinger Gefängnis an der Ecke Obere-/Untere-Masch-Straße – eingeweiht wurde. Das Mahnmal ist eine von dem italienischen Künstler Corrado Cagli entwordene, platzgreifende Großplastik aus Stahlrohren pyramidenförmig, die auf der Grundform eines Davidsterns steht und in seiner Drehung eine Flamme symbolisieren soll.[5] Am 6. Dezember 1991 beschloss der Stadtrat, den Platz des Mahnmals als „Platz der Synagoge“ zu benennen.[6]

Am 9. November jeden Jahres findet am Mahnmal auf dem Platz der Synagoge eine Gedenkfeier statt, während der auf einzelne Kapitel der Göttinger Geschichte in der Zeit des Nationalsoizialismus eingegangen wird. So wurde z. B. der von der Universität verwiesenen Wissenschaftler gedacht oder einzelner verfolgter Familien.[7][8][9]

Die erste urkundliche Erwähnung einer jüdischen Gemeinde in Göttingen datiert 1289; die Urkunde enthält eine Erlaubnis der Braunschweiger Herzöge Wilhelm und Albrecht an den Göttinger Magistrat, einen Juden namens Moyse und dessen Nachkommen als Bürger der Stadt aufzunehmen.[10]

Eine 1334 erstmals erwähnte Synagoge in der Jüdenstraße[11] wurde in der ersten Verfolgungswelle um 1350 zerstört.[12] Anlass war der Vorwurf, jüdische „Brunnenvergifter“ seien für den Ausbruch der Pest verantwortlich.[13] In der Mitte des 15. Jahrhunderts fand der zweite große Abbruch jüdischen Lebens in Göttingen statt, dem unter anderem die jüdische Schule in der Speckstraße zum Opfer fiel. Jüdisches Leben in Göttingen begann danach, wohl auch durch den starken Antijudaismus des folgenden Jahrhunderts, erst wieder im 17. Jahrhundert zu erstarken, als wieder einzelne Familien jüdischen Glaubens nach Göttingen zogen.[14] Aus dieser Entwicklung entstand das jüdische Bethaus in der damaligen Buchstraße (Prinzenstraße 17[15], heute mit Neubebauung).

Commons: Platz der Synagoge (Göttingen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Moses Rintel: Versuch einer skizzirten Beschreibung von Göttingen nach seiner gegenwärtigen Beschaffenheit. Ruprechtische Buchhandlung, Göttingen 1794, S. 171. (Google Books)
  2. Maren Christine Härtel: Göttingen im Aufbruch zur Moderne. Architektur und Stadtentwicklung (1866–1989). In: Rudolf von Thadden (Hrsg.): Göttingen – Geschichte einer Universitätsstadt. Band 3: Von der preußischen Mittelstadt zur südniedersächsischen Großstadt 1866–1989. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-36198-X, S. 764.
  3. Peter Wilhelm: Die Synagogengemeinde Göttingen, Rosdorf und Geismar 1850–1942. In: Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen. Band 11, Göttingen 1978.
  4. a b c Guido Albrecht-Böning: „Geh nach unten,schau nach oben!“ (PDF) In: Göttingen. Brunnen – Denkmale – Kunstwerke. Stadt Göttingen, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. April 2022; abgerufen am 9. November 2018.
  5. Mahnmal Synagoge. In: Göttingen. Brunnen – Denkmale – Kunstwerke. Stadt Göttingen, abgerufen am 24. Mai 2023.
  6. Gerd Tamke, Rainer Driever: Göttinger Straßennamen. 3. neu überarbeitete, wesentlich erweiterte Auflage. Göttingen 2012, S. 171 (stadtarchiv.goettingen.de [PDF; 2,9 MB; abgerufen am 7. November 2018]).
  7. Peter Krüger-Lenz: Gedenken an Reichspogromnacht in Göttingen. In: Göttinger Tageblatt. 12. November 2017 (goettinger-tageblatt.de (Memento vom 11. November 2019 im Internet Archive)).
  8. Göttingen Gedenkveranstaltungen zur Pogromnacht 1938. In: Göttinger Tageblatt. 9. November 2018 (goettinger-tageblatt.de).
  9. Gedenken an die Reichspogromnacht in Göttingen. In: Göttinger Tageblatt. 10. November 2019 (goettinger-tageblatt.de).
  10. Berndt Schaller: Synagogen in Göttingen. Aufbrüche und Abbrüche jüdischen Lebens. Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2006, ISBN 3-938616-54-7 (Digitalisat auf blankgenealogy.com, abgerufen am 23. April 2025), S. 9.
  11. Berndt Schaller: Synagogen in Göttingen. Aufbrüche und Abbrüche jüdischen Lebens. Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2006, ISBN 3-938616-54-7 (Digitalisat auf blankgenealogy.com, abgerufen am 23. April 2025), S. 10.
  12. Berndt Schaller: Synagogen in Göttingen. Aufbrüche und Abbrüche jüdischen Lebens. Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2006, ISBN 3-938616-54-7 (Digitalisat auf blankgenealogy.com, abgerufen am 23. April 2025), S. 14 f.
  13. Peter Aufgebauer: Die Anfänge jüdischen Lebens in der Universitätsstadt. Jüdische Gemeinde Göttingen, 25. Juni 2021, abgerufen am 29. September 2024.
  14. Peter Aufgebauer: Die Göttinger Juden zwischen Schutz und Ausbeutung. Jüdische Gemeinde Göttingen, 9. November 2021, abgerufen am 29. September 2024.
  15. Berndt Schaller: Synagogen in Göttingen. Aufbrüche und Abbrüche jüdischen Lebens. Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2006, ISBN 3-938616-54-7 (Digitalisat auf blankgenealogy.com, abgerufen am 23. April 2025), S. 26.

Koordinaten: 51° 32′ 11″ N, 9° 55′ 52″ O