Bündnis 90/Die Grünen Berlin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Bündnis 90/Die Grünen Berlin
Vorsitzende Nina Stahr
Philmon Ghirmai
Schatz­meisterin Dara Kossok-Spieß
Gründungs­datum 5. Oktober 1978 als Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz
Gründungs­ort Berlin
Hauptsitz Kommandantenstraße 80
10117 Berlin
Landtagsmandate
34/159
Mitglieder­zahl 15.135 (Stand: Dezember 2024)[1]
Website gruene.berlin
Landesgeschäftsstelle Bündnis 90/Die Grünen Berlin

Bündnis 90/Die Grünen Berlin ist der Landesverband der Partei Bündnis 90/Die Grünen in Berlin. Er wurde am 14. Mai 1993 mit dem Zusammenschluss der Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz (AL) und des Bündnis 90 gegründet. Die Alternative Liste wurde am 5. Oktober 1978 in West-Berlin gegründet. Sie war eine selbstständige Partei, die ab 1980 die Aufgaben eines Landesverbandes der Grünen wahrnahm.

Die Gründungsphase der Partei der Grünen vollzog sich Ende der 1970er Jahre zunächst in unabhängigen Gruppierungen, bevor 1980 der Bundesverband gegründet wurde. So wurde am 5. Oktober 1978 in West-Berlin die AL gegründet. Gründungsmitglieder waren unter anderem Wolfgang Wieland, Michael Wendt und Dirk Schneider. Vorausgegangen waren heftige Konflikte innerhalb der linksalternativen Szene in West-Berlin um die politische Ausrichtung der Liste. Aus Sorge über den Einfluss maoistischer Splittergruppen hielten eine Reihe anfänglicher Unterstützer zunächst Distanz, so auch ihr später vielleicht prominentestes Mitglied Hans-Christian Ströbele.

Im Gegensatz zum wenig später gegründeten Landesverband der Grünen verzeichnete die AL sehr schnell Mitgliederzuwächse. Bei der Wahl 1979 verfehlte die AL mit 3,7 Prozent der Stimmen den Einzug ins Abgeordneten Haus von Berlin. Dies wurde angesichts der Breite der alternativen Bewegung in Berlin als enttäuschend empfunden. Sie zog aber in vier Bezirksverordnetenversammlungen (Kreuzberg, Schöneberg, Tiergarten und Wilmersdorf) ein.

Nach Gründung des Bundesverbandes der Grünen schloss die AL mit den Grünen die Vereinbarung, die Rolle des Landesverbandes der Grünen unter Beibehaltung des Namens Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz zu übernehmen.

Einzug ins Abgeordnetenhaus

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei den Neuwahlen 1981 zog die AL mit 7,2 Prozent der Stimmen und neun Abgeordneten erstmals ins Berliner Abgeordnetenhaus ein und übersprang auch in allen zwölf Bezirken die Fünf-Prozent-Hürde. Mit diesem Ergebnis wurde sie drittstärkste Kraft noch vor der FDP. Damit verlor die bisher regierende sozialliberale Koalition unter Hans-Jochen Vogel (SPD) ihre Mehrheit und die CDU unter Richard von Weizsäcker verfehlte die absolute Mehrheit. Von Weizsäcker bildete daraufhin einen Minderheitssenat, der gegen SPD und AL, aber auch Teile der FDP regierte und sich auf einige Abweichler der FDP stützen konnte. 1983 trat die FDP in eine Koalition mit der CDU ein, sodass die AL zusammen mit der SPD die Opposition bildete. Die konkurrierende Grüne Liste Berlin, damals der offizielle Berliner Landesverband der Grünen, erhielt nur 0,3 Prozent.

1985 kam es in der AL zu Auseinandersetzungen um die heidnisch-germanischen Mitglieder und Funktionäre Géza von Neményi, Vorstandsmitglied im Berliner Landesverband der Grünen, seinen Bruder Andor und Michael Pflanz, Vorsitzender des Berliner Schiedsgerichts der Grünen, der bis dahin immer noch mit der AL konkurrierte, die sich jedoch längst den Status als De-facto-Landesverband errungen hatte.[2] Andere ähnlich problematische AL Mitglieder, wie Irmgard Kohlhepp, damals friedensbewegte Jugendsozialarbeiterin,[3][4] von 1981 bis 1983 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für die AL,[5][6][7] wurden erst viel später „aus der ‚Grünen‘ Partei ausgeschlossen“.[8][9]

Bei der Wahl 1985 konnte die AL ihren Stimmenanteil auf 10,6 Prozent ausbauen und ihre Position als drittstärkste Kraft behaupten. Dennoch verblieb sie mit der SPD in der Opposition, da diese auf 32,4 Prozent der Stimmen absackte. Die CDU-FDP-Koalition unter Eberhard Diepgen blieb an der Regierung.

Rot-Grüne Koalition 1989–1990

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Wahl 1989 reichte es für eine rot-grüne Mehrheit, als die AL sich auf 11,8 Prozent und sich die SPD unter Walter Momper auf 37,3 Prozent der Stimmen steigern konnte, während die Regierungspartei FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Die Koalition kam allerdings erst zustande, nachdem die AL einigen von Walter Momper formulierten politischen Grundsätzen zustimmte, namentlich der Anerkennung des Gewaltmonopols des Staates, der Rechte und Präsenz der Alliierten in Berlin sowie der Bindungen Berlins an den Bund (Bundesrepublik Deutschland). Die AL hingegen konnte sich insbesondere im Bereich der ökologischen Stadterneuerung im Koalitionsvertrag durchsetzen. Sie stellte mit Michaele Schreyer, Sybille Volkholz und Anne Klein drei Senatorinnen, die SPD die übrigen zehn, wobei auch hier die Hälfte Frauen waren, sodass Mompers Senat die erste Landesregierung mit „Frauenmehrheit“ war. Die Koalition war von wiederkehrenden internen Konflikten geprägt.

Kurz vor der Neuwahl am 2. Dezember 1990, welche aufgrund der Wiedervereinigung Berlins notwendig wurde, kündigte die AL die Koalition auf, nachdem Innensenator Erich Pätzold (SPD) eine Reihe besetzter Häuser in der Mainzer Straße in Friedrichshain hatte polizeilich räumen lassen.

Zwischen Wiedervereinigung und Umbenennung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Neuwahl konzentrierte sich die AL auf den Westteil Berlins und kam landesweit auf 4,994 Prozent der Stimmen, während die sich auf den Osten konzentrierende Listenvereinigung Bündnis 90/Grüne/UFV auf 4,4 Prozent der Stimmen kam. Auf Grund der Sonderregelung, dass bei dieser Wahl die Fünf-Prozent-Hürde nur in einem der beiden Teile Berlins übersprungen werden musste, zogen sowohl die AL als auch die Ost-Berliner Listenverbindung ins Parlament ein. Zusammen bildeten sie eine Fraktionsgemeinschaft.

Nach dem Vereinigungsparteitag von Bündnis 90 und den Grünen nahm die AL ebenfalls den Namen „Bündnis 90/Die Grünen“ an und ist somit heute auch dem Namen nach der Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen. Der Kreisverband Spandau heißt allerdings weiter „Bündnis 90/Die Grünen Alternative Liste Spandau“. Dort bildeten sich zwischen 2011 und 2016 zwei Oppositionsgruppen, die „Grüne Perspektive Spandau“, eine vom damaligen Kreisverband nicht akzeptierte Arbeitsgemeinschaft, die allerdings vom Landesverband als AG anerkannt war, und die Gruppe „Grüner Frühling Spandau“.[10] Anfang 2016 löste sich die Grüne Perspektive Spandau auf.

Nach der Abgeordnetenhauswahl vom 18. September 2011 bestand für Bündnis 90/Die Grünen durch das mit 17,6 Prozent beste Wahlergebnis in Berlin wieder die Möglichkeit einer Koalition mit der SPD.[11] Die Sozialdemokraten schlossen jedoch eine Koalition mit der CDU, nachdem rot-grüne Koalitionsverhandlungen gescheitert waren.[12][13] Von 2016 bis 2023 waren die Grünen gemeinsam mit den Linken an einer SPD-geführten Koalition beteiligt (Senat Müller II und Senat Giffey). Seit 2023 befinden sie sich wieder in der Opposition.

Wahlergebnisse auf Landesebene

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wahlergebnisse in West-Berlin[14]
Abgeordnetenhaus 18. März 1979 3,7 %
Abgeordnetenhaus 10. Mai 1981 7,2 %
Abgeordnetenhaus 10. März 1985 10,6 %
Abgeordnetenhaus 29. Januar 1989 11,8 %
Wahlergebnisse in Ost-Berlin[14]
Volkskammer 18. März 1990 B’90 6,3 %
Gr./UFV 2,7 %
Stadtverordnetenversammlung 6. Mai 1990 B’90 9,9 %
Grüne Liste 2,7 %
Wahlergebnisse in Berlin[14]
Abgeordnetenhaus 2. Dezember 1990 AL 5,0 %
B’90/Gr./UFV 4,4 %
Bundestag 2. Dezember 1990 AL 3,9 %
B’90/Gr./UFV 3,3 %
Europaparlament 12. Juni 1994 14,3 %
Bundestag 16. Oktober 1994 10,2 %
Abgeordnetenhaus 22. Oktober 1995 13,2 %
Bundestag 27. September 1998 11,3 %
Europaparlament 13. Juni 1999 12,5 %
Abgeordnetenhaus 10. Oktober 1999 9,9 %
Abgeordnetenhaus 21. Oktober 2001 9,1 %
Bundestag 22. September 2002 14,6 %
Europaparlament 13. Juni 2004 22,8 %
Bundestag 18. September 2005 13,7 %
Abgeordnetenhaus 17. September 2006 13,1 %
Europaparlament 7. Juni 2009 23,6 %
Bundestag 27. September 2009 17,4 %
Abgeordnetenhaus 18. September 2011 17,6 %
Bundestag 22. September 2013 12,3 %
Europaparlament 25. Mai 2014 19,1 %
Abgeordnetenhaus 18. September 2016 15,4 %
Bundestag 24. September 2017 12,6 %
Europaparlament 26. Mai 2019 27,8 %
Abgeordnetenhaus 26. September 2021 18,9 %
Bundestag 26. September 2021 22,4 %
Abgeordnetenhaus 12. Februar 2023 18,4 %

Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen Berlin im Abgeordnetenhaus

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Michael Bühnemann, Michael Wendt, Jürgen Wituschek (Hrsg.): AL. Die Alternative Liste Berlin. Entstehung, Entwicklung, Positionen. LitPol Verlagsgesellschaft, Berlin 1984, ISBN 3-88279-038-5
  • Gudrun Heinrich: Rot–Grün in Berlin. Die Alternative Liste in der Regierungsverantwortung 1989–1990. Schüren, Marburg 1993, ISBN 3-89472-079-4
  • Gudrun Heinrich: Rot–Grün in Berlin 1989–1990. In: Joachim Raschke: Die Grünen. Wie sie wurden, was sie sind. Bund, Köln 1993, ISBN 3-7663-2474-8, S. 809–822
  • Jakob Lempp: Bündnis 90/Die Grünen in Berlin. In: Christian Junge, Jakob Lempp (Hrsg.): Parteien in Berlin. be.bra wissenschaft verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-937233-34-5, S. 123–139.
  • Joachim Raschke: Die Grünen. Wie sie wurden, was sie sind. Bund, Köln 1993, ISBN 3-7663-2474-8, S. 274–284

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Mitgliederboom: Mehr als 15.000 Bündnisgrüne in Berlin. 13. Dezember 2024, abgerufen am 13. Dezember 2024.
  2. Grüne – Mythos der Edda. In: Der Spiegel. Nr. 2, 1985 (online).
  3. worldcat.org
  4. socialhistoryportal.org (PDF; 1,5 MB)
  5. CDU-Dokumentation, 8/1989 (PDF; 9,4 MB) Konrad-Adenauer-Stiftung
  6. Berlin – Der kurze Marsch. Der Tagesspiegel, 1. Juni 2006
  7. Sabine Beikler: Machtwechsel in Berlin: Hausbesetzer in Nadelstreifen. Der Tagesspiegel, 10. Juni 2001
  8. Rechte AntifaschistInnen. (Memento vom 13. Dezember 2016 im Internet Archive) Jungle World, 25. April 2001
  9. Helmut Höge: Das Wort als Waffe. blogs.taz.de/hausmeisterblog, 30. Oktober 2010
  10. Im Westen geht der Spaltpilz um. Bei taz.de, abgerufen am 8. Oktober 2013
  11. Die Landeswahlleiterin für Berlin – Berliner Wahlen 2011 – Ergebnisse nach Regionen – Zweitstimmen – Ergebnistabelle. In: wahlen-berlin.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. Juli 2017; abgerufen am 19. September 2011.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wahlen-berlin.de
  12. Berlin: SPD und CDU einigen sich auf Koalitionsvertrag. Spiegel Online; abgerufen am 3. Mai 2013.
  13. Verhandlungen in Berlin: Wowereit lässt Koalitionsgespräche mit Grünen Plätzen. Spiegel Online; abgerufen am 3. Mai 2013.
  14. a b c Ergebnisse aller Wahlen in Berlin auf den Webseiten des Landeswahlleiters.