Ametsuchi no Uta

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Das Ametsuchi no Uta (jap. あめつちの詞, auch: 天地の詞[Anm. 1] „Ametsuchi-Lied“) ist ein Pangramm mit den 48 Lautelementen der frühen Klassischjapanischen Sprache, wobei stimmhafte und stimmlose Laute zusammengefasst sind.

Es entstand wie das Iroha und das Taini-Gedicht (たゐにの歌) in der Heian-Zeit im 10. Jahrhundert.[1] Die älteste Fassung des Ametsuchi-Liedes findet sich in der im Jahr 967 kompilierten Privatsammlung des Dichters Minamoto no Shitagō (源順集, Minamoto no Shitagō shū).[2] Das Ametsuchi no Uta zeigt im Gegensatz zum Iroha und Taini-Gedicht mit der zusätzlichen Silbe ye jedoch einen älteren Lautstand, da spätestens um 950 der Zusammenfall der Laute /ye/ und /e/ abgeschlossen war.[3]

Das Ametsuchi ist daher sprachgeschichtlich bedeutsam, weil sich daran die Übernahme der chinesischen Sprache und die Entwicklung der japanischen Schrift ablesen lässt. Am Ametsuchi kann man ersehen, dass sich zum Zeitpunkt seiner Entstehung bereits ein Verständnis vom Lautvorrat der japanischen Sprache bildete, ohne dass die Schrift schon vollständig vom chinesischen Vorbild getrennt war.[1] Das Ametsuchi nimmt eine Zwischenstellung zwischen den Lauttabellen der buddhistischen Praxis und dem später entstandenen Iroha ein. Während die Lauttabellen eine Anordnung der Lautwerte ohne semantischen Bezug darstellen, werden im Ametsuchi die Laute so angeordnet, dass sie sinntragende Worte bilden. Diese Worte bleiben anders als im Iroha nebeneinander stehen. Erst mit dem Iroha findet sich eine Anordnung, in der die Laute nicht nur einzelne sinntragende Wörter bilden, sondern darüber hinaus auch in der Gesamtheit einen Textsinn als Gedicht ergeben.

Der Text beinhaltet neben den heute nicht mehr verwendeten Kana wi () und we () auch die in den etwas später entstanden Iroha und Taini-Gedichten nicht mehr vorhandene Silbe ye ().

Kanji Kana Romaji Wortbedeutungen

天 地 星 空
山 川 峰 谷
雲 霧 室 苔
人 犬 上 末
硫黄 猿 生ふせよ
榎の枝を 慣れ居て

あめ つち ほし そら
やま かは みね たに
くも きり むろ こけ
ひと いぬ うへ すゑ
ゆわ さる おふせよ
えの枝を なれゐて

Ame tsuchi hoshi sora
Yama kaha mine tani
Kumo kiri muro koke
Hito inu uhe suwe
Yuwa saru ofu seyo
Eno yewo nare wite

Himmel Erde Stern Leere
Berg Fluss Gipfel Tal
Wolke Nebel Raum Moos
Mensch Hund Oben Ende
Schwefel Affe wachsen tu!
Zürgelbaum gen Zweig akk gewöhnen-an sitzen

Das Ametsuchi diente zudem als Ordnungsschema thematisch angeordneter Gedichtsammlungen. Dazu wurden sechs Abschnitte mit je acht Waka Gedichten, insgesamt also 48 Waka entsprechend dem Lautvorrat des Ametsuchi, thematisch unter den Überschriften: 春・夏・秋・冬・思・恋 ‚Frühling – Sommer – Herbst – Winter – Gefühl – Liebe‘ zusammengestellt. Die Anfangs- und Endlaute der jeweils in einer Zeile geschriebenen Waka ergibt von oben nach unten gelesen als Akrostichon und Telestichon das Ametsuchi-Lied.

Beispiel
ein Waka je Zeile mit je einem Laut des Ametsuchi-Liedes am Anfang und Ende des Gedichts (im Beispiel: A-me-tsu-chi).

らさじと うちかへすらし をやまだの なはしろみづに ぬれてつくる
もはるに ゆきまもあをく なりにけり いまこそのべに わかなつみて
くばやま さけるさくらの にほひをぞ いりてをらねど よそながらみ
ぐさにも ほころぶはなの しげきかな いづらあをやぎ ぬひしいとす

  • Shiro Yukawa: Das Verschwinden des materiellen Prozesses. Eine vergleichende Mediengeschichte der japanischen Schreib- und Druckkultur. Hrsg.: Digitale Bibliothek Thüringen. Erfurt 2010, urn:nbn:de:gbv:547-201000039 (dbttest.thulb.uni-jena.de [PDF; 51,6 MB]).
  • Katsuyama Yukito: 言葉遊びと誦文の系譜 2 (On the history of the rhetoric in the Japanese language 2). In: 静岡大学人文学部 (Hrsg.): 人文論集. Band 60, Nr. 2, 31. März 2010, ISSN 0287-2013, 第三章 「あめつち」の誦文と「たゐに」の歌, S. 55–86, doi:10.14945/00004857 (japanisch).
  1. Aufgrund der gleichen Lesung und Bedeutung der beiden Kanji uta und für ‚Lied, Gedicht‘ findet man auch die Schreibungen あめつちの歌 und 天地の歌.

Einzelnachweise

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  1. a b Shiro Yukawa: Das Verschwinden des materiellen Prozesses. 2010, S. 116.
  2. Katsuyama Yukito: 第三章 「あめつち」の誦文と「たゐに」の歌, 2010, S. 55.
  3. Bjarke Frellesvig: A History of the Japanese Language. Cambridge University Press, 2010, ISBN 978-0-521-65320-6, S. 167, 206 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).