Amoebidiidae

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Amoebidiidae

Amoebidium parasiticum

Systematik
ohne Rang: Opisthokonta
ohne Rang: Holozoa
ohne Rang: Teretosporea
ohne Rang: Ichthyosporea
ohne Rang: Ichthyophonida
Familie: Amoebidiidae
Wissenschaftlicher Name
Amoebidiidae
Lichtenstein 1917 ex Kirk, Canon & David 2001

Amoebidiidae (ursprünglich Amoebidiaceae[1]) ist die Bezeichnung einer Familie einzelliger Eukaryoten. Ursprünglich hatte man die Familie unter die Trichomyceten[A. 1] innerhalb der damals als Phylum geltenden Gruppe der Zygomyzeten (Jochpilze, wissenschaftlich Zygomycota) handelt.[2] Molekularphylogenetische Analysen[3][4][5] ordnen die Familie dem Taxon Ichthyosporea[6] (synonym Mesomycetozoea)[7][8] innerhalb der großen Gruppe der Opisthokonta zu, zu der u. a. die Tiere, Pilze und Choanoflagellaten gehören.

Die Familie galt ursprünglich als einzige Familie der „Pilz“-Ordnung Amoebidiales und umfasste zwei Gattungen: Amoebidium und Paramoebidium. Im Jahr 2017 wurde die Gattung Paramoebidium jedoch in eine eigene Familie Paramoebidiidae ausgegliedert, so dass die Amoebidiidae „monogenerisch“ nur noch die eine Gattung Amoebidium umfassen.

Die Gattung Amoebidiidae wurde jedoch kürzlich geändert und umfasst jetzt nur noch Amoebidium (und Paramoebidium ist jetzt die einzige Gattung der Familie Paramoebidiidae)[9] Amoebidium-Arten gelten als obligate Symbionten von im Süßwasser lebenden Arthropoden (Gliederfüßern) der Pancrustacea-Klade wie Mückenlarven und Wasserflöhen (Gattung Daphnia).[10] Da sich die Amoebidium-Arten an das Exoskelett (Äußeres) ihres Wirts anheften und in auch axenischer Kultur (Reinkultur) wachsen, könnten jedoch zumindest einige Arten auch fakultative Symbionten sein.[2]

Die Vorsilbe des Familiennamens „Amöb-“ bezieht sich auf die amöbenähnlichen Verbreitungszellen, die während des Lebenszyklus der Typusgattung Amoebidium entstehen.[11] Die Endung verweist auf ein Taxon im Rang einer Familie (zoologisch bzw. früher botanisch/mykologisch).

Die Beschreibung folgt der Typusgattung Amoebidium seitdem die Familie monogenerisch ist (keine weiteren Gattungen enthält). Die Amoebidium-Arten sind einzellig, in der vegetativen Wuchsform (Thallus) unverzweigt zigarren- oder röhrenförmig und heften sich mit einer sekretierten, leimartigen Basalbefestigung in Form eines kurzen Stiels an das Exoskelett verschiedener Süßwasser-Arthropoden (Pancrustacea: Krebstiere oder Insekten).[2][12] Die Thalli sind coenocytisch (vielkerning, da nach Teilungen des Zellkerns die Zellteilung ausbleibt).[2] Eine sexuelle Vermehrung ist unbekannt. Die ungeschlechtliche Vermehrung kann auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen[12]

  1. der gesamte Zellinhalt teilt sich in längliche, kernlose Sporen (bekannt als Sporangiosporen oder Endosporen), wobei die Zellwand aufbricht, um die Sporen freizusetzen (englisch sporangiospore reproduction), oder
  2. der gesamte Zellinhalt teilt sich, um tränenförmige, bewegliche amöboide Zellen zu bilden, die sich für kurze Zeit ausbreiten, dann einhüllen und aus dieser Zyste Sporen bilden (sogenannte Zystosporen) – (englisch amoeboid reproduction).[11][13]

Systematik und Phylogenie

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Die ursprüngliche Einordnung von Amoebidium und Paramoebidium in die Gruppe der Trichomyceten wurde schon früh als zweifelhaft betrachtet, da ein Stadium amöboider Verbreitungszellen[14][15] ein bei den Pilzen nicht zu findendes Merkmal ist. Spätere Studien fanden auch – im Gegensatz zu Pilzen – keine Hinweise auf Chitin in der Zellwand der Amoebidium-Arten, was weitere Zweifel an ihrer Verwandtschaft mit den Pilzen nährte.[13][16] Ihre Gesamtmorphologie (d. h. haarähnliche Wuchsform mit basaler Haltevorrichtung), die Produktion von Sporen und der Aufenthalt im Verdauungstrakt von Arthropoden wurden jedoch damals als ausreichend starke Merkmale angesehen, um sie zu den Trichomyceten-Pilzen zu klassifizieren[17] – bis schließlich weitere Belege ihre heutige Zuordnung zu klären halfen.

Im Jahr 2000 zeigten zwei unabhängige Studien anhand von molekularen phylogenetischen Belegen, dass die Typusart Amoebidium parasiticum enger mit der provisorisch DRIP-Klade[18][8] genannten kleinen Gruppe von tierparasitischen Protisten verwandt ist als mit den pilzlichen Trichomyceten.[3][4] Die DRIP-Klade wird heute offiziell als Ichthyosporea (bzw. Mesomycetozoea) bezeichnet.[8]

Im Jahr 2005 erhielt Matías Cafaro rDNA-Sequenzdaten von einer bis dahin nicht identifizierten Paramoebidium-Art, die in der Phylogenie als Schwestergattung von Amoebidium eingestuft wurde.[5] Die Familie Amoebidiaceae wurde zudem in Amoebidiidae umbenannt,[1] um ihre Klassifizierung außerhalb der Pilze und stattdessen innerhalb der Mesomycetozoea genannten Protistengruppe widerzuspiegeln.[7] Die Analysen von Cafaro zeigten eine monophyletische Beziehung (d. h. gemeinsame Abstammung) von Amoebidium und Paramoebidium, allerdings hatte sein Datensatz mit nur einer repräsentativen Sequenz aus jeder Gattung lediglich eine begrenzte Auswahl an Taxa enthalten.[5]

Eine 2017 durchgeführte molekularphylogenetische Analyse der Ichthyophonida, die ein breites Taxon- und Gen-Sampling umfasste, ergab tatsächlich Hinweise auf eine Polyphylie zwischen Amoebidium und Paramoebidium.[9] Obwohl die mit dem Datensatz durchgeführten Topologietests[19][20] eine Verwandtschaft der Gattungen als Schwestertaxa nicht vollständig widerlegten, waren die Autoren der Ansicht, dass es genügend molekulare, physiologische und ökologische Unterschiede gab, um die Gattungen in verschiedene Familien (innerhalb der gemeinsamen Ordnung Ichthyophonida) zu stellen.[9] Beispielsweise heften sich Amoebidium-Arten an das Äußere des Wirts, während Paramoebidium-Arten sich im Verdauungstrakt aufhalten,[10] und ultrastrukturelle Analysen ergaben Unterschiede in der Porenanordnung an den Sporenspitzen von Amoebidium parasiticum und Paramoebidium curvum.[21]

Familie Amoebidiidae (Lichtenstein 1917 ex Kirk, Canon & David 2001) Reeves, 2003(G,T) [Amoebidiaceae(M,N) Lichtenstein 1917 ex Kirk, Canon & David 2001][A. 2]

  • Gattung Amoebidium Cienkowski, 1861(G,M,N)[15] – Typusgattung(M,T) (Typusgattung)
  • Gattung Paramoebidium L. Léger & Duboscq, 1929 (G,N)[14] – verschoben nach Reynolds (2017)[9]
  • Gattung Pseudoperkinsus Figueras, Lorenzo, Ordas, Gouy & Novoa, 2000(G)

Verschiebungen:

  • Gattung Paramoebidium ⇒ Paramoebidiidae[9] – nicht bei (G,N)

(G)GGlobal Biodiversity Information Facility (GBIF)[23]
(M)N– Mycobank (mycobank.org)[24]
(N)GNational Center for Biotechnology Information (NCBI) Taxonomy Browser[25]
(T)G– The Taxonomicon (taxonomy.nl)[22]
  1. Trichomyceten werden herkömmlich angesehen als eine Gruppe von Mikropilzen und Protisten, die in symbiotischer Verbindung mit aquatischen Arthropoden leben. Sie werden heute taxonomisch in die Ordnungen Harpellales und Asellariales (beide Kickxellomycotina), sowie Ichthyophonida (gebildet aus Amoebidiales und Eccrinales) gestellt.
  2. Das Taxonomicon gibt als Autoren Kirk, Cannon & David, 2001 an[22]

Weiterführende Literatur

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  • Emma Steenkamp, Jane Wright, Sandra Baldauf: The Protistan Origins of Animals and Fungi. In: Molecular Biology and Evolution, Band 23, Nr. 1, Februar 2006, S. 93–106; doi:10.1093/molbev/msj011, PMID 16151185,

ResearchGate:7611305 (englisch).

Einzelnachweise

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  1. a b Will Karlisle Reeves: Emendation of the family name Amoebidiaceae (Choanozoa, Mesomycetozoa, Ichthyosporea). In: Comparative Parasitology. 70. Jahrgang, Nr. 1, 2003, S. 78–79, doi:10.1654/1525-2647(2003)070[0078:EOTFNA]2.0.CO;2 (englisch). (englisch).
  2. a b c d Robert W. Lichtwardt, Matías J. Cafaro, Merlin M. White: The Trichomycetes: Fungal Associates of Arthropods. Revised Edition. 2001 (Revised 2019), Online & notice (lucidcentral.org) – (englisch).
  3. a b Gerald L. Benny, Kerry O'Donnell: Amoebidium parasiticum i​s a protozoan, not a Trichomycete. In: Mycologia, Band 92, Nr. 6, Molecular Evolution and Systematics, November/Dezember 2000, S. 1133–1137, doi:10.1080/00275514.2000.12061260, JSTOR:3761480, ResearchGate:43276252, Epub: 4. Juni 2019 (englisch).
  4. a b Iana Ustinova, Lothar Krienitz, Volker A. R. Huss: Hyaloraphidium curvatum i​s not a green alga, but a lower fungus; Amoebidium parasiticum is not a fungus, but a member of the DRIPS. In: Protist, Band 151, Nr. 3, Oktober 2000, S. 253–262; doi:10.1078/1434-4610-00023, PMID 11079770 (englisch).
  5. a b c Matías J. Cafaro: Eccrinales (Trichomycetes) are not fungi, but a clade of protists at the early divergence of animals and fungi. In: Molecular Phylogenetics and Evolution, Band 35, Nr. 1, Pril 2005, S. 21–34; doi:10.1016/j.ympev.2004.12.019, PMID 15737579, ResearchGate:7995511, Epub 25. Januar 2005 (englisch).
  6. Thomas Cavalier-Smith: Neomonada and the origin of animals and fungi. In: G. H. Coombs, K. Vickerman, M. Sleigh, A. Warren (Hrsg.): Evolutionary relationships among protozoa. Kluwer, London, 1998, ISBN 0 412 79800 X, S. 375–407; EurekaMag:003210653,
  7. a b Leonel Mendoza, John W. Taylor, Libero Ajello: The Class Mesomycetozoea: A Heterogeneous Group of Microorganisms at the Animal-Fungal Boundary. In: Annual Review of Microbiology, Band 56, Oktober 2002, S. 315–344; doi:10.1146/annurev.micro.56.012302.160950 (englisch).
  8. a b c NCBI Taxonomy Browser: Ichthyosporea Cavalier-Smith, 1998; heterotypic synonym Mesomycetozoea Mendoza et al., 2002; DRIP clade.
  9. a b c d e Nicole K. Reynolds, Matthew E. Smith, Eric D. Tretter, Justin Gause, Dustin Heeney, Matías J. Cafaro, James F. Smith, Stephen J. Novak, William A. Bourland, Merlin M. White: Resolving relationships at the animal-fungal divergence: A molecular phylogenetic study of the protist trichomycetes (Ichthyosporea, Eccrinida). In: Molecular Phylogenetics and Evolution, Bandd 109, April 2017, S. 447–464; doi:10.1016/j.ympev.2017.02.007, PMID 28219758 (englisch).
  10. a b Robert W. Lichtwardt: Trichomycetes: Fungi in Relationship with Insects and Other Arthropods. In: Joseph Seckbach (Hrsg.): Symbiosis: Cellular Origin, Life in Extreme Habitats and Astrobiology, Band 4, Kluwer Academic Publishers, Niederlande/Springer, Dordrecht, 2001, ISBN 978-1-4020-0189-5, S. 575–588; doi:10.1007/0-306-48173-1_36 (englisch).
  11. a b Jean L. Lichtenstein: Sur un Amœbidium a commensalisme interne du rectum des larves d' Anax imperator Leach: Amœbidium fasciculatum n. sp. In: Archives de Zoologie Expérimentale et Générale, Band 56, Centre national de la recherche scientifique [etc.], Paris, 1917, S. 49–62; BHL:247041 (6322123:S. 49), BioStor:237854 (französisch).
  12. a b Charles J. O'Kelly: Amoebidium. Auf: Protist Image Data (PID), Evolutionary & Integrative Genomics at the Université de Montréal, Stand: 1. Februar 2002. Dazu: Mikrofotos von A. parasiticum:
  13. a b Howard C. Whisler: Observations on some new and unusual enterophilous phycomycetes. In: Canadian Journal of Botany, Band 41, Nr. 6, Juni 1963, S. 887–900; doi:10.1139/b63-074 (englisch).
  14. a b Louis-Urbain-Eugène Léger, Octave J. Duboscq: L'évolution des Paramoebidium, nouveau genre d'Eccrinides, parasite des larves aquatiques d'Insectes. In: Comptes Rendus Hebdomadaires des Séances de l'Académie des Sciences Paris (Wöchentliche Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften Paris), Band 189, 1929, S. 75–77 (französisch).
  15. a b Leon Cienkowski: Ue​ber parasitische Schläuche auf Crustaceen und einigen Insektenlarven (Amoebidium parasiticum m.). In: Hugo von Mohl, D. F. L. von Schlechtendahl (Hrsg.): Botanische Zeitung, Band 19, Nr. 25, Leipzig, 21. Juni 1861, S. 169–174 & Tafel 7; AlgaeBase:73730, BHL:33564755, 104711 S. 169 und Taf. VII.
  16. M. Jean Trotter, Howard C. Whisler: Chemical composition of the cell wall of Amoebidium parasiticum. In: Canadian Journal of Botany, Band 43, August 1965, S. 869–876; doi:10.1139/b65-096 (englisch).
  17. Stephen T. Moss: Commensalism of Trichomycetes. In: Lekh R. Batra (Hrsg.): Insect-Fungus Symbiosis Nutrition, Mutualism, and Commensalism. Allanheld, Osmun & Co. Publishers, Inc., Montclair (New Jersey) 1979, ISBN 0-470-26671-6, S. 175–227; Onlline (archive.org), Google Books (englisch).
  18. Mark A. Ragan, Carolyn Louise Goggin, Richard J. Cawthorn, L Cerenius, A V Jamieson, Susan M. Plourde, Thomas G. Rand, Kenneth Söderhäll, Robin R. Gutell: A novel clade of protistan parasites near the animal-fungal divergence. In: Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A (PNAS), Band 93, Nr. 21, 15. Oktober 1996, S. 11907–11912; doi:10.1073/pnas.93.21.11907 (englisch).
  19. Hidetoshi Shimodaira, Masami Hasegawa: Multiple Comparisons of Log-Likelihoods with Applications to Phylogenetic Inference. In: Molecular Biology and Evolution, Band 16, Nr. 8, 1. August 1999, S. 1114–1116; doi:10.1093/oxfordjournals.molbev.a026201, ResearchGate:31240073 (englisch).
  20. Hidetoshi Shimodaira: An approximately unbiased test of phylogenetic tree selection. In: Systematic Biology, Band 51, Nr. 3, Juni 2002, S. 492–508; doi:10.1080/10635150290069913, PMID 12079646, ResearchGate:11294828, Epub Juli 2002 (englisch).
  21. Si-Nan Dang, Robert W. Lichtwardt: Fine Structure of Paramoebidium (Trichomycetes) and a New Species with Viruslike Particles. In: American Journal of Botany, Band 66, Nr. 9, 1. Oktober 1979, S. 1093–1104; doi:10.1002/j.1537-2197.1979.tb06327.x, JSTOR:2442576 (englisch).
  22. a b Paraphyletic taxon: Family Amoebidiidae Kirk, Cannon & David, 2001 (protist)
  23. GBIF: Amoebidiidae.
  24. Amoebidiaceae J.L. Licht. ex P.M. Kirk, P.F. Cannon & J.C. David Auf: MycoBank (mycobank.org).
  25. NCBI Taxonomy Browser: Amoebidiaceae, Details: Amoebidiaceae (family).