Pilotensuizid

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Amokflug)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ein Pilotensuizid ist ein Suizid, bei dem ein Pilot gezielt einen Flugunfall herbeiführt, um sich selbst zu töten. Die meisten Suizide wurden mit kleineren Flugzeugen der allgemeinen Luftfahrt durchgeführt, es sind aber auch Fälle bekannt, bei denen besetzte Passagiermaschinen absichtlich zum Absturz gebracht und dadurch Flugreisende getötet wurden.[1] Solche Fälle werden mitunter auch als erweiterter Suizid oder Mitnahmesuizid bezeichnet oder, in Analogie zum Amoklauf auch Amokflug. Daneben gab es im Zweiten Weltkrieg die japanischen Kamikaze-Flieger, die ihr Leben bewusst in einem Angriff opferten, siehe Shimpū Tokkōtai.

Suizidales Verhalten eines Piloten während des Fluges kann außer dem beabsichtigten Tod der eigenen Person noch schwere Personen- und Sachschäden verursachen. Sowohl Flugzeug und Fluggäste und Besatzungsmitglieder als auch Personen, Gebäude und andere Dinge am Boden können betroffen sein. Der Wunsch nach einer Selbsttötung kann durch eine psychische Erkrankung verursacht sein, wobei bei diesem Szenarium neben Depressionen auch (narzisstische) Persönlichkeitsstörungen und ein extremes Maß an Empathielosigkeit eine Rolle spielen. Bei einigen Pilotensuiziden wurde entsprechend das Streben nach einem „großen Abgang“ als Tatmotiv diskutiert.[2][3]

Suizide können von Terroranschlägen durch die Zielsetzung des Handelnden abgegrenzt werden. Bei Terroranschlägen soll ein höheres politisches Ziel erreicht werden, während bei einem Suizid der Betroffene in eine subjektiv ausweglose Situation gerät und aus dieser heraus handelt. Beide werden in der offiziellen Kategorisierung von Flugunfällen in der Kategorie Security Related (deutsch: Sicherheitsrelevantes Ereignis) geführt.[4]

In einer Untersuchung des Civil Aerospace Medical Institute in Oklahoma im Februar 2014 wurde festgestellt, dass in den USA im Zeitraum von 2003 bis 2012 insgesamt 8 von 2758 Flugunfällen der Allgemeinen Luftfahrt mit Todesopfern durch Pilotensuizid verursacht wurden. Dies entspricht einem Anteil von 0,29 %. Die in dieser Untersuchung angegebene Häufigkeit von Pilotensuiziden ist vermutlich niedriger als der tatsächliche Wert, da in der Untersuchung ein Flugunfall nur dann als Pilotensuizid klassifiziert wurde, wenn schlüssige Hinweise wie Abschiedsbriefe oder entsprechende Äußerungen des Piloten vorlagen. Unklare Flugunfälle, bei denen jedoch ein Pilotensuizid als eine der möglichen Ursachen vermutet wurde, wurden nicht erfasst. Die Piloten waren männlich, im Durchschnitt 46 Jahre alt (die meisten waren im Alter zwischen 26 und 58 Jahren). Vier von acht Piloten waren alkoholisiert, zwei von acht Piloten nahmen Antidepressiva (SSRI). Fünf von acht hatten ihre Suizidabsicht zuvor mitgeteilt. Zwei waren Privatpiloten und sechs der acht Piloten waren Berufspiloten, einer davon noch in Ausbildung. Die meisten flogen einmotorige Propellermaschinen.[2] In den Jahren 1993 bis 2003 lag der Anteil der Pilotensuizide an Flugunfällen der allgemeinen Luftfahrt mit Todesfolge bei 0,44 % (16 von 3648), in den Jahren 1979 bis 1989 war der Anteil 0,17 % (10 von 5929).[5] Statistische Daten für die Jahre 1990 bis 1992 liegen nicht vor.

In der kommerziellen Luftfahrt gab es zwischen 1980 und 2020 neun Flugunfälle, die zumindest mutmaßlich auf Pilotensuizid zurückgeführt werden:[6]

Teilweise sind im Zusammenhang mit den Absturztheorien Kontroversen entstanden, da nationale Flugunfallermittler der Suizid-These widersprachen.

Nur im ersten der neun Fälle überlebten der Pilot sowie weitere Insassen der Maschine. In lediglich drei Fällen war der Pilot auch der einzige Insasse der Maschine, womit alle übrigen Fälle den Charakter eines erweiterten Suizids haben. Diese sechs beteiligten Piloten verursachten den Tod von insgesamt 562 Passagieren.

In Zusammenhang mit dem ungeklärten Verschwinden des Flugzeugs beim Malaysia-Airlines-Flug 370 gehen zahlreiche Luftfahrtexperten auch von einem Pilotensuizid als Ursache aus.[7][8] Begründet wird dies mit der gesicherten Erkenntnis, dass die Umstände des Verschwindens der Maschine auf absichtvolles Handeln sowie umfassende Kenntnisse im Bereich der Flugzeugführung verweisen („Rogue-Pilot-Theory“),[9] über die nur ein Pilot verfügen kann.[10][11]

Ähnliche Unfälle

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Brad Plumer: The disturbing history of pilots who deliberately crash their own planes. In: Vox . 26. März 2015;.
  2. a b Lewis, Russell; Forster, Estrella; Whinnery, James; Webster, Nicholas (February 2014). Aircraft-Assisted Pilot Suicides in the United States, 2003-2012. Civil Aerospace Medical Institute. Federal Aviation Administration (PDF)
  3. Germanwings: „Er inszenierte einen triumphalen Abgang“. Spiegel Online, 17. April 2015
  4. ICAO-Ereigniskategorien (PDF; 407 kB) abgerufen am 6. Mai 2015
  5. Aeromedical Aspects of Findings From Aircraft-Assisted Pilot Suicides in the United States 1993-2002. (PDF; 352 kB) Abgerufen am 6. Mai 2015.
  6. Zwischenbericht (PDF; 1,8 MB) des BEA zum Germanwings-Flug 9525 Mai 2015, Punkt 1.12.2 Frühere Ereignisse, S. 26 f., abgerufen am 6. Mai 2015. – Deutsche Übersetzung der BEA des französischen Originals.
  7. Till Fähnders: Flug MH370 – „Es war der Pilot“. FAZ.NET, 6. März 2015, abgerufen am 20. Januar 2019.
  8. Barbara Barkhausen: Wollte sich der MH370-Pilot das Leben nehmen? Die Welt, 29. August 2014, abgerufen am 20. Januar 2019.
  9. Michael Forsythe, Keith Bradsher: To Explain Missing Malaysia Airlines Flight, ‘Rogue Pilot’ Seems Likeliest Theory. New York Times, 5. März 2015, abgerufen am 20. Januar 2019.
  10. MH370: ‘Pilot Zaharie Shah Committed Suicide & Killed Everyone Else On Malaysia Airlines Flight’. In: Huffingtonpost. 16. September 2014, abgerufen am 20. Januar 2019 (englisch).
  11. Richard Westcott: Flight MH370: Could it have been suicide? BBC, 6. März 2015, abgerufen am 20. Januar 2019.