Arbeitserziehungslager Fehrbellin
Das Arbeitserziehungslager Fehrbellin, kurz AEL Fehrbellin oder Ael Fehrbellin, in Fehrbellin, war zwischen 1942 und April 1945 neben dem KZ Ravensbrück bei Fürstenberg das zentrale Frauenstraflager der Reichshauptstadt Berlin, das von der Gestapostelle Potsdam[1] geleitet wurde, es lieferten jedoch hauptsächlich die verschiedenen Berliner Gestapo-Stellen[1] Frauen in das Arbeitserziehungslager als Gefangene ein.
Häftlingszahlen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bis April 1945 waren nach den wenigen erhaltenen Listen kontinuierlich zwischen 300 und 600 „Häftlinge“ (oder „AEL-Mädels“ in den Firmenakten genannte Personen) zur Strafe für verschiedenste Vergehen im Arbeitseinsatz bei der Flachsernte und Flachsproduktion. Haftgründe waren oft Arbeitsverweigerung oder Fluchtversuche von ausländischen Zwangsarbeiterinnen oder eine wenig gravierende, verbale politische Herabsetzung des NS-Regimes durch deutsche Frauen.[2] Rund 8000 Frauen dürften bei einer vermuteten durchschnittlichen Haftdauer von 56 Tagen durch das Lager gegangen sein. Es ist aber auch eine Anzahl von etwa 10.000 Gefangenen in diesem Zeitraum möglich.[3]
Lagerführung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lagerführer war ein Polizeiobersekretär Fritz Neusesser.[4] Neben Polizei- und SS-Mannschaften als äußere Wachen wurden weibliche Gefängniswachtmeister zur inneren Führung eingesetzt.
Das Lager
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Unterbringung erfolgte in Holzbaracken um einen Appellplatz. In den Baracken standen zweistöckige Betten aus Holz ohne Decken, nur mit Matratzen aus Stroh. In der Barackenmitte befand sich ein kleiner Ofen. Dadurch war es im Winter sehr kalt. Bei Fliegeralarm konnte ein Luftschutzkeller in der Fabrik benutzt werden. Die hygienischen Bedingungen werden als miserabel geschildert, da es weder Ersatzwäsche noch Seife oder warmes Wasser gab.
Die Hanf-Fabrik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Jahre 1935 entstand in Wuppertal die Bastfaser GmbH. Im Zuge der nationalsozialistischen Autarkiepolitik wurde die Hanf- und Flachsproduktion wieder verstärkt. Nach der Gründung des Hanfwerks Rhinow/Mark im Jahr 1937 wurde der Firmensitz 1940 nach Fehrbellin verlegt, da um diesen Ort das wichtigste Anbaugebiet in Deutschland lag. Eine Voraussetzung zur Firmenverlagerung ins dünn besiedelte Brandenburg war die Möglichkeit zur Beschaffung von Arbeitskräften. Gearbeitet wurde in drei Schichten, ab Februar 1943 in zwei 12-Stunden-Schichten. Die Gefangenen arbeiteten vor allem beim Dreschen im Freien und beim Beschicken der Dreschmaschinen.
Bestrafungen, Misshandlungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach den Erinnerungen von Häftlingen wurden mehrfach Häftlinge zu Tode geschlagen. Hierzu wurde der Name der Aufseherin Frieda Stranz genannt. Amtlich ist über Todesfälle in Fehrbellin nichts bekannt geworden; die Sterbebücher aus der Kriegszeit blieben verschwunden.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Adamska, Jolanta: Arbeitserziehungslager – Vernichtungslager für polnische Zwangsarbeiter, hrsg. v. Glówna Komisja Badania Zbrodni Hitlerowskich, Warszawa, 1983.
- Amsterdamer Edition der Nachkriegs-NS-Prozesse: Justiz und NS-Verbrechen. Die deutschen Strafverfahren wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen. Zusammengestellt im Institut für Strafrecht der Universität von Amsterdam von Prof. Dr. C.F. Rüter und Dr. D.W. de Mildt, http://www.jur.uva.nl/junsv/, abgerufen am 11. Februar 2011.
- Arbeitskreis Berliner Regionalmuseen (Hrsg.): Zwangsarbeit in Berlin 1938–1945, Berlin 2003.
- Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.): Arbeitserziehungslager Fehrbellin – Zwangsarbeiterinnen im Straflager der Gestapo (PDF; 1,03 MB), 2004, ISBN 3-932502-38-8
- Berliner Geschichtswerkstatt (Hrsg.): Zwangsarbeit in Berlin 1940–1945. Erinnerungsberichte aus Polen, der Ukraine und Weißrußland. (Erzählte Geschichte). 128 S. Erfurt, Sutton Verlag, 2000.
- Bräutigam, Helmut: Fremdarbeiter in Brandenburg in der NS-Zeit. Dokumentation zum Ausländereinsatz´ im früheren Regierungsbezirk Potsdam 1939 bis 1945 (RAA Brandenburg, Interkulturelle Beiträge, Bd. 17), Potsdam 1996.
- Bräutigam, Helmut: Nationalsozialistische Zwangslager in Berlin IV: Fremdarbeiterlager 1939 bis 1945. S. 235–280 in: Wolfgang Ribbe (Hg.): Berlin-Forschungen IV, Berlin (Colloquium Verlag) 1989
- Bröckers, Mathias (Hrsg.): Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf, Cannabis, Marihuana, München 1996.
- Endlich, Stefanie; Kaiser, Wolf: Zum Umgang mit KZ-Außenlagern seit 1945, in: Winfried Meyer, Klaus Neitmann (Hrsg.): Zwangsarbeit während der NS-Zeit in Berlin und Brandenburg. Formen, Funktion und Rezeption, Potsdam 2001, S. 193–210.
- König, Gerhard; König, Inge: Das Polizeipräsidium Berlin-Alexanderplatz. Seine Geschichte -- Seine Polizei -- Seine Häftlinge (1933-1945), Berlin 1997.
- Kranz, Christian: Zwangsarbeiterinnen in der Bastfaserfabrik. Fast vergessen: Auf Fehrbellins heutigem Newtex-Gelände gab es im Dritten Reich ein Straflager für Frauen. In: Märkische Allgemeine Zeitung/Ruppiner Tageblatt vom 15. Februar 2000 und in einer Fortsetzung am 9. März 2000.
- Kubatzki, Rainer: Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager. Standorte und Topographie in Berlin und im brandenburgischen Umland 1939 bis 1945. Mit Forschungen von Klaus Leutner, Gianfranco Matthiello, Wolfgang Vogt. Eine Dokumentation. Berlin, Berlin Verlag, 2001
- Meyer, Winfried; Neitmann, Klaus (Hrsg.): Zwangsarbeit während der NS-Zeit in Berlin und Brandenburg. Formen, Funktion und Rezeption, Potsdam, 2001.
- Pagenstecher, Cord: AEL Fehrbellin. Ein Frauen-Straflager für Berliner Zwangsarbeiterinnen, in: Sabine Moller, Miriam Rürup, Christel Trouvé (Hrsg.): Abgeschlossene Kapitel? Zur Geschichte der Konzentrationslager und der NS-Prozesse. (Studien zum Nationalsozialismus in der edition diskord, Band 5), Tübingen, 2002, S. 28–45.
- Pagenstecher, Cord: Privatfotos ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter – eine Quellensammlung und ihre Forschungsrelevanz, in: Winfried Meyer, Klaus Neitmann (Hrsg.), Zwangsarbeit. siehe oben 2001, S. 223–246.
- Scholze-Irrlitz, Leonore und Karoline Noack (Hrsg.): Arbeit für den Feind. Zwangsarbeiter-Alltag in Berlin und Brandenburg 1939–1945, Berlin 1998, S. 35–44 (Wenzel, Gisela: Vergessene Lager – vergessene Opfer)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Das Arbeitserziehungslager (AEL) Fehrbellin – Webseite der Berliner Geschichtswerkstatt
- Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.): Arbeitserziehungslager Fehrbellin – Zwangsarbeiterinnen im Straflager der Gestapo PDF (Auch Luftbild und Lageskizzen)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.): Arbeitserziehungslager Fehrbellin - Zwangsarbeiterinnen im Straflager der Gestapo ( vom 26. November 2013 im Internet Archive) (PDF; 1,03 MB), S. 82, 2004, ISBN 3-932502-38-8
- ↑ Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.): Arbeitserziehungslager Fehrbellin – Zwangsarbeiterinnen im Straflager der Gestapo ( vom 26. November 2013 im Internet Archive) (PDF; 1,03 MB), S. 93–96, 2004, ISBN 3-932502-38-8
- ↑ Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.): Arbeitserziehungslager Fehrbellin - Zwangsarbeiterinnen im Straflager der Gestapo ( vom 26. November 2013 im Internet Archive) (PDF; 1,03 MB), S. 91–92, 2004, ISBN 3-932502-38-8
- ↑ Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.): Arbeitserziehungslager Fehrbellin – Zwangsarbeiterinnen im Straflager der Gestapo ( vom 26. November 2013 im Internet Archive) (PDF; 1,03 MB), S. 88, 2004, ISBN 3-932502-38-8
Koordinaten: 52° 48′ 53,9″ N, 12° 46′ 36″ O