Arbeitskreis Junger Kriminologen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Arbeitskreis Junger Kriminologen (AJK) ist eine im Jahr 1969 gegründete Vereinigung kritischer deutschsprachiger Kriminologen. Er gibt seit 1969 die kriminologische Fachzeitschrift Kriminologisches Journal heraus. Eine offizielle Vereinsgründung ist nie erfolgt[1], jedoch gab es über die Zeitschriftengründung hinaus mehrere Buchveröffentlichungen und es fanden und finden Tagungen statt. Als Initiatoren zur Gründung des Arbeitskreises nennt Henner Hess Lieselotte Pongratz und Stephan Quensel.[2]

Die kritische Kriminologie, zu der sich die Mitglieder des Arbeitskreises zugehörig fühlen, war von Beginn an vor allem dem Etikettierungsansatz verpflichtet.[3] Dies geschah in bewusster Abgrenzung zu den ätiologischen Grundannahmen einer am Verhalten des Täters ansetzenden traditionellen Kriminologie. Ergänzt wurde der Etikettierungsansatz durch eine konflikttheoretische Perspektive.[4] Neben diesen theoretischen Grundannahmen wurde seitens des Arbeitskreises auch eine reformorientierte Kriminalpolitik angemahnt, der zufolge

  • alternative Praxismodelle zu den herrschenden Normen und Verfahrensweisen im Kriminalisierungsprozess legitimiert werden und
  • politische Bedingungen und Reformen auf dem Gebiet der sozialen Kontrolle geklärt werden, Forschungsressourcen neu verteilt werden sollten und Kriminologie als Wissenschaft reorganisiert werden sollte.[5]

Mit der Zeit kam es zu einer Differenzierung, was das theoretische Fundament und die Zielsetzung anbelangt. Einzelne Mitglieder des Arbeitskreises (so Henner Hess und Sebastian Scheerer) wichen spätestens ab Mitte der Neunziger Jahre von einer einseitigen Fokussierung auf den Etikettierungsansatz ab.[6]

Im Rahmen einer Tagung des Arbeitskreises im Jahr 1989 kam es zur Gründung der bis heute bestehenden Gesellschaft für interdisziplinäre wissenschaftliche Kriminologie.

  • Arbeitskreis Junger Kriminologen (Hrsg.), Kritische Kriminologie. Beiträge zu einer Standortbestimmung, München 1974.
  • Siegfried Lamnek und Susanne Vogel, Theorien abweichenden Verhaltens II. „Moderne“ Ansätze, vierte Auflage, Paderborn 2017, Kapitel 1 (Moderne Ansätze als Paradigmenwechsel?), S. 15–52.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. vgl. die Ausführungen von Thomas Feltes im unter Weblinks verlinkten Artikel über den Arbeitskreis.
  2. Henner Hess, Die Kontroverse um das „Repressive Verbrechen“ und die Folgen für die Theorie*, in: Henner Hess, Die Erfindung des Verbrechens, Wiesbaden 2015, S. 173–183, S. 173.
  3. Michael Dellwing (Einleitung), in: Henner Hess, Die Erfindung des Verbrechens, Wiesbaden 2015, S. 7–17
  4. vgl. Siegfried Lamnek und Susanne Vogel, Theorien abweichenden Verhaltens II. „Moderne“ Ansätze, vierte Auflage, Paderborn 2017, Kapitel 1 (Moderne Ansätze als Paradigmenwechsel?), S. 15–52, S. 29 ff.
  5. Arbeitskreis Junger Kriminologen, Kritische Kriminologie. Beiträge zu einer Standortbestimmung, München 1974, S. 13. Zitiert nach: Siegfried Lamnek und Susanne Vogel, Theorien abweichenden Verhaltens II. „Moderne“ Ansätze, vierte Auflage, Paderborn 2017, S. 42.
  6. vgl. Henner Hess, Die Erfindung des Verbrechens, Wiesbaden 2015. Hess betont, sein Ansatz sei von Anfang an kein rein etikettierungstheoretischer gewesen.