Archidikastes

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Der Archidikastes war ein aus der ptolemäischen Zeit überkommener höherer Justizbeamter der römischen Provinz Ägypten, der zentralen Sitz in Alexandria einnahm. Seine Kernkompetenz bestand in der Registrierung eingegangener Chirographa. Über seine Beauftragung im Urkunden- und Archivwesen hinaus, zeichnete er in Mahnverfahren zur Vorbereitung von Vollstreckungstiteln im Grundstücksverkehr zuständig. Dabei behandelte er in diesem Verfahrensschritt auch gegebenenfalls erhobene Schuldnereinwendungen.[1] Da der Erzrichter die Untersuchungen im Mahn- und Vollstreckungsverfahren leitete, war das Amt des archidikastes bei ihm angesiedelt.[2]

Während der Zeit, in der das römische Imperium die Machtstellung in Ägypten innehatte, wurde die regionale Rechtsprechung in das Recht Roms integriert und die Hoheit darüber einem praefectus Aegypti als Statthalter unterstellt. Die ägyptische Gerichtsbarkeit verlor so ihre Autonomie. Zwar blieben die ptolemäischen Ämter nominal aufrechterhalten, waren aber den neuen Bedingungen unterworfen. Das galt für den archidikastes als Archivjuristen, ebenso für den exegestes als Richter und für den idios logos als Verwaltungs- und Gerichtsbeamten für Fiskal- und Kultangelegenheiten. Die Reichweite erfasste auch die strategoi und epistrategoi, die ihre Richterfunktionen in der Chora, mithin auf dem Land oder den zahlreichen Inseln, ausübten.[3]

  1. José Luis Alonso, Ulrike Babusiaux: Papyrologische und epigraphische Quellen. In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts Band 1 §§ 1-58. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5, S. 222–317, hier S. 248 (Rn. 56 f.).
  2. Paul Jörs: Erzrichter und Chrematisten: Untersuchungen zum Mahn- und Vollstreckungsverfahren im griechisch-römischen Ägypten. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. (Romanistische Abteilung), Band 36, Heft 1, 1915. S. 230–339.
  3. José Luis Alonso, Ulrike Babusiaux: Papyrologische und epigraphische Quellen. In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts Band 1 §§ 1-58. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5, S. 222–317, hier S. 244 (Rn. 51).