Artes mechanicae

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Als Artes mechanicae (lateinisch für „mechanische Künste“), im Deutschen (sieben) Eigenkünste oder (sieben) praktische Künste genannt, wurden in Altertum, Mittelalter und Renaissance Fertigkeiten des Handwerks bezeichnet, die im Unterschied zu den Sieben freien Künsten (lateinisch artes liberales) dem unmittelbaren Broterwerb dienten.[1] Im weiteren Sinne lassen sich die praktischen Künste unter dem Sammelbegriff Technik (altgriechisch τέχνη [téchne] = „Fähigkeit, Kunstfertigkeit, Handwerk“) zusammenfassen.

Eine erste mittelalterliche Aufzählung der Sieben Praktischen Künste findet sich im 9. Jahrhundert beim aus Irland stammenden und im Westfrankenreich tätigen Gelehrten Johannes Scottus Eriugena:[2]

In den Schriften des Hugo von St. Viktor, seit 1133 Leiter einer Klosterschule in Paris, werden die Sieben Praktischen Künste wie folgt aufgezählt:

  • Webekunst
  • Waffenschmiedekunst
  • Bauhandwerk (Steinmetz und Maurer)
  • Schifffahrt
  • Jagd
  • Heilkunst bzw. Medizin
  • Schauspielkunst

Die von den Klöstern erstmals propagierte Wertschätzung manueller Arbeit fand im 12. Jh. „offizielle“ Bestätigung, indem den sieben freien Künsten analog sieben mechanische Künste gegenübergestellt wurden. Die Ansicht, wonach es sich bei den Artes mechanicae um angewandte Geometrie handelte, wurde im Abendland zuerst im 12. Jahrhundert von Dominicus Gundisalvi auf Grundlage der sich auf Aristoteles beziehenden Schriften arabischer Gelehrter verbreitet, die er studiert und ins Lateinische übersetzt hatte. Dazu zählten als armatura Berufe des Handwerks und ab dem Mittelalter auch die der Bildenden Künste und der Baukunst (Arbeiten in Stein, Holz, Metall, Waffenkunst, Bildhauerei, Malerei, Architektur), die agricultura (Landwirtschaft) und das lanificium (Bekleidungshandwerk). Zu den letztgenannten Künsten zählten u. a. die Schneider, Gerber und Schuster.

Die artes mechanicae wurden gegenüber den septem artes liberales (sieben freien Künsten) als niedrigerstehend angesehen. Während es für die Ausübung oder das Studium der freien Künste notwendig war, ein „freier Mann“ zu sein, konnten auch Unfreie die praktischen Künste ausüben. Die Tätigkeit von Sklaven im Altertum wurde daher auch Artes illiberales genannt. Für den Unfreien war es demzufolge unmöglich, die Artes liberales zu studieren, weil hierzu nur Freie zugelassen waren. Diese Artes mechanicae standen auch in einem geringeren gesellschaftlichen Ansehen als die Artes liberales. Und die Tätigkeiten der Unfreien wiederum standen in einem noch geringeren Ansehen als die der Freien (etwa die der Handwerker) innerhalb der Artes mechanicae.

Schon in der griechischen Antike gibt es Äußerungen, die praktische Tätigkeiten geringschätzig betrachten. In seiner „Politik“ lässt Aristoteles seiner Geringschätzung über das Handwerk freie Bahn: Die Handwerker vernachlässigten oft aus Liederlichkeit ihre Arbeit und bedürften einer „Tugend“, wie sie der Sklave braucht, nur insoweit, als sie Anteil an der Sklavenarbeit haben; die Stellung nämlich des Handwerkers sei die einer begrenzten Sklaverei (Pol. I, 13), und deshalb sei er auch kein Staatsbürger (Pol. III, 5; VII, 9). (Im Jahre 317 v. Chr. zählte Attika eine Sklavenbevölkerung von 400.000 gegenüber 21.000 freien Bürgern.)

  • Jutta Bacher: Artes mechanicae in: Hans Holländer (Hg.): Erkenntnis, Erfindung, Konstruktion, Berlin 2000, S. 35–49.
  • Ria Jansen-Sieben: Die Artes mechanicae. In: Ria Jansen-Sieben (Hrsg.): Artes mechanicae in middeleeuws Europa. Brüssel 1989 (= Archief- en bibliotheekwezen in België, extranummer 34), S. 7–15.
  • Gerhard Eis: Die sieben Eigenkünste und ihre altdeutschen Literaturdenkmäler. In: Forschungen und Fortschritte. Band 26, 1950, S. 269–271.
  • Gerhard Eis: Mittelalterliche Fachliteratur. 2. Auflage. Stuttgart 1967 (= Sammlung Metzler, Realienbücher für Germanisten, Abteilung D: Literaturgeschichte. Band M 14), S. 29–34 und 39–43.
  • Hartmut Broszinski: Siben sint der künste. In: Verfasserlexikon. 2. Auflage. Band 8, 1991.

Einzelnachweise

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  1. Marcus Popplow: Diskurse über Technik in der Frühen Neuzeit. In: Herbert Jaumann, Gideon Stiening (Hrsg.): Neue Diskurse der Gelehrtenkultur in der Frühen Neuzeit: Ein Handbuch (= De Gruyter Reference). De Gruyter, Berlin/Boston 2016, ISBN 978-3-11-028999-2, S. 752 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 9. Januar 2020]).
  2. Andreas Hüttner: Technikdidaktik. In: Martin Rothgangel, Ulf Abraham, Horst Bayrhuber, Volker Frederking, Werner Jank, Helmut Johannes Vol (Hrsg.): Lernen im Fach und über das Fach hinaus: Bestandsaufnahmen und Forschungsperspektiven aus 17 Fachdidaktiken im Vergleich (= Fachdidaktische Forschungen). 1. Auflage. Band 12. Waxmann, Münster 2019, ISBN 978-3-8309-9122-9, S. 419 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 9. Januar 2020]).