Projektion (Mengenlehre)
Die (kanonische) Projektion, Projektionsabbildung, Koordinatenabbildung oder Auswertungsabbildung ist in der Mathematik eine Abbildung, die ein Tupel auf eine der Komponenten des Tupels abbildet. Allgemeiner ist eine Projektion eine Abbildung von dem kartesischen Produkt einer Familie von Mengen auf das kartesische Produkt einer Teilfamilie dieser Mengen, die Elemente mit bestimmten Indizes auswählt. Unter der Annahme des Auswahlaxioms ist eine Projektion einer beliebigen Familie nichtleerer Mengen stets surjektiv. Projektionen werden unter anderem in der Mengenlehre, in der Topologie, in der Maßtheorie oder als Operatoren in relationalen Datenbanken verwendet.
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ist eine Familie von Mengen, wobei eine beliebige Indexmenge ist, dann wird mit das kartesische Produkt dieser Mengen bezeichnet. Ist nun eine Teilmenge von , dann ist die Projektion auf diese Teilmenge die Abbildung
- .
Durch die Projektion werden demnach aus einer Familie von Elementen diejenigen ausgewählt, deren Indizes in der Menge enthalten sind. Im Fall einer einelementigen Menge wird die Projektion auch einfach durch notiert.[1]
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Geordnete Paare
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Besteht die Indexmenge aus genau zwei Elementen, , dann ist das kartesische Produkt die Menge der geordneten Paare von Elementen der beiden Mengen und . Die Projektionen
und
bilden dann ein Paar auf seine erste beziehungsweise seine zweite Komponente ab. Sind beispielsweise die kartesischen Koordinaten eines Punkts in der euklidischen Ebene, dann ergeben die Projektionen und jeweils die - und die -Koordinate des Punkts. Diese Projektionen sind formal von (orthogonalen) Projektionen auf die beiden Koordinatenachsen zu unterscheiden, die Abbildungen mit beziehungsweise darstellen.
Tupel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Besteht die Indexmenge aus Elementen, , dann ist das kartesische Produkt die Menge aller -Tupel, bei denen die -te Komponente ein Element ist. Die Projektion ist dann die Abbildung
- ,
die ein Tupel auf seine -te Komponente abbildet.[2] Jedes Tupel hat somit die Darstellung .
Funktionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sind die Mengen alle gleich einer Menge , dann ist das kartesische Produkt die Menge aller Funktionen . Die Projektion ist dann die Abbildung
- ,
die eine Funktion auf ihren Funktionswert für das Argument abbildet. Diese Abbildung wird daher auch als Auswertungsabbildung bezeichnet.[1][3]
Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Surjektivität
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ist die Indexmenge endlich und sind die Mengen nichtleer, dann ist eine Projektionsabbildung stets surjektiv, das heißt
- .
Um sicherzustellen, dass das kartesische Produkt einer beliebigen Familie nichtleerer Mengen ebenfalls nichtleer ist, wird allerdings das Auswahlaxiom benötigt. Tatsächlich ist die vorstehende Aussage sogar äquivalent zum Auswahlaxiom. Unter der Annahme des Auswahlaxioms ist eine Projektionsabbildung dann auch für eine beliebige Familie nichtleerer Mengen stets surjektiv.[4]
Urbild
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ist eine echte Teilmenge der Indexmenge und ist eine Teilmenge der Zielmenge einer Projektion , dann hat das Urbild von die Darstellung
- .
Die Mengen werden entsprechend auch als Zylindermengen bezeichnet.[5]
Verwendung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Topologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sind für topologische Räume, dann ist die Produkttopologie auf die gröbste Topologie (die Topologie mit den wenigsten offenen Mengen), bezüglich der alle Projektionen stetig sind. Die Zylindermengen der Form , wobei eine offene Teilmenge von ist, bilden dabei eine Subbasis für den Produktraum . Der Produktraum kann auch durch die folgende universelle Eigenschaft eines kategoriellen Produkts charakterisiert werden: ist ein topologischer Raum und ist die Abbildung für jedes stetig, dann gibt es genau eine stetige Funktion , sodass
für alle gilt. Umgekehrt ist eine gegebene Funktion genau dann stetig, wenn alle Projektionen stetig sind. Zusätzlich zur Stetigkeit sind die Projektionen offene Abbildungen, das heißt jeder offene Teilraum des Produktraums bleibt offen, wenn er auf eine Menge projiziert wird. Die Umkehrung gilt jedoch nicht: ist ein Teilraum des Produktraums, dessen Projektionen alle offen sind, dann muss selbst in nicht offen sein. Die Projektionen sind im Allgemeinen auch keine abgeschlossenen Abbildungen.
Maßtheorie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sind für Messräume, dann ist die Produkt-σ-Algebra
die kleinste σ-Algebra auf dem kartesischen Produkt , sodass alle Projektionen auf die Einzelmengen messbar sind. Die Produkt-σ-Algebra wird auch von dem System aller Zylindermengen mit endlicher Indexmenge erzeugt. In der Maßtheorie und Stochastik bilden Produkt-σ-Algebren die Grundlage für Produktmaße und Produkt-Wahrscheinlichkeitsräume.[3]
Informatik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Projektionen werden auch als Operatoren in relationalen Datenbanken eingesetzt. Ist hierzu eine Relation und eine Teilmenge der Attributmenge, dann ist das Ergebnis der Projektion
eine neue Relation, die nur die Attribute aus der angegebenen Attributliste enthält. In der Ergebnisrelation werden dabei doppelte Einträge gelöscht.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Gerd Fischer: Lineare Algebra: eine Einführung für Studienanfänger. Springer, 2008, ISBN 3-8348-9574-1.
- Paul Halmos: Naive set theory. Springer, 1960, ISBN 0-387-90092-6.
- Norbert Kusolitsch: Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie. Springer, 2014, ISBN 978-3-642-45387-8.
- Jochen Wengenroth: Wahrscheinlichkeitstheorie. de Gruyter, 2008, ISBN 978-3-11-020359-2.
- Stephen Willard: General Topology. Courier Dover Publications, 2012, ISBN 978-0-486-13178-8.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Paul Halmos: Naive set theory. Springer, 1960, S. 36.
- ↑ Gerd Fischer: Lineare Algebra: eine Einführung für Studienanfänger. Springer, 2008, S. 38.
- ↑ a b Jochen Wengenroth: Wahrscheinlichkeitstheorie. de Gruyter, 2008, S. 14.
- ↑ Stephen Willard: General Topology. Courier Dover Publications, 2012, S. 52.
- ↑ Norbert Kusolitsch: Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie. Springer, 2014, S. 6.