Autologisierung
Autologisierung (von altgriechisch αὐτός autós: „selbst“ und λόγος lόgos: „Wort“, „Rede“) ist ein Begriff aus dem Journalismus und der neueren Medientheorie und bezeichnet das zunehmende Auftreten von Autologien im Journalismus. Autologie bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sich eine journalistische Quelle auf andere journalistische, d. h. endogene Quellen und journalistische Themen oder bereits in den Medien behandelte Themen bezieht. Wichtig ist demnach nicht, was kommuniziert wird, sondern dass kommuniziert wird (vgl. die Medientheorie von Norbert Bolz).
Medienexterne Quellen wie Politiker, Künstler, „Betroffene“, Meinungsführer oder Rezipienten (Fremdreferenz) werden dabei zunehmend verdrängt durch Selbstreferenz. Bei tendenziell autopoietisch operierenden Medien entstehen Medienthemen zunehmend in Redaktionssitzungen, Besprechungen mit Vorgesetzten usw. Das Phänomen wird – im Verbund mit weiteren Beobachtungen – als Autopoietisierung des Journalismus bezeichnet.
Die durch Kybernetik und Konstruktivismus geprägte Sichtweise geht von der grundlegenden Annahme aus, dass Wissen nicht statisch ist, sondern in einem Interaktions- und Kommunikationsprozess entsteht.[1] Die klassischen Funktionen der Massenkommunikation (z. B. Meinungsbildung, Kontrolle, „vierte Gewalt“) können jedoch nur hinreichend erfüllt werden, wenn sich diese Prozesse nicht überwiegend selbstreferentiell abspielen, sondern eben auch systemexterne Quellen miteinbeziehen.
Der Salzburger Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber prägte den medien- bzw. kommunikationstheoretischen Begriff der Autologisierung des Journalismus in den 1990er Jahren[2] und untersucht diesen Thesenkomplex seitdem in empirischen Forschungsprojekten wie Zwischen Selbstreferenz und Fremdsteuerung.[3]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Stefan Rieger: Kybernetische Anthropologie. Eine Geschichte der Virtualität. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003. ISBN 3518292803
- Stefan Weber: Was können Systemtheorie und nicht-dualisierende Philosophie zu einer Lösung des medientheoretischen Realismus/Konstruktivismus-Problems beitragen? In: Gebhard Rusch, Siegfried J. Schmidt: Konstruktivismus in der Medien- und Kommunikationswissenschaft (DELFIN 1997). Frankfurt am Main: Suhrkamp 1999. ISBN 3518289403
- Stefan Weber: Non-dualistische Medientheorie. Eine philosophische Grundlegung. UVK 2005. ISBN 389669474X
- Stefan Weber: Was Steuert Journalismus. Ein System zwischen Selbstreferenz und Fremdsteuerung. UVK 2000. ISBN 3896692933
- Stefan Weber (Hrsg.): Theorien der Medien. Von der Kulturkritik bis zum Konstruktivismus. UTB 2003. ISBN 3825224244
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Zwischen Selbstreferenz und Fremdsteuerung – Forschungsprojekt Autopoiesis & Journalismus (Hans Heinz Fabris & Stefan Weber); umfassende empirische Überprüfung der Haupt-Thesen des Radikalen Konstruktivismus und der autopoietischen Systemtheorie auf dem Gebiet des Journalismus im deutschsprachigen Raum (vgl. Radical Constructivism).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Näheres zu den Grundlagen bspw. in: Wolfram K. Köck: Kognition - Semantik - Kommunikation, in: Siegfried J. Schmidt: Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1994; Humberto R. Maturana: Biologie der Kognition (1974/75) u. a.
- ↑ Weber, in: Rusch/Schmidt 1999, S. 212 ff.
- ↑ Ergebnisse dieser Projekte finden sich u. a. in Weber 2000 und Weber 2005.