Graswurzel-Journalismus
Graswurzel-Journalismus (von grassroot, auch partizipativer Journalismus oder Bürger-Journalismus) ist eine Form des Journalismus, bei der die Zivilgesellschaft innerhalb der klassischen Medien oder durch eigene Medien am gesellschaftlichen Diskurs teilnimmt. Die Publikationsmöglichkeiten im Internet, besonders Weblogs, Podcasts und Videoplattformen, haben zur Verbreitung des Graswurzel-Journalismus beigetragen.[1][2]
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Definition für partizipativen Journalismus[3] von Shayne Bowman und Chris Willis lautet übersetzt:
- „Partizipativer Journalismus ist die Tätigkeit eines Bürgers oder einer Gruppe von Bürgern, die eine aktive Rolle im Prozess der Recherche, des Berichtens, des Analysierens sowie des Verbreitens von Nachrichten und Informationen einnehmen. Ziel dieser Partizipation ist die Bereitstellung von unabhängigen, verlässlichen, genauen, ausführlichen und relevanten Informationen, die eine Demokratie benötigt.“
- The act of a citizen, or group of citizens, playing an active role in the process of collecting, reporting, analyzing and disseminating news and information. The intent of this participation is to provide independent, reliable, accurate, wide-ranging and relevant information that a democracy requires.[4]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Begriff Graswurzel-Journalismus lehnt sich an Graswurzelbewegung an und stammt aus dem Bereich der anglo-amerikanischen Publizistik. Im deutschsprachigen Raum war seit den 1970er Jahren das Konzept der Gegenöffentlichkeit verbreitet. Das partizipative Element betont der norwegische Friedensforscher Johan Galtung, der ein Konzept für einen friedensfördernden Journalismus entwickelt hat.
Vorläufer sind die alternativen Stattzeitungen der 1970er und 1980er Jahre, ebenso die Freien Radios der 1980er Jahre. Eine Sonderform ist der gesetzlich verankerte Bürgerrundfunk. Wandzeitungen können auch ohne Internet interaktive Projekte organisieren.
Als Vorläufer des User-Generated-Content können auch Offene Kanäle, veröffentlichte Leserbriefe sowie Hörer-/Zuschaueranrufe als Teil laufender Sendungen angesehen werden. Sie sind dem Graswurzel-Journalismus nur zum Teil verpflichtet.
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Contraste, Monatszeitung für selbstverwaltete Betriebe und Kollektive
- Democracy Now, US-amerikanischer Graswurzeljournalismus
- Graswurzelrevolution, Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft
- Graswurzel-TV, ein Internet-Sender
- Indymedia, Independent Media Center (IMC)
- NowPublic, ehemaliges US-Bürgerjournalismusangebot (populär 2007–2009)
- OhmyNews, eine südkoreanische internationale Internetzeitung
- Okto, ein TV-Sender, finanziert durch die Gemeinde Wien
- Roter Reporter, eine der ältesten lokalen Alternativzeitungen
- Wikinews, ein Nachrichtenportal (Wikimedia-Projekt)
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bürgermedien, Neue Medien, Medienalternativen. München 2009, ISBN 978-3-9805604-5-0, kostenloser Download (PDF)
- Bürgermedien. Die Laien kommen. Themenheft Der Journalist, 8/2005 (der Hauptartikel online bei onlinejournalismus.de)
- Wer macht die Medien? Online-Journalismus zwischen Bürgerbeteiligung und Professionalisierung, München 2008, kostenloser Download (PDF)
- Dan Gillmor: We the Media. Grassroots Journalism by the People, for the People, 2004 Open Book
- Gabriele Hooffacker: Bürgerreporter: zwischen Partizipation und professioneller Redaktion. Formate des Bürgerjournalismus im Lokalfernsehen, in: Journalistik 3 (2018), S. 22–35, online verfügbar, abgerufen am 20. Juni 2019
- Bernd Hüttner: Verzeichnis der Alternativmedien 2006/2007, Neu-Ulm 2006
- Jonas Kahl: Elektronische Presse und Bürgerjournalismus – Presserechtliche Rechte und Pflichten von Wortmedien im Internet, Baden-Baden 2013, ISBN 978-3-8487-0826-0
- Christoph Neuberger / Christian Nuernbergk / Melanie Rischke: Journalismus im Internet: Zwischen Profession, Partizipation und Technik. Ergebnisse eines DFG-Forschungsprojekts. In: Mediaperspektiven Heft 4/2009 (PDF; 160 kB)
- Christoph Neuberger, Christian Nuernbergk, Melanie Rischke (Hrsg.): Journalismus im Internet. Profession - Partizipation - Technisierung, Wiesbaden 2009. ISBN 978-3-531-15767-2
- Jan-Felix Schrape: Social Media, Massenmedien und gesellschaftliche Wirklichkeitskonstruktion, in: Berliner Journal für Soziologie 21(3) 2011, S. 407–429. Volltext Online (PDF-Datei; 490 kB)
- Felix Lee: Protest global: Graswurzeljournalismus. In: Das Parlament. Nr. 34, 2007 (bundestag.de [abgerufen am 3. Februar 2021]).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Berufsrolle im Wandel – Im Gespräch mit Christoph Neuberger, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster (Menschen – Macher – Medien, Verdi.de, September 2006)
- Online-Journalismus zwischen Bürgerbeteiligung und Professionalisierung (kostenfreier Download, PDF)
- Umfangreiche Hausarbeit an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Stand 2002)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Interaktive Trends 2006/2007. Jahrbuch Deutscher Multimedia Award - Von J&S Dialog Medien GmbH, S. 2
- ↑ Internet Erlebtes und „Erlebtes“: Die Tsunamis haben „Blogs“ hochgespült: Eine wachsende Schar von Begeisterten schreibt und liest Augenzeugenberichte auf dafür offenen Internetseiten. Es entsteht eine Art Tagebuch der Welt. FAZ vom 6. Januar 2005.
- ↑ https://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-531-91105-2_13
- ↑ Shayne Bowman, Chris Willis: We Media - How audiences are shaping the future of news and information. Juli 2003, S. 9