Baha Targün
Baha Targün (* 1. Mai 1943 in Istanbul; † 17. Juli 2020 in Zonguldak[1]) war ein türkischer Journalist und Autor. Als Arbeiter in Deutschland spielte er 1973 eine wichtige Rolle bei der Lenkung des Kölner Fordstreiks.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Targün besuchte das Eyüp-Gymnasium in İstanbul und beendete wegen einer Lungenerkrankung vorzeitig den türkischen Militärdienst. Er reiste als Bühnenleiter einer kleinen Theatergruppe durch die Türkei und kam 1969 als Tourist nach Deutschland, seine Schwester wohnte bereits in Köln. Er immatrikulierte sich für Soziologie in Köln, erhielt eine Arbeitserlaubnis und arbeitete als ungelernter Schlosser, später Dolmetscher bei einer Versicherung und am Schalter einer Filiale einer Bank. 1973 wurde er in das Streikkomitee des Kölner Fordstreiks gewählt. Wegen der Vorbehalte der türkischen Arbeiter gegen die damalige Gewerkschaftsleitung wurde eine Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft einstimmig abgelehnt. Im September 1973 berichtete Der Spiegel mit Targüns Foto auf dem Titel über „Wilde Streiks – Lohnpolitik auf eigene Faust“.[2][3]
Nach Beendigung des Streiks und Entlassung bei Ford arbeitete Baha Targün bei einer anderen Firma in Köln, deren Inhaber ein türkischer Faschist gewesen sei, der ihn der räuberischen Erpressung beschuldigt habe. Targün wurde 1974 verhaftet und aufgrund der heute fragwürdigen, wohl politisch motivierten Vorwürfe zu einer sechseinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt.[4] Er war erst in Remscheid, dann in Nürnberg inhaftiert. Gegen Targün wurde eine Ausweisung verfügt, wogegen es breite Proteste gab. Er wurde 1979 abgeschoben, nachdem sein Asylantrag abgelehnt worden war.[5]
Nach seiner Rückkehr in die Türkei begann Targün eine Tätigkeit als Journalist und Autor. Er schrieb Hörspiele und Drehbücher. Seine Arbeit wurden mit Preisen von TRT, dem staatlichen türkischen Rundfunk- und Fernsehsender, und des Kultusministeriums ausgezeichnet. In den letzten Jahren seines Arbeitslebens war er hauptberuflich als Reiseführer tätig. Seit Januar 2008 lebte er im Ruhestand in der Türkei.
Bei einer Klettertour durch einen Canyon bei der Stadt Kastamonu im Nordosten Anatoliens stürzte er ab und erlag kurz darauf, am 17. Juli 2020, im Krankenhaus von Zonguldak seinen schweren Verletzungen.[6]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Caner Tekin, Die Reaktionen türkischer Migrant*innenorganisationen auf den Kölner Ford-Streik von 1973, in Bernd Hüttner, Nuria Cafaro, Caner Tekin (Hrsg.), Gelingende und misslingende Solidarisierungen. Spontane Streiks in Westdeutschland um 1973, luxemburg beiträge, Band 18, Berlin, August 2023 frei zugängliche PDF
- Der Spiegel 36/1973 „IG Metall – ein angeschlagener Dinosaurier“ https://www.spiegel.de/politik/ig-metall-ein-angeschlagener-dinosaurier-a-a4e6bd9a-0002-0001-0000-000041911417?context=issue
- Der Spiegel 37/1973 „Türken-Streik – Faden gerissen“ https://www.spiegel.de/wirtschaft/faden-gerissen-a-124fc351-0002-0001-0000-000041911224?context=issue
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Wilde Streiks mit Baha Targün
- Götz Schmidt: Zum Tod von Baha Targün, lunapark21.de, 17. April 2021, abgerufen am 18. April 2021.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Hasan Doğan, Dieter Heinert, Reiner Schmidt: Das Gesicht des Streiks. (Nachruf). In: Stadtrevue. Nr. 11/2020. Köln November 2020, S. 10. https://www.stadtrevue.de/archiv/artikelarchiv/06684-das-gesicht-des-ford-streiks/
- ↑ Der Spiegel 36/1973 https://www.spiegel.de/spiegel/print/index-1973-36.html
- ↑ Nachruf von Götz Schmidt, Lunapark21, vom 17. April 2021
- ↑ Spiegel Geschichte, 24.08.2023, Wilder Streik bei Ford 1973 »Der brave Gastarbeiter war tot« https://www.spiegel.de/geschichte/wilder-streik-bei-ford-1973-hier-kannst-du-auch-dein-recht-verlangen-a-dfbe4937-44be-4e83-9b7e-1405b6dcb66e; Arbeiterkampf 13.06.1977. S. 48 https://www.mao-projekt.de/BRD/ORG/KB/AK/KB_Arbeiterkampf_1977_106.shtml
- ↑ Caner Tekin, Die Reaktionen türkischer Migrant*innenorganisationen auf den Kölner Ford-Streik von 1973, hier S. 49 ff https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/luxemburg_beitraege/lux_beitr_18_Streiks-1973_web.pdf
- ↑ Kastamonu Gazetesi. Abgerufen am 9. Oktober 2020.
Personendaten | |
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NAME | Targün, Baha |
KURZBESCHREIBUNG | türkischer Journalist und Autor |
GEBURTSDATUM | 1. Mai 1943 |
GEBURTSORT | Istanbul |
STERBEDATUM | 17. Juli 2020 |
STERBEORT | Zonguldak |