Balkansprachbund

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Der Balkansprachbund ist ein Sprachbund in Südosteuropa, also eine Gruppe genetisch nicht näher verwandter Sprachen, die dennoch eine Reihe auffälliger struktureller Gemeinsamkeiten aufweisen.

Zum „Balkansprachbund“ werden Albanisch (das einen eigenen Zweig in den indogermanischen Sprachen darstellt) sowie die südslawischen Sprachen Mazedonisch, Bulgarisch und der torlakische Dialekt des Serbischen gezählt, teilweise auch das Neugriechische und das Rumänische, gegebenenfalls je nach Klassifikation auch das Balkanromanische allgemein.

Die zu diesem Sprachbund gerechneten Sprachen gehören zur indogermanischen Sprachfamilie, stammen aber aus unterschiedlichen Zweigen. Dennoch teilen sie einige Besonderheiten miteinander, die sich erst relativ spät herausgebildet haben und in früheren Sprachstufen wie dem Altgriechischen, dem Latein und dem Altkirchenslawischen noch nicht vorhanden waren.

Am wichtigsten sind folgende Merkmale:

  • der nachgestellte bestimmte Artikel, z. B. „Wolf“ → „der Wolf“: im Rumänischen luplupul, albanisch ujkujku und bulgarisch вълк → вълкът
  • der formale Zusammenfall von Genitiv und Dativ
  • das Fehlen des ererbten Infinitivs
  • das teilweise Ersetzen des Infinitivs nach modalen Hilfsverben durch den Konjunktiv
  • das Futur, das mit dem Verb für „wollen“ umschrieben wird
  • der Schwa-Laut (Rumänisch: ă, Albanisch: ë, Bulgarisch ъ)[1]

Die Bildungsweise der Zahlwörter 11 bis 19 nach dem Muster „eins auf zehn“, „zwei auf zehn“ ist von den slawischen Sprachen übernommen worden, z. B. alban. njëmbëdhjetë, dymbëdhjetë usw. und rumän. unsprezece, doisprezece usw.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten in der Idiomatik, die vor allem auf griechische und türkische Ausdrücke zurückgehen. Das Griechische als Kirchensprache und Kultursprache im Byzantinischen Reich sowie das nicht-indogermanische Türkische als Sprache im Osmanischen Reich sind Einflüsse, die zur Herausbildung dieses Sprachbundes beigetragen haben. Neben dieser Superstrat-Einwirkung werden zur Erklärung der betreffenden sprachlichen Gemeinsamkeiten die gegenseitige sprachliche Beeinflussung durch verbreitete Zwei- und Mehrsprachigkeit in einem ähnlichen kulturellen Milieu herangezogen.[2] Nicht alle Gemeinsamkeiten des Balkansprachbunds sind in allen zugehörigen Sprachen gleichermaßen ausgeprägt. Albanisch, Rumänisch und Mazedonisch teilen besonders viele Merkmale.

  • Wolfgang Dahmen u. a. (Hrsgg.): Südosteuropäische Romania. Siedlungs-/Migrationsgeschichte und Sprachtypologie. Romanistisches Kolloquium XXV. Narr, Tübingen 2012 (Tübinger Beiträge zur Linguistik 532), ISBN 978-3-8233-6740-6.
  • Jack Feuillet: Aire linguistique balkanique. In: Martin Haspelmath, Ekkehard König, Wulf Oesterreicher und Wolfgang Raible (Hrsgg.): Language Typology and Language Universals. An International Handbook. Band 2. Walter de Gruyter, Berlin / New York 2001, S. 1510–1528.
  • Wilfried Fiedler: Einführung in die Balkanphilologie. In: Peter Rehder, Wilfried Fiedler (Hrsg.): Einführung in die slavischen Sprachen. (Mit einer Einführung in die Balkanphilologie). 3., verbesserte und erweiterte Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1998, ISBN 3-534-13647-0, S. 347–364.
  • Harald Haarmann: Balkanlinguistik. Gunter Narr Verlag, Tübingen 1978.
  • Uwe Hinrichs (Hrsg.): Handbuch der Südosteuropa-Linguistik. Harrassowitz, Wiesbaden 1999 (Slavistische Studienbücher NF 10), ISBN 3-447-03939-6.
  • Thede Kahl, Michael Metzeltin, Helmut Wilhelm Schaller (Hrsgg.): Balkanismen heute. LIT-Verlag, Wien / Münster / New York 2012 (Balkanologie 3), ISBN 978-3-643-50388-6.
  • Norbert Reiter: Grundzüge der Balkanologie. Ein Schritt in die Eurolinguistik. Otto Harrassowitz, Wiesbaden 1994.
  • Helmut Wilhelm Schaller: Die Balkansprachen. Eine Einführung in die Balkanphilologie. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 1975.
  • A[ndrej] N. Sobolev (Hrsg.): Malyj dialektologičeskij atlas balkanskich jazykov. Biblion-Verlag, München 2003 (Studien zum Südosteuropasprachatlas 2), ISBN 3-932331-31-1.
  • Georg Renatus Solta: Einführung in die Balkanlinguistik mit besonderer Berücksichtigung des Substrats und des Balkanlateinischen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980, ISBN 3-534-07625-7.

Einzelnachweise

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  1. Arthur Beyrer, Klaus Bochmann, Siegfried Bronsert: Grammatik der Rumänischen Sprache der Gegenwart. VEB Verlag Enzyklopädie Leipzig 1987, S. 16 sprechen in diesem Zusammenhang vom „mittleren Vokal“.
  2. Siehe u. a. Arthur Beyrer, Klaus Bochmann, Siegfried Bronsert: Grammatik der Rumänischen Sprache der Gegenwart. VEB Verlag Enzyklopädie, Leipzig 1987, S. 16 – hier allerdings bemerkenswerterweise unter weitgehender Ausblendung des türkischen und starker Betonung des griechischen Einflusses unter Bezugnahme auf Alexandru Rosetti: Istoria limbii române, Bukarest 1968, S. 208.