Benutzer:Altkatholik62/Prähistorische Rillen auf den maltesischen Inseln
Die Prähistorischen Rillen auf den maltesischen Inseln (englisch cart rut phenomenon) sind parallele Ausschürfungen oder Furchen im Kalkstein, die aus der Frühgeschichte Maltas stammen. Der Hintergrund ihrer Entstehung ist noch unklar. Im Allgemeinen wird heute angenommen, dass sie zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. entstanden, d. h. während der Bronzezeit, deren Beginn auf Malta mit einer Wiederbesiedlung der 500 Jahre zuvor verlassenen Inseln zusammenfällt.
Lage der Fundstätten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Clapham Junction finden sich in der Nähe der Buskett Gardens bei den Dingli Cliffs im Süden der Insel Malta, ferner sind die parallelen Rillen auf Gozo (Il-Bajja tal-Mellieħa, Ras il-Qala, Ta’ Blankas, Ta’ Ċenċ) zu finden. Ihren Verlauf kann man im vegetationsarmen Hochland der maltesischen Inseln an 150 Stellen verfolgen, mitunter über eine Strecke von hunderten von Metern. Diese Anlagen verdanken ihre Bezeichnung dem Umstand, dass sich der Engländer David H. Trump, der über sie berichtete, bei ihrem Anblick an die Anordnung der Gleise im gleichnamigen Bahnhof in London erinnert fühlte.
Gozo hat vier größere Stellen mit solchen Furchen. Östlich von Qala bei Tan-Nemes läuft ein Paar auf einem Sporn, der Fliegu ta ’s Gawdex überblickt. Bei Ta’ Tingi, südlich von Xewkija, liegen mehrere Paare im Olivenhain westlich der Pumpstation. Ein umfangreiches System bedeckt das Ta’-Ċenċ-Plateau, am besten zu sehen zwischen dem Hotel und den Klippen. Diese Furchen laufen in der Nähe von Borġ ta’ I-Imramma vorbei und setzen sich im Osten noch beinahe einen Kilometer weit fort. Ein Paar von Zickzacks liegt auf der Neigung zu den San-Lawrenz-Steinbrüchen. Sie enden an den Klippen über dem früheren Azure Window bei Dwejra Point. Maltesische Fischer und der Historiker D. Bradley wollen sie vor der Zerstörung durch Bombenabwürfe auch auf dem Felseneiland von Filfla gesehen haben, das vor Malta liegt.
Entstehungszeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Da manche der Rillen von phönizischen Grabschächten unterbrochen sind, ist eine Entstehung vor Beginn der phönizischen Besiedlung um 800 v. Chr. anzunehmen. Dafür spricht auch, dass sie auch in der Umgebung einiger neolithischer Tempel vorkommen, namentlich Ħaġar Qim, Mnajdra, Tal-Qadi, Tarxien, Skorba und Borġ l-Imramma. Da sie sich vor bronzezeitlichen Siedlungen (Qala Hill, Misraħ Ghonoq, Wardija ta'San Ġorġ und Borġ in-Nadur) bündeln bzw. darauf zulaufen, ist ihre Entstehung während der maltesischen Bronzezeit (2300–1000 v. Chr.) wahrscheinlich, der eine Wiederbesiedlung des 2500 v. Chr. verlassenen Archipels von Sizilien aus vorausging.[1]
Hypothesen zur Entstehung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Transportsystem
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Routen verlaufen von Tälern über niedrige Pässe in Nachbartäler oder auf Siedlungen zu, als sollten sie Ackerflächen und Speicher miteinander verbinden. Daher besteht die Vermutung, dass die Furchen Teil eines Transportsystems waren, das die Inseln überspannte.[1] Eine Variante dieser Theorie nimmt an, dass das Beförderungsmittel dazu diente, große Kalksteinblöcke zu den Baustellen der megalithischen Tempel zu bringen.[2]
Vorstellbar – und aus weitaus älterer Zeit in West- und Mitteleuropa ebenso nachgewiesen wie Karren und Wagen – sind Stangenschleifen, bestehend aus zwei starr miteinander verbundenen Holzbalken, die von Ochsen gezogen wurden.[1] Am Ende der Balken waren demnach Kufen befestigt (ggf. aus Bronze, denn Holz war auf Malta zu dieser Zeit bereits Mangelware), die die charakteristischen Vertiefungen in den Boden geschürft haben.[2] Die Rillen der Doppelspuren stehen im Durchschnitt 110 cm auseinander, in Biegungen bis zu 130 cm. Sie schneiden bis zu 40 cm tief in den Karst, wobei keinerlei Spuren von Zugtieren vorhanden sind, was ein Problem bei der Karrenspur-Theorie darstellt: Die Hufe der Tiere hätten in einer Zeitspanne, während der derart tiefe Ausschürfungen entstanden, im Gestein ebenso deutliche Spuren hinterlassen müssen.
Auszuschließen ist hingegen der Gebrauch von Schlitten, deren lange Kufen die engen Kurvenradien nicht bewältigen konnten. Neben den einfachen und häufigen parallelen Doppelspuren gibt es auch Gabelungen und Knotenpunkte. Mitunter ist der Boden so stark durchfurcht, dass sie wie die Gleisanlagen moderner Rangierbahnhöfe wirken.[1] Die vielen Rillen, die bei Clapham Junction den Hang hinablaufen und auf halber Höhe von einem Spurenpaar geschnitten werden, sind als Schienen eines Transportsystems kaum vorstellbar, da sie am Meer enden.
Bewässerung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein anderer Erklärungsansatz verweist auf den Umstand, dass der Boden Maltas relativ unfruchtbar ist und an Wasser damals wie heute Mangel herrscht. Mit wachsender Bevölkerungszahl könnte es immer schwieriger geworden sein, die Menschen zu versorgen. Daher könnten umfangreiche Bewässerungsanlagen für die Felder errichtet worden sein. Dem steht entgegen, dass eine weitaus größere Bevölkerung während der Tempelphase keine Wasserversorgung (in dieser Form) benötigte. Neuerdings erhält die Hypothese, es handele sich um ein Bewässerungssystem, wieder Unterstützung.
Weitere Erklärungsversuche
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der maltesische Archäologe Anthony Bonann datiert die Entstehung der Rillen auf das 7. Jahrhundert v. Chr. Ihm zufolge handelte es sich bei den Schleifspuren um Vorrichtungen der Phönizier. Die Menge der Spuren ist jedoch mit dem vergleichsweise geringen Umfang der phönizischen Bautätigkeit auf Malta nicht in Einklang zu bringen.
Ein weiterer Erklärungsansatz bezieht sich auf die Beobachtung, dass die Spuren in den meisten Fällen in Richtung Meer verlaufen. Einige Quellen behaupten sogar, dass die Spuren bis in eine Tiefe von 70 m unter dem Meeresspiegel zu verfolgen seien. Allerdings ist der Kalkstein, der sich unter dem Meeresspiegel befindet, durch Wellengang stark angegriffen, was den Nachweis erschwert. Sollten sich die Spuren tatsächlich bis weit unter die heutige Meeresoberfläche verfolgen lassen, würde dies bedeuten, dass die Spuren viel älter sind, da der Meeresspiegel erst seit etwa 5000 v. Chr. auf das heutige Niveau angestiegen ist.
Ähnliche Spuren außerhalb Maltas
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Derartige Spuren finden sich nicht nur auf Malta und Gozo, sondern auch auf der Abşeron-Halbinsel in Aserbaidschan, auf den Azoren, auf dem Balkan, bei der Anse de St. Croix in Frankreich, in El Padul und Castellar de Meca in Spanien[3], in Süditalien (Agrigent, Matera), sowie auf Sardinien (Su Crucifissu Mannu) und Sizilien. Portugal hat mehrere Beispiele für Wagenspuren, die über die Berge der Serra da Estrela führen.[4] Spurrillen anderer Art (kürzer, aber bis zu fünf parallel) sind die Queseras auf den Kanaren, die ihre Vorbilder in Marokko haben.
Bildergalerien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Clapham Junction
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Parallele Rillen verschiedener Tiefe, die abrupt enden
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Mehrere sich kreuzende Rillen an der Clapham Junction
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Einzelne, besonders tief eingeschnittene Rille
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parallele Rillen, die in einem Busch enden
Rillen auf Gozo
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Schleifspuren an der Westküste von Gozo, ins Meer führend
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Schleifspuren an der Westküste von Gozo
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Schleifspuren auf dem Ta' Ċenċ Plateau (Gozo): Eine Gabelung
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Schleifspuren auf dem Ta' Ċenċ Plateau (Gozo)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- H. S. Gracie: The Ancient Cart-tracks of Malta. In: Antiquity XXVIII (1954) 91.
- R. Parker, M. Rubinstein: Malta Ancient Temples and Ruts. Institute for Cultural Research, Kent 1988.
- Joachim von Freeden: Malta und die Baukunst seiner Megalith-Tempel. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-11012-9.
- Abbas Islamov, Ronnie Gallagher: Cart Ruts and Stone Circles. Key Evidence from the Past Is Endangered. In: Azerbaijan International Magazine. Herbst 2002 (englisch, allgemeiner Artikel über Schleifspuren).
- Gordon E. Weston: The Maltese Cart-Ruts. 2010, ISBN 978-99957-20-68-1.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d David H. Trump: Malta: An Archaeological Guide. Progress Press Co. Ltd, 1991.
- ↑ a b Siehe im Bericht Malta – cart ruts. Observations Carried out by Joseph Magro Conti and Paul C. Saliba. www.angelfire.com
- ↑ Carts in the Iberian Peninsula (mit Bild der Schleifrillen von Castellar de Meca)
- ↑ James Cameron: Atlantis Rising. In: National Geographic (2017)
Koordinaten: 35° 51′ 8,1″ N, 14° 23′ 48,8″ O
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