Benutzer:Bahnhofsralf/Kentler-Experiment

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Das Kentler-Experiment war ein von dem deutschen Psychologen und Sexualpädagogen Helmut Kentler initiiertes und durchgeführtes Projekt, das von den späten 1960er Jahren bis in die 2000er Jahre in Berlin stattfand. Kentler, eine einflussreiche Figur in der Sexualaufklärung und Reformpädagogik, befürwortete und rechtfertigte jahrzehntelang sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen. Im Rahmen des Experiments wurden Kinder und Jugendliche in die Obhut von vorbestraften pädosexuellen Männern gegeben, was zu langjährigem Missbrauch führte.


Die Aufarbeitung dieses Experiments begann etwa 2015 und löste große Empörung in der Öffentlichkeit und Wissenschaft aus. In jüngerer Zeit wurde bekannt, dass Kentler selbst sexuell übergriffig gegenüber den von ihm betreuten Kindern und Jugendlichen wurde. Zudem war das Experiment Teil eines größeren Netzwerks, das bundesweit sexuelle Kontakte zwischen Erwachsenen und Kindern in Pflegeeinrichtungen und Wohngruppen förderte und teilweise organisierte. Dieses Netzwerk umfasste nicht nur Pädagogen, sondern auch Mitarbeiter von Jugendämtern und Sozialarbeitern.

Ein 2023 veröffentlichter Bericht der Universität Hildesheim unter der Leitung der Erziehungswissenschaftlerin Meike Sophia Baader deckte auf, dass das Kentler-Experiment und ähnliche Fälle Teil eines umfassenderen Systems von sexuellen Übergriffen in der Reformpädagogik waren. Der Bericht kritisiert die "Glorifizierung" der männlichen Sozialpädagogen der Heimreform und stellt fest, dass das Experiment von einem Netzwerk aus Wissenschaftlern und Pädagogen ermöglicht wurde, das bis heute Einfluss auf die Erziehungswissenschaft hat.[1]

Der Bericht hebt hervor, dass der Missbrauch nicht als Einzelfall oder als Folge des damaligen Zeitgeists betrachtet werden darf, sondern dass die Verantwortung bei den beteiligten Personen und Institutionen liegt. Die Autoren fordern daher umfassende Konsequenzen, einschließlich der Einführung eines "Rechts auf Aufarbeitung" im Sozialgesetzbuch, um die institutionelle Verantwortung und den Zugang der Betroffenen zu rechtlicher und psychologischer Unterstützung sicherzustellen.

  1. Meike Baader, Nastassia Böttcher, Carolin Ehlke, Carolin Oppermann, Julia Schröder, Wolfgang Schröer: Ergebnisbericht „Helmut Kentlers Wirken in der Berliner Kinder- und Jugendhilfe – Aufarbeitung der organisationalen Verfahren und Verantwortung des Berliner Landesjugendamtes“. Hrsg.: Institut für Sozial- und Organisationspädagogik. Universitätsverlag Hildesheim, Hildesheim 23. Februar 2024, doi:10.18442/134.