Benutzer:Bluete/Erweiterte Lernwelten
Begriff und Grundverständnis
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erweiterte Lernwelten ist der Kernbegriff eines pädagogischen Konzepts, das sich mit der Verknüpfung analoger und virtueller Lernmodelle und Lernpraxen befasst. Die Grundidee fußt auf dem Gedanken, dass Lernen mit Unterstützung des Internets den geschlossenen Lernalltag der klassischen Unterrichtskultur öffnet und diesen zugunsten der Lernenden inhaltlich, sozial und räumlich ausweitet. Die Pädagogik der Erweiterten Lernwelten geht von einem partizipativen Charakter der Lernarrangements aus. Lerntheoretische Bezüge des Konzepts finden sich in der Ermöglichungsdidaktik nach Rolf Arnold, im Konnektivismus nach George Siemens und in der Montessori-Pädagogik. Erweiterte Lernwelten sind nicht als eine Variante des E-Learnings definierbar, sondern als Grundkonzept, das der Praxis der miteinander verwobenen, analog-digitalen Realität entspricht.
Das Konzept wurde von einer Initiativgruppe aus der Erwachsenenbildung im Jahr 2013 in einer ersten Fassung ausgearbeitet, danach von diesem Kreis in weiteren Versionen fortgeschrieben. Der Gruppe gehören Christoph Köck (Hessischer Volkshochschulverband), Nina Oberländer (Bremer Volkshochschule), Mark Stocksmeyer (vhs im Kreis Herford), Joachim Sucker (Hamburger Volkshochschule), Beatrice Winkler (Volkshochschule Karlsruhe) und Stefan Will (vhs Landkreis Fulda) an.
Signifikante Erweiterungen von Lernwelten durch Webaktivitäten lassen sich auf sechs Ebenen beschreiben:
Erweiterung der Lernorte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der klassischen Unterrichtskultur begrenzt in hohem Maße der geschlossene Raum der „Bildung-Einrichtung“ das Lernsetting (Schulgebäude, Klassenzimmer, Kursraum). In Unterschied dazu bietet das Web die Möglichkeit, alle Orte, an denen eine gute Netzanbindung gegeben ist (W-Lan, Funknetz), zu Lernorten zu machen. Dies können (wie bisher) Schulungsräume sein, daneben auch der eigene Arbeitsplatz, das heimische Wohnzimmer, Cafes, Jugendclubs, Altenheime oder auch sogenannte „Co-Learning-Spaces“. Letztere sind dezentrale Lernorte, in denen sich Lerngemeinschaften treffen, um sich von dort aus weiter im Web zu vernetzen. Unterstützt und vorangetrieben wird diese Erweiterung durch den Einsatz mobiler Endgeräte (Tablets, Smartphones), der den kabelfreien Zugang zum Weltwissen ermöglicht.
Erweiterung der Lernzeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Dem synchronen Unterricht in einer analogen Lerngemeinschaft werden durch das Bereitstellen und Nutzbarmachen von webbasierten Lerninhalten asynchrone Unterrichtsbausteine an die Seite gestellt. Das Lernsetting ist weniger zeitgebunden als vormals, z.B. durch den Einsatz von Online-Lernspielen, Videotutorials, Audiodateien oder aufgezeichneten Dialogen.
Erweiterung der Lerninhalte und Curricula
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fixierte und logisch-kausal aufgebaute Lerninhalte und Curricula des analogen Präsenzlernens (Lehrbuch, vorgefasste Unterrichtsmaterialien) werden durch die webbasierte Erschließung des Lernwegs phasenweise aufgebrochen. Weblernen gestaltet sich vorwiegend vernetzend-intuitiv, Lernende „surfen“ durch die Wissensarsenale des Internets und fügen Wissensbausteine sowohl systematisch wie auch in loser Folge neu zusammen. Durch das vernetzende Erschließen der Lerninhalte wird interdisziplinäres Denken gefördert. Erweiterte Lernwelten zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Vorteile der analogen Unterrichtskultur mit denen des Weblernens verbinden. Die Fortschreibung und Veränderung von Curricula und Lernzielkatalogen wird durch den Einsatz von Internetwerkzeugen wesentlich erleichtert.
Personalisierung der Lernwege
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erweitertes Lernen mit dem Web ist als liquider Prozess zu verstehen, bei dem ein Wechsel aus curricularen und frei gestaltbaren Lernbausteinen eine personalisierte „fließende“ Lernumgebung schafft. Diese orientiert sich stärker an individuell gesetzten Lernzielen und Lernwegen als an einer kollektiven Lernstrategie.
Erweiterung der Rolle der Lernbeteiligten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Erweiterten Lernwelten wird den Teilnehmenden die Rolle als Wissensproduzent/-in, Inputgeber/-in und Lerngestalter/-in mindestens phasenweise übertragen. Lernende sind auch Teilgebende, die einen Gutteil ihres Lernwegs selbst steuern: sie finden Lernbausteine im Web und in der analogen Welt, wenden diese in Gruppenarbeit an, entwickeln eigenständig Kursthemen und Aufgaben und verantworten ihren persönlichen Lernfortschritt. Diese Rollen einzunehmen setzt Übungspraxis und Experimentierfreude voraus. „Lehrende“ agieren in diesem Modell als Lernweg-Begleitung. Fachwissen vermitteln zu können wird dadurch nicht obsolet, sondern ist die Grundvoraussetzung für die Rolle des/der Lernbegleiters/-in.
„Glokale“ Vernetzung der Lernbeteiligten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erweiterte Lernwelten bieten die Möglichkeit der hochgradigen Vernetzung mit anderen Lerninteressierten: an konkreten Bildungsorten, in der Region, und weit darüber hinaus. Durch webbasierte (regionale und weltweite) Vernetzung finden sich Gleichgesinnte, die in einer rein analogen Unterrichtsumgebung nicht oder nur mühsam zusammen finden können. Spezifische Interessenslagen (z.B. an seltener unterrichteten Sprachen oder an speziellen Arbeitstechniken) werden auf diese Weise zusammen gebracht und gefördert.
Rezeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In kurzer zeitlicher Abfolge war die Diskussion um Erweiterte Lernwelten Schwerpunkt mehrerer andragogischer Konferenzen. Konzeptionellen Einfluss hatte das Modell auf den ersten vhsMooc im Jahr 2013, sowie einige Monate später auf das erste vhsBarcamp in Köln (Mai 2014). Überregionale Beachtung bekommt das Konzept auf der 10. Fachtagung des W.Bertelsmann Verlages im Oktober 2014 („Perspektive Didaktik – Bildung in erweiterten Lernwelten“).
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eva Klotmann, Christoph Köck, Martin Lindner, Nina Oberländer, Joachim Sucker, Beatrice Winkler (Hrsg.), Der vhsMOOC 2013. Wecke den Riesen auf. Bielefeld: wbv, 2014