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Im Archiv – Kann eine Temperatur kalt sein?
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Wikipedia:Auskunft/Archiv/2023/Woche 33#Kann eine Temperatur kalt sein?
Entwurf eines Beitrags
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Welches Niveau wo? Beim Wort „Sprachniveau“ (11:27, 27. Aug./ →Diff-Link/ @Florian Blaschke) wären wir uns wahrscheinlich wenigstens alle einig: Ein Niveau kann tatsächlich nicht „kälter“ oder „wärmer“ sein als ein anderes.
Ein Niveau wird meist als „niedriger“ oder „höher“ bezeichnet, wenn man es mit einem anderen vergleicht. Das entspricht ganz gut der bildlichen Vorstellung von waagerechten Ebenen in unterschiedlicher Höhe, siehe Niveau (Begriffsklärungsseite). Es gibt aber nicht nur Formulierung „niedriges Niveau“, sondern auch „geringes Niveau“.
Bei Wegen sollte man lieber von einem kurzem und einem langen Weg sprechen, wenn der eine 3 m und der andere 6 m lang ist. Man würde die Wege nicht als „Weg mit niedriger Länge“ und „Weg mit hoher Länge“ bezeichnen; selbst dann nicht, wenn es Messwerte wären. (‑: Auch dann nicht, wenn die Vermessung entlang zweier senkrecht stehender Baumstämme erfolgt wäre. ;‑)
Es gibt kein „hohes Volumen“, aber ein „großes“; dafür gibt es die „hohe Temperatur“, aber keine „große“.
Ein Punkt, warum man gerade bei der Temperatur so viel Wert darauf legt, dass alles an einer vertikalen Skala ausgerichtet wird, könnte die Einheitlichkeit sein. Wenn es immer so gesagt wird:
- „Der Patient hat erhöhte Temperatur!“,
ist es schneller zu verstehen, als wenn jemand stattdessen sagt:
- „Der Patient hat erwärmte Temperatur!“
Und Wikipedia? Wenn das Nachschlagewerk populärwissenschaftlich sein soll, müsste es leichter verstanden werden können, als dass dies bei einem „schwereren Niveau“ der Fall wäre. (‑: Da hab‘ ich doch noch eine Stilblüte gefunden! ;‑)
Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass etwas für die Lesenden verständlicher wird, wenn die Schreibenden zu viel anbieten, was nicht üblich ist.
Neulich habe ich etwas aus der Anfangszeit der Pandemie bei Spekrum.de gefunden, Titel: „Woher kommt die neue Krankheit?“, wobei dazu gegenwärtig zwei Versionen gefunden werden:
- Zum ersten taucht der Abschnitt mit der besagten Überschrift auf der hauptsächlich und vordergründig angezeigte Webseite auf (https://www.spektrum.de/wissen/fragen-und-antworten-ueber-das-neue-coronavirus/1700384#woher-kommt-die-neue-krankheit)
- und zum zweiten gibt es einen Abschnitt mit demselben Titel auf einer verknüpften Seite, die in leichter Sprache formuliert wurde (https://www.spektrum.de/news/wie-schuetzt-man-sich-vor-corona-wichtige-fragen-und-antworten/1713558#woher-kommt-die-neue-krankheit)
Im Abschnitt der vordergründig angezeigten Version wurde ein Tier mit drei verschiedenen Bezeichnungen bedacht: „Pangolin“, „Tannenzapfentier“ und „Schuppentier“, wobei dortselbst meiner Ansicht nach kaum deutlich wird, dass die Wörter Synonyme sind.
Interessanterweise hat die Version in leichter Sprache aber einen zusätzlichen Abschnitt: „Hier werden Fach-Wörter erklärt“ (→). Dort stehen unter „Pangolin“ auch die anderen beiden Bezeichnungen („Schuppen-Tier“, „Tannenzapfen-Tier“).
In der vordergründig angezeigten Version, deren Sprache wohl ungefähr einer populärwissenschaftlichen Darstellung entsprechen soll, gibt es kein Glossar (entsprechend „Hier werden Fach-Wörter erklärt“). Da muss man ggf. also insgesamt zwei bis drei Abschnitte lesen, um mit den verschiedenen Namen zurechtzukommen, wenn man nicht schon vorher weiß, dass „Pangolin“, „Tannenzapfentier“ und „Schuppentier“ synonym gebraucht werden. („Pangolin“ kommt außerdem wohl eher aus dem Englischen; im Deutschen werden die Tiere eigentlich Schuppentiere bzw. Tannenzapfentiere genannt.)
Worauf ich hinauswill, ist, dass bei dem Versuch, Schwieriges mit Leichtem zu erklären, nicht selten noch mehr dazu kommt: Manches ist dann möglicherweise tatsächlich „leicht“, aber anderes ist nur vermeintlich „leicht“.
Bei der COVID-19-Pandemie ist das besonders aufgefallen. Nachdem zu den Ausdrücken einer früheren Seuche, mit den Bezeichnungen SARS für die Krankheit und SARS-CoV für das Virus, weitere Fachausdrücke hinzugekommen waren (bspw. n2019-CoV) oder hinzugekommen sind, bspw. COVID-19 und SARS-CoV-2, gab es eine regelrechte Schwämme von zusätzlichen Bezeichnungen: Manches wurde nur gelegentlich verwendet, bspw. SARS 1 und SARS 2 (selbst Corona 1 und Corona 2 hatte ich einmal im Fernsehen gehört), andere Bezeichnungen haben sich etabliert, bspw. „Covid“ und – im Deutschen häufiger – „Corona“. Da das neue Virus SARS-CoV-2 heißt, wurde aus dem alten Namen SARS-CoV vom „alten“ Virus der neue Name SARS-CoV-1 abgeleitet und dann wurde anfangs, vermutlich um zu zeigen, dass man es sowohl SARS-CoV als auch SARS-CoV-1 nennen kann, manchmal auch „SARS-CoV(-1)“ oder „SARS-CoV[-1]“ geschrieben.
Die Regeln, die von der Politik aufgestellt wurden, um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen, sollten eigentlich von jeder und jedem sofort verstanden werden. Aber ein Muster, welches zur Benennung einer einfachen Regel, nämlich 3G, verwendet wurde, war während der Pandemie bspw. keine besonders geeignete Vorlage dafür, um späteren Regeln plausible Namen zu geben. Bei dem Thema hatte ich einmal mitdiskutiert (zum Archiv: 2021/Woche 45 | zum Abschnitt: 2G, warum die Bedeutung "Geimpft oder Genesen" | zum Beitrag: „ODER oder UND und G“).
Was macht man nun damit, dass man Unterschiede zwischen Umgangssprache, Standardsprache und verschiedenen Fachsprachen hat? Man kann zusätzlich über das Verhältnis von „Nichtfachsprache“ zur Umgangssprache nachdenken – oder über das Verhältnis von Fachsprache zur Umgangssprache.
Es gibt tatsächlich so etwas wie „Mischformen“, denn manche fachsprachlichen Wörter wie bspw. Alphacoronavirus und Betacoronavirus (für zwei Gattungen von Viren) werden auch im fachsprachlichen Kontext bspw. als „Alpha-Coronaviren“, „Beta-Coronaviren“ o. ä. bezeichnet, wenngleich es nicht die offiziellen Bezeichnungen sind. Diese Kommunikationsform könnte man vielleicht „Umgangssprache unter Fachleuten“ nennen. Das wird aber nur dann so gemacht, wenn für andere Fachleute im jeweiligen Kontext eindeutig ersichtlich wird, was gemeint ist.
Schwieriger wird es, wenn Fachsprache in Umgangssprache umgewandelt wird, um sie einem breiteren Publikum zu vermitteln.
Die Virologin Sandra Ciesek hatte bei einem NDR-Podcast in einem Interview (17.11.2020 • →Hören • →Lesen) mal dazu angesetzt, anhand der „Alpha- und Beta-Coronaviren“ etwas erklären zu wollen, worauf die Redakteurin Korinna Hennig „Zwei Familien von Coronaviren ...“ (so habe ich es gehört) einwarf. Dadurch sah sich Sandra Ciesek veranlasst, ihr Anliegen nicht anhand der zwei Gattungen innerhalb der Familie Coronaviridae zu erklären, wie das Wort Familie in der biologischen Systematik definiert wird, sondern einen Vergleich mit den Verwandtschaftsverhältnissen in einer Familie heranzuziehen, wie das Wort Familie im herkömmlichen Sinne verstanden wird:
- „... also die sind nicht die Kernfamilie, sondern die Cousinen dritten Grades oder so.“
Bei dem Interview ist mir aufgefallen, dass gesprochene Sprache ohne visuelle Unterstützung – bspw. durch Abbildungen und schriftliche Stichpunkte – bei manchen Themen ihre Grenzen hat, vor allem dann, wenn es kein Monolog ist, sondern bei einem Dialog mit zeitlicher Begrenzung auch die Themenrichtung angepasst werden muss.
Für dieses Phänomen, dass es auf der einen Seite zwar reine Fachwörter gibt (bspw. Coronaviridae), aber auf der anderen Seite auch solche Wörter, welche in gleicher Form in mindestens zwei sehr verschiedenen Anwendungsbereichen auftreten, scheint es keinen eigenen Begriff zu geben. Als Ersatz für solch einen Begriff, welcher zu fehlen scheint und ein Wort kennzeichnet, das zum einem beim Umgang im fachlichen Kontext auftritt und das zum anderen umgangssprachlich genutzt wird (bspw. „Coronaviren“), ist gelegentlich der Ausdruck „(fach)umgangssprachlich“ im Einsatz.
In einem fachsprachlichen Kontext sind Coronaviridae und „Coronaviren“ oft Synonyme und umgangssprachlich ist das Wort „Coronaviren“ aber eher ein Homonym, da Umgangssprachliches nicht eindeutig definiert wird und verschiedene Menschen dadurch ggf. verschiedene Bedeutungsinhalte zuordnen – je nachdem, was man dazu weiß, glaubt oder denkt.
Bei den beiden Wörtern „Coronaviren“ und „Familien“ fällt auf, dass man im Zusammenhang mit einer Studie zur Immunität anfangs eher an untersuchte Familien bei Menschen denkt als an die „Familie der Coronaviren“. Wenn man dann zur Erklärung zwei Gattungen von Viren mit zwei kleinen Familien von Menschen vergleicht, die in einer größeren Familie entfernt verwandt sind, wobei diese wiederum einer Familie von Viren gleicht, läuft man Gefahr, dass die verschiedenen Bedeutungen vom Wort „Familie“ von Zuhörenden oder Lesenden durcheinander gebracht werden könnten.
Ist diese Gefahr, dass etwas anders verstanden wird als ursprünglich gemeint, bei der Kollokation von „kalt“ und „Temperatur“ eigentlich auch gegeben? Vielleicht nicht in dem Maße, wie das bei den oben genannten Beispielen der Fall ist. Aber auch hier besteht die Frage, ob die Wikipedia besser zu verstehen ist, wenn sie als „ein populärwissenschaftliches Medium“ (11:27, 27. Aug.) zusätzlich zu den „niedrigeren“ oder „geringen Temperaturen“ usw. auch die „kälteren Temperaturen“ usw. bietet.
Das Problem bei einem entsprechenden Versuch – nämlich richtige populärwissenschaftliche Angaben zu machen – ist, dass bei solch einem Vorhaben das Wissenschaftliche – also bspw. die komplizierten Zusammenhänge – und das Populäre – also die Verständlichkeit für ein breites Publikum – zusammengebracht werden müssen. Wenn jemand etwas im wissenschaftlichen Sinne sehr gut verstanden hat, dies aber nicht einfach und anschaulich ausdrücken kann, wird es am Ende nicht wirklich populärwissenschaftlich dargestellt. Und wenn jemand anders allgemein Talent dafür besitzt, Dinge anschaulich und in guter Sprache rüberzubringen, aber im konkreten Fall die komplizierten Zusammenhänge nicht verstanden hat, wird sehr wahrscheinlicher weder eine wissenschaftliche noch eine populärwissenschaftliche Darstellung zum Thema gelingen.
Wir können es in der Wikipedia kaum festlegen und sagen, ...
Ende
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MfG
- Ich möchte hier mal kurz meine sprachwissenschaftliche Kompetenz einbringen: Anders als hier mehrmals insinuiert, ist Fachsprache nicht dasselbe wie Standardsprache (und Nichtfachsprache auf keinen Fall identisch mit Umgangssprache), und selbst wenn eine Formulierung fachsprachlich inkorrekt wäre (was in diesem Fall noch nicht einmal bewiesen ist), könnte sie dennoch standardsprachlich korrekt sein (was in diesem Fall ganz sicher der Fall ist – ansonsten würden die Standardsprache beschreibende Werke die Formulierung explizit als inkorrekt bezeichnen). Derartige Stilfragen gehen über die eigentliche Sprachstandardisierung hinaus.
- Wikipedia ist noch nicht einmal eine Fachpublikation, sondern ein populärwissenschaftliches Medium und vom Sprachniveau her durchaus mit Zeitungen zu vergleichen. Angesichts dieser Punkte ist ein solcher Dogmatismus, wie er von einigen hier vertreten ist, mindestens fragwürdig. --Florian Blaschke (Diskussion) 11:27, 27. Aug. 2023 (CEST)
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Das Interview vom 17.11.2020 gibt es als Audio zum Hören und als PDF zum Nachlesen (Audio – „Das Coronavirus-Update von NDR Info“, Folge Nr. 65 „Die Löcher im Käse“: • ...audio781160.html | PDF – aufgeschrieben durch den NDR: • .../coronaskript244.pdf)
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Andersherum wird es wohl niemand wollen, das hoffe ich zumindest. („Andersherum“ hieße, dass die „niedrigeren Temperaturen“ usw., die bisher das Übliche sind, durch die „kälteren Temperaturen“ usw. ersetzt werden sollten).