Benutzer:Erich Mustermann/Negativlisten (Predatory Publishing)

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Im Zuge der Auseinandersetzung mit Predatory Publishing wurden von verschiedenen Stellen Negativlisten entwickelt, welche die Identifikation von betrügerischen Akteuren vereinfachen sollen. Im Visier stehen dabei grundsätzlich wissenschaftliche Zeitschriften und deren Verlage sowie wissenschaftliche Konferenzen und deren Anbieter; allerdings sind diesbezügliche Konferenzen bislang deutlich seltener untersucht worden als Zeitschriften.[1]

In der Praxis der Bewertung hat sich gezeigt, dass eine eindeutige Klassifizierung im Einzelfall schwierig sein kann, da manche Anbieter in einer Grauzone operieren.[2][3] Eine vergleichende Studie zwischen eingesetzten Negativ- und Positivlisten zur Erkennung bzw. Vermeidung von Predatory Publishing kam zudem zu dem Ergebnis, dass es aufgrund unterschiedlicher Qualitätskriterien und deren Gewichtung sowohl bei Zeitschriften als auch bei Verlagen zu Überschneidungen kommt, d.h. es gibt Akteure, die sowohl in Positiv- als auch in Negativlisten geführt werden.[4] Eine generelle Schwierigkeit besteht in der Unübersichtlichkeit eines dynamischen, wachsenden Marktes. Die Zahl der Verlage und Zeitschriften wächst beständig, Übernahmen und Umbenennungen verkomplizieren das Bild zusätzlich.[5]

Jeffrey Beall (2005)

Die erste und immer noch bekannteste Negativliste ist die Beall's List. Sie wurde vom US-amerikanischen Bibliothekar Jeffrey Beall von der University of Colorado Boulder (CU Boulder) entwickelt, der mit ihr den Begriff des predatory publishing begründete und prägte. Seine ab Ende 2008 gesammelten Erkenntnisse über fragwürdige Anbieter im wissenschaftlichen Publikationswesen veröffentlichte er erstmals 2010 als list of questionable publishers auf seiner Website Scholarly Open Access.[6] Im Laufe der Zeit kamen weitere Listen hinzu aus den Bereichen Zeitschriften (standalone journals list, hijacked journals list) sowie gefälschten Metriken (misleading metrics list). Wie der Name seiner Website vermuten lässt, lag sein Fokus dabei hauptsächlich auf Anbietern aus dem Bereich des Open-Access.

Ungeachtet der Tatsache, dass es sich um mehrere Listen handelte, wurde allgemein von der Beall's List gesprochen. Bealls Liste wurde rege genutzt, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass viele Universitäten ihren Gelehrten die Liste zur Orientierung empfahlen.[7] Gleichzeitig blieb sie dabei stets umstritten. Neben Kritik aus der Fachwelt wurden ihm auch Schadensersatzklagen angedroht, beispielsweise von der Omics Publishing Group[8]. Im Januar 2017 wurde Beall's Website sowie seine Personenseite an seiner Fakultät vom Netz genommen, was zu zahlreichen Spekulationen führte.[9] Leonid Schneider vermutete, dass die Auseinandersetzung Bealls mit den Herausgebern der Frontiers Journal Series ausschlaggebend für seinen Rückzug war.[10] Diese hatten die CU Boulder über ein Jahr lang dazu gedrängt, ein Verfahren wegen wissenschaftlichem Fehlverhalten gegen ihren Mitarbeiter Beall einzuleiten. Die schließlich seitens der Universität durchgeführte Untersuchung verlief ergebnislos und hatte keine Folgen für Beall, der seine Website dennoch abgeschaltet ließ.[11]

Graham Kendall identifizierte Beall's Liste vier Jahre nach deren Abschaltung weiterhin als zentrale Ressource zur Erkennung von Predatory Publishing. Die Kritik an ihr bzw. ihrem Urheber fasste er wie folgt zusammen:.[7]

Methodologische Schwächen

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Die Kriterien für eine Aufnahme in die Liste waren wenig transparent und wurden überhaupt erst 2015 veröffentlicht. Definierte Mindeststandards und deren Gewichtungen blieben unklar. Insbesondere unerfahrene neue Verlage standen unter Verdacht. Zudem gab es keinen etablierten Mechanismus zur Streichung aus der Liste nach erneuter Evaluation. Wo dies vereinzelt geschah, wie z.B. im Fall von MDPI, blieb der Vorgang undurchsichtig. Ein weiterer Kritikpunkt lautete, dass Beall allleinverantwortlich über die Aufnahme in die Liste entschied (was schwerwiegende Folgen für die Betroffenen nach sich ziehen konnte) und sich dabei eher von seiner Intuition als von einer wissenschaftlichen Datenbasis habe leiten lassen. Bezüglich der Genauigkeit von Bealls Methoden stellte Bohannon 2013 in seinem Experiment fest, dass immerhin ein Fünftel der von ihm untersuchten Zeitschriften von Bealls Liste seinen gefälschten Artikel abgelehnt und sich damit zumindest in diesem Fall wissenschaftlich korrekt verhalten haben.[12]

Vorurteile gegenüber Open Access

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Bealls Prägung des Begriffes Predatory Publishing ist untrennbar mit dem Phänomen des Open Access verbunden und impliziert auf seine Weise, dass Open Access per se betrügerisch ist dahingehend, dass in diesem Geschäftsmodell entgegen der regulären Praxis des Peer-Review gegen Geld alles gedruckt werden kann. Diese einseitige Sicht verstellt den Blick darauf, dass es durchaus auch Zeitschriften etablierter herkömmlicher Verlage gibt, denen es an entsprechenden Qualitätsstandards mangelt. In diesem Zusammenhang wird z.B. auf Medical Hypotheses von Elsevier verwiesen.

Diskriminierung von Entwicklungsländern

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Beall wurde mehrfach vorgeworfen, gegenüber Verlagen aus Entwicklungsländern voreingenommen zu sein und diese weniger objektiv zu bewerten, insbesondere solche aus Indien, China und Nigeria[13].

Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit

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Den Begriff predatory, also "räuberisch" wird von manche Autoren als "belasteter und abwertender Begriff" („loaded and pejoreative term“) und damit als Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit empfunden, da das Veröffentlichen in als predatory markierten Zeitschriften Ruf und Karriere der betroffenen Autoren schädigen kann. Dies wird als besonders problematisch angesehen, wenn die Markierung erst nach der Veröffentlichung stattgefunden hat. Der Zeitpunkt der Aufnahme in die Liste wurde allerdings von Beall nicht dokumentiert.

Cabell's Predatory Reports

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Auf dem Jahrestreffen 2017 der Society for Scholarly Publishing, einer internationalen Gesellschaft zum Thema wissenschaftliches Publizieren, stellte die Firma Cabell's Scholarly Analytics ihr neues Produkt Cabells' Blacklist vor, welches im Juni 2020 in Predatory Reports umbenannt wurde.[14][15] Bei diesem – im Gegensatz zu Bealls Ansatz – kostenpflichtigen Service handelt es sich streng genommen nicht um eine Liste sondern um eine Datenbank. (Ergänzend bietet das Unternehmen mit Journalytics eine weitere Datenbank im Sinne einer Positivliste an).

In Reaktion auf die Kritik an der Beall's List bezüglich mangelnder Objektivität und Transparenz beschäftigt Cabells ein mehrköpfiges Team und nutzt einen ausführlichen Kriterienkatalog, der regelmäßig evaluiert werden soll. [16] Die versionierte Kriterienliste umfasst in ihrer aktuell gültigen Form (Stand 13. März 2019) über sechzig Indikatoren, welche sich auf acht Kategorien (Integrity, Peer review, Website, Publication practices, Indexing & metrics, Fees, Access & copyright, Business practices) verteilen; eine Gewichtung wird durch Zuweisung eines Schweregrads (Severe, Moderate, Minor) realisiert.[17] Ergebnisse werden dabei nicht für Verlage, sondern für die einzelnen Zeitschriften ermittelt[14] und geben jeweils an, wie viele Verstöße gegen die Kritieren vorliegen und welcher Art sie sind. Dabei wird jeweils das Datum der Überprüfung sowie die zugrunde gelegte Version des Kriterienkatalogs protokolliert. Herausgeber können einmal jährlich in einem geregelten Verfahren gegen die Ergebnisse Einspruch erheben und eine Neubewertung erwirken.[17]

Cabell's Predatory Reports wurden generell positiv aufgenommen. Die an ihr geäußerte Kritik betont in der Regel, dass der Service wertvoll sei aber verbesserungswürdig. Anderson bemängelt in erster Linie, dass Cabell's Zeitschriften von niedriger Qualität mit solchen, die betrügerische Absichten haben, in einen Topf wirft.[14] Eine datengetützte Analyse fand heraus, dass mindestens ein Viertel gelisteten Zeitschriften solche ohne eine einzige Ausgabe sind; darüber hinaus wurden in der Datenbank vielerlei Fehler entdeckt, z.B. doppelte Einträge, Mehrfachzählung der selben Kriterienverletzung oder fehlerhafte Angabe der Version des Kriterienkatalogs. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass eine Behebung dieser Fehler unerlässlich sei, um aus Cabell's Blacklist ein nützliches und verlässliches Werkzeug der Wissenschaftskommunikation zu machen.[18]

  • Im Internet ist die Beall's List bei verschiedenen anonymen Anbietern weiterhin abrufbar, einige davon führen auch Aktualisierungen durch.[19][20]
  • Seit 2020 gibt die NPO Kscien aktualisierte Listen nach dem Prinzip Bealls heraus.[21] Ihre Ziele bestehen darin, Bealls Listen aktuell zu halten und damit die entstandene Lücke nach Bealls Rückzug zu schließen sowie weitere Forschung zum Thema zu betreiben und damit solidere Kriterien zu entwickeln.[22]
  • Im September 2021 hat das Norwegian Register for Scientific Journals, Series and Publishers, welches im Auftrag des norwegischen Ministeriums für Bildung und Forschung wissenschaftliche Zeitschriften und Verlage evaluiert, für zweifelhafte und somit potentiell 'räuberische' Zeitschriften die Kategorie X eingeführt.[23][24]
  • Beall’s List of Predatory Publishers 2017. Jeffrey Beall, archiviert vom Original am 3. Januar 2017; (Archivierte Version von Bealls Website kurz vor der Abschaltung).
  • Beall's List of Potential Predatory Journals and Publishers. [anonym]; (Kopie von Bealls Liste (Stand 31.12.2016) incl. Updates von unbekannter Seite (Stand 8.12.2021)).
  • Cabell's International. Cabell Publishing Co.; (kostenpflichtiges Angebot von Cabells).
  • The source: Insights into academic and predatory journals, research, funding initiatives and more from the world of scholarly publishing. Cabell Publishing Co.; (Blog von Cabells).
  • Graham Kendall, Simon Linacre: Predatory Journals: Revisiting Beall’s Research. In: Publishing Research Quarterly. 2022, doi:10.1007/s12109-022-09888-z.
  • Panagiotis Tsigaris, Jaime A. Teixeira da Silva: Why blacklists are not reliable: A theoretical framework. In: Journal of Academic Librarianship. Band 47, Nr. 1, 2021, doi:10.1016/j.acalib.2020.102266.
  • Michaela Strinzel, Anna Severin, Katrin Milzow, Matthias Egger: Blacklists and Whitelists To Tackle Predatory Publishing: a Cross-Sectional Comparison and Thematic Analysis. In: mBio. Band 10, Nr. 3, 2019, doi:10.1128/mBio.00411-19.

Einzelnachweise

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  1. Diane Pecorari: Predatory Conferences: What Are the Signs? In: Journal of Academic Ethics. Band 19, 3. Mai 2021, Abstract, S. 343, doi:10.1007/s10805-021-09406-4: „Like predatory journals, predatory conferences are a growing part of the academic landscape, but unlike their journal counterparts, to date predatory conferences have not been extensively investigated, and many unanswered questions about their workings exist.“
  2. Stefan Schmeja: Was ist Predatory Publishing? In: TIB BLOG. Technische Informationsbibliothek, 26. Juli 2018, abgerufen am 23. Juli 2022: „Es gibt auch keine scharfe Trennlinie zwischen “guten” und “bösen” Zeitschriften, sondern eine große Grauzone. Nicht jede Zeitschrift, die niedrigere Qualitätsstandards hat, verfolgt betrügerische Absichten. Auch etablierte Wissenschaftsverlage haben neben ihren Flaggschiffen minderwertige Zeitschriften im Portfolio.“
  3. Jaime A. Teixeira da Silva: Academic Librarians and Their Role in Disseminating Accurate Knowledge and Information about the Gray Zone in Predatory Publishing. In: New Review of Academic Librarianship. 21. Februar 2022, doi:10.1080/13614533.2022.2039242.
  4. Michaela Strinzel, Anna Severin, Katrin Milzow, Matthias Egger: Blacklists and Whitelists To Tackle Predatory Publishing: a Cross-Sectional Comparison and Thematic Analysis. In: mBio. Band 10, Nr. 3, 2019, doi:10.1128/mBio.00411-19: „Overall, the results show that there is overlap of journals and publishers between blacklists and whitelists. Lists differ in their criteria for quality and the weight given to different dimensions of quality. Aspects that are central but difficult to verify receive little attention.“
  5. Cenyu Shen & Bo-Christer Björk: ‘Predatory’ open access: a longitudinal study of article volumes and market characteristics. In: BMC Medicine. 2015, doi:10.1186/s12916-015-0469-2.
  6. Cynthia Pasquale: Five questions for Jeffrey Beall. Auraria librarian shines light on shady academic publishers. University of Colorado Boulder, 11. Juni 2014, abgerufen am 26. Juli 2022.
  7. a b Graham Kendall: Beall’s legacy in the battle against predatory publishers. In: Learned Publishing. Band 42, Nr. 3. Wiley, 18. Februar 2021, S. 379–388, doi:10.1002/leap.1374.
  8. Jake New: Publisher Threatens to Sue Blogger for $1-Billion. In: The Chronicle of Higher Education. 15. Mai 2013, abgerufen am 26. Juli 2022.
  9. Why did Beall’s List of potential predatory publishers go dark? In: Retraction Watch. 17. Januar 2017, abgerufen am 26. Juli 2022.
  10. Leonid Schneider: Frontiers: vanquishers of Beall, publishers of bunk. In: forbetterscience.com. 18. September 2017, abgerufen am 26. Juli 2022.
  11. Paul Basken: Why Beall’s List Died — and What It Left Unresolved About Open Access. In: The Chronicle of Higher Education. 12. September 2017, abgerufen am 28. Juli 2022.
  12. John Bohannon: Who's Afraid of Peer Review? In: Science. Band 342, Nr. 6154, 4. Oktober 2013, S. 60–65, doi:10.1126/science.342.6154.60: „The results show that Beall is good at spotting publishers with poor quality control: For the publishers on his list that completed the review process, 82% accepted the paper. Of course that also means that almost one in five on his list did the right thing—at least with my submission.“
  13. Stephen Gichuhi Kimotho: The storm around Beall’s List: a review of issues raised by Beall’s critics over his criteria of identifying predatory journals and publishers. In: African Research Review. Band 13, Nr. 2, S. 1–12, doi:10.4314/afrrev.v13i2.1: „The fact that Beall was profiling and perhaps condemning journals and publishing firms from developing economies was not a secret and himself, he was not shy of talking about it. [...] ‘Look, when I discover a new publisher from Nigeria, I admit I am more suspicious than I would be were the publisher from, for example, the Vatican.‘“
  14. a b c Rick Anderson: Cabell’s New Predatory Journal Blacklist: A Review. In: The scholarly kitchen. Society for Scholarly Publishing, 25. Juli 2017, abgerufen am 30. Juli 2022.
  15. Mike Bisaccio: Announcement regarding brand-wide language changes, effective immediately. Cabells, 8. Juni 2020, abgerufen am 30. Juli 2022.
  16. Andrew Silver: Pay-to-view blacklist of predatory journals set to launch. In: Nature. 31. Mai 2017, doi:10.1038/nature.2017.22090.
  17. a b Lucas Toutloff: Cabells Predatory Reports Criteria v 1.1. Cabells, 20. März 2019, abgerufen am 30. Juli 2022.
  18. Christophe Dony, Maurane Raskinet, François Renaville, Stéphanie Simon, Paul Thirion: How reliable and useful is Cabell's Blacklist ? A data-driven analysis. In: Liber Qaurterly. Band 30, Nr. 1, 2020, doi:10.18352/lq.10339.
  19. Beall’s List of Predatory Publishers 2016. In: scholarlyoa.com. 30. Mai 2019, abgerufen am 28. Juli 2022 (Die ursprünglich von Beall benutzte Domain wurde im April 2018 verkauft.).
  20. Beall's List of Potential Predatory Journals and Publishers - Update. Abgerufen am 28. Juli 2022.
  21. Predatory Publication. In: https://kscien.org. Abgerufen am 28. Juli 2022.
  22. Fahmi H.Kakamad et al.: Kscien's list; a new strategy to discourage predatory journals and publishers. In: International Journal of Surgery Open. Band 23, 2020, ISSN 2405-8572, S. 54–56, doi:10.1016/j.ijso.2019.11.001.
  23. Norwegian Register for Scientific Journals, Series and Publishers. Norwegian Directorate for Higher Education and Skills, abgerufen am 28. Juli 2022: „We have introduced a new level, level X. If we are in doubt about the scientific quality of a journal or publisher, we will put them at level X. The journals and publishers are then up for discussion and scholars can contribute with their comments.“
  24. Fredrik Jutfelt: The Norwegian system for classifying scientific publishing introduces "level x" for predatory or questionable journals. In: Twitter. 18. Oktober 2021, abgerufen am 28. Juli 2022.