Benutzer:Flavalon/Antisemitismusdebatte Karl von Rotteck

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Symbolträchtig: Das Denkmal Karl von Rottecks vor der Universität kehrt dem Platz der alten Synagoge den Rücken

In der Antisemitismusdebatte über Karl von Rotteck ging es um die Frage, ob Rotteck aufgrund seiner Rolle in den Judendebatten von 1831/33 und seiner negativen Einstellung im Bezug auf die Judenemanzipation als Namenspatron geeignet sei.

Antisemitismusvorwürfe

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Im November 2001 beschloss der Freiburger Gemeinderat auf Vorschlag von Oberbürgermeister Rolf Böhme (SPD), eine „Carl-von-Rotteck-Medaille“ einzuführen. Die Auszeichnung unterhalb der Ehrenbürgerwürde sollte für hervorragende Verdienste um das Gemeinwohl verliehen werden. Daraufhin regte sich schnell Widerstand, da sich Rotteck gegen Staatsbürgerrechte für Juden ausgesprochen hatte. Nach einer Stellungnahme des früheren Studioleiters des Südwestfunks Wolfgang Heidenreich in der Badischen Zeitung[1] entwickelte sich die Auseinandersetzung bald zu einem Historiker- und Publizistenstreit. Neben zahlreichen Historikern[2], unter anderen auch Prof. Hermann Klenner, sprach sich auch die Universität Freiburg ausdrücklich für die Einführung der Rotteck-Medaille aus. In der Gemeinderatsitzung vom 13. November 2001 distanzierte sich Böhme von Rottecks antisemitischem Standpunkt, hielt aber an der Einführung der Medaille fest.[3] Einziger Träger der Medaille blieb bis heute der einstige Freiburger Sozialbürgermeister Hansjörg Seeh. Seit 2010 wird die Auszeichnung mit einer Medaille vorgenommen, die nicht mehr nach Rotteck, sondern nach Gertrud Luckner benannt ist.[4] Die neue Ehrenordnung wurde am 18. November 2010 vorgestellt.

Judendebatten von 1831/33

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Das Konstitutionsedikt von 1809 hatte die Situation der Juden in Baden erheblich verbessert. Im Jahre 1815 erfolgte die Aufhebung sämtlicher Schutzgelder, doch nur drei Jahre später schränkte die Einführung der badischen Verfassung das passive Wahlrecht der Juden und ihren Zugang in den Staatsdienst ein. In den Judendebatten von 1831 und 1833 des badischen Landtages wurde erneut über eine staatsbürgerliche Gleichstellung diskutiert. In der Landtagsdebatte vom 3. Juni 1831 wandte sich Rotteck mit Nachdruck gegen eine Beschränkung der durch Verfassung und Gesetz den Juden zugesicherten Rechtsgleichheit (Freiheit der Person, Recht des Eigentums, der Vererbung, des Gewerbes), doch trat er sowohl 1831 als auch 1833 als Wortführer einer Majorität auf, die die volle Judenemanzipation ablehnte. Diese sollte von der Verlegung des Sabbats, der Aufhebung der Speisegesetze, dem Verzicht auf das Hebräische und der Reinigung des Talmuds von „staatsfeindlichen Tendenzen“ abhängig gemacht werden.[5] Carl Theodor Welcker unternahm 1833 einen weiteren Vorstoß, die bürgerliche Gleichstellung der badischen Juden durchzusetzen, er scheiterte jedoch nicht zuletzt am Widerstand seines Freiburger Kollegen Rottecks. Zwar änderten die Judendebatten von 1831 und 1833 nichts an den bestehenden Rechtsverhältnissen, doch sprachen sich 1833 immerhin neun Deputierte für eine umgehende Judenemanzipation aus.[6]

Rottecks Standpunkt

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Rotteck selbst verabscheute jegliche Art von Orthodoxie. Nach seiner Auffassung stand sie der Aufklärung und deren liberalen Ideen entgegen. Dies führte zu seiner Ansicht, Juden seien keine mündigen Staatsbürger. In den Judendebatten der badischen 2. Kammer hatte er deutlich gemacht, dass die Judenemanzipation keineswegs eine zentrale Forderung liberaler Politik sein müsse, sondern dass sie dieser Politik sogar im Wege stünde. Die Vorbehalte gegen die jüdische "Nation" waren fest in Rottecks politischem Weltbild verankert. Bereits 1815 hatte er in seiner Allgemeinen Weltgeschichte dem Judentum attestiert, es habe sich selbst überlebt.[7] Die Niederlage gegen die Römer ist nach Rotteck vor allem dem „blinden Eifer“ und den „toten Formen“ der Juden zuzuschreiben. Die Judenverfolgungen des Mittelalters beschrieb er zwar als äußerst grauenvolle Ereignisse einer dunklen Epoche, doch seien diese auf „Ungerechtigkeiten, bösen Wucher und Habgier“ zurückzuführen. Als Karl Steinacker 1837 im fünften Band des Staatslexikons die umgehende bürgerliche Emanzipation der Juden verwirklicht sehen wollte, distanzierte sich Rotteck in einem Nachsatz ausdrücklich von dieser Forderung.[8] Rottecks Handeln stützte sich auf die Überzeugung, dass die Vernunft einen einheitlichen und zivilisierten Menschen herausbilde. Zur Zeit Rottecks galt eine Judenemanzipation in weiten Teilen der Bevölkerung als unpopulär. Als Liberaler war Rotteck vor allem ein Vertreter des Mittelstandes, viele Vorurteile waren somit auch ökonomisch motiviert. So hieß es in einer Petition gegen die Freizügigkeit der Juden aus Freiburg, welches seit dem Jahr 1424 judenfrei gewesen war: Wir werden zum Judennest.[9]

Differenzierung des Rotteck Bildes

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Bis heute wird Rottecks herausragende Rolle als Vorkämpfer des Liberalismus immer wieder hervorgehoben, doch war er keine Heiligengestalt, seine Werke und sein praktisches Handeln enthalten Widersprüche. Dies betrifft nicht nur sein klischeehaftes Bild von den Juden, auch von einer politischen Beteiligung der Frauen hielt er wenig und für Religiosität und Frömmigkeit brachte er kaum Verständnis auf. Rottecks Motive für seine Haltung in der Judenfrage sind komplex, doch haben sie nichts mit rassenideologischem Antisemitismus zu tun. Ein differenziertes Rotteck-Bild zeigt keine Grimasse, aber auch keine Ikone. Rotteck war durchaus von seiner Zeit geprägt, sein Handeln im Bezug auf die Judenfrage ist im Kontext der Zeitströmung zu verstehen, womit es aber nicht gerechtfertigt ist. Rottecks Lebensleistung ist hingegen unbestritten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges berief sich unter anderem auch Theodor Heuss auf ihn, als einen politischen Historiker, dessen Geschichtsdarstellung der politischen Willensbildung diente.

Einzelnachweise

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  1. Wolfgang Heidenreich: Carl und Moses. In: Badische Zeitung. Ausgabe 15.12.01
  2. Wolfgang Hug: Kenner oder Ignoranten? In: Badische Zeitung. Ausgabe 9.01.02
  3. Rolf Böhme: Einführung der Carl von Rotteck-Medaille
  4. Uwe Mauch: Neue Ehrenordnung der Stadt Freiburg
  5. Heiko Haumann:Wir waren alle ein klein wenig antisemitisch. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte. Band 55, Schwabe 2005
  6. Rüdiger von Treskow: Erlauchter Vertheidiger der Menschenrechte. S. 161
  7. Karl von Rotteck: Allgemeine Geschichte vom Anfang der historischen Kenntniss bis auf unsere Zeiten. Band 3. S. 58
  8. Karl von Rotteck: Staats-Lexikon. Encyklopaedie der Staatswissenschaften. Band 5. S. 52
  9. Heinrich Schwendemann, 22. Februar 1424 – Die Juden werden aus der Stadt vertrieben in der Vortragsreihe Auf Jahr und Tag, Freiburgs Geschichte im Mittelalter, 2013