Benutzer:Fossa/Gerichtsurteile

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Immer wieder werden als Belege für gesellschaftlich relevante Lemmata Gerichtsurteile angegeben. Das ist aus mehreren Gründen in der Regel, das heißt, wenn bessere (journalistische oder wissenschaftliche) Quellen existieren, nicht sinnvoll:

Normativität und sozio-kulturelle Gebundenheit von Gerichtsurteilen

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Gerichte haben nicht (!) die Aufgabe „neutrale“ Urteile zu erstellen. Au contraire, sie sollen die politisch (!) gesetzten Normen eines Rechtssystems verbindlich anwenden. Dies tun sie in Nordkorea genauso wie in Österreich, zur Zeit des Nationalsozialismus genauso wie in der Dritten Republik. Gerichtsurteile sind also historisch, das heißt sozio-kulturell gebunden und ihrem Wesen nach normativ,[1] eine Enzyklopädie will aber universalistisch sowie „neutral“, eben nicht normativ, sein. Dass manche, halbwegs demokratisch zustandegekommenen Rechtssysteme den meisten lieber sind als das Ancien Regime tut dabei wenig zur Sache: Sicher lebt man als EU-Bürger in der Bundesrepublik Deutschland rechtlich ganz angenehm, aber das tut nichts zur Sache der Normativität: Auch genehmere Normen bleiben Normen.

Rechtswissenschaft

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Wissen wie es in Enzyklopädien üblicherweise dargestellt wird, wird von den Wissenschaften geschaffen. Die Erkenntnisse dieser Wissenschaften werden in wissenschaftlichen Publikationen delibriert. Dazu gehören Gerichtsurteile nicht: Gerichtsurteile fußen auf rechtswissenschaftlichen Erkenntnissen (oder versuchen dies zu tun) genauso, wie Ärzte die Erkenntnisse der Medizin umsetzen (oder dies versuchen), sie sind aber selber keine wissenschaftlichen Quellen.

Apropos Rechtswissenschaft

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Man sollte es kaum glauben, aber Jura ist kein Ungelerntenberuf, sondern ein volles akademisches Studium: Die Interpretation von Rechtsnormen wie Gerichtsurteilen unterliegt speziellen Vorgehensweisen, die nicht jeder ausüben kann. Die Interpretation eines Urteils verlangt rechtswissenschaftliche Fachkenntnisse, die die meisten hier nicht haben, und derer Vorhandensein auch nicht innerwikipedianisch geprüft werden kann.

Rechtsbegriffe und Alltagsbegriffe

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Das dumme an Gerichten ist, dass sie sich mit Phänomenen des Alltags, z. B. Kaugummipapier, Mercedes-Benz, Antisemitismus und so genannten Sekten, auseinandersetzen müssen und auf diese ihre Rechtsbegriffe anwenden. Richter und Anwälte sind aber „bloß“ Experten für Rechtsbegriffe. Im deutschen Recht sind Kaugummi etc. keine Rechtsbegriffe, also ist die Meinung von Juristen gänzlich irrelevant. Religion ist auch ein deutscher Rechtsbegriff, Sekte ist keiner. Volksverhetzung ist ein deutscher Rechtsbegriff, Antisemitismus nicht. Die Meinung von Juristen wie Rechtswissenschaftlern zu solchen Begriffen ist also völlig unerheblich. Siehe auch: Subsumtion

  1. Auch Wissenschaft ist selbstredend sozio-kulturell gebunden, aber aber zumindest Teile ihrer streben nicht bewusst danach, bestimmte Normen umzusetzen.