Benutzer:Gopfried Keller/Artikel Mohammed (Abschnitt Europa)

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Darstellung Mohammeds in Europa

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„Es gibt wohl kaum eine Gestalt der Weltgeschichte, die im christlichen Abendland über lange Zeit so negativ dargestellt, dann aber ebenso überschwenglich gelobt worden ist wie Mohammed.“

Hartmut Bobzin[1]

Negative Darstellungen

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Illustration aus der Biographie Mohammeds von Humphrey Prideaux, veröffentlicht 1699. Das Bild zeigt Mohammed mit einem Schwert und einem Halbmond in der Hand, während er auf einen Globus, ein Kreuz und die Zehn Gebote tritt.

Die christliche Auseinandersetzung mit dem Religionsstifter des Islam beginnt einige Jahrzehnte nach Mohammeds Tod, noch im 7. Jahrhundert. Zu den ältesten und einflussreichsten Streitern gegen den Islam gehört der Theologe und Kirchenvater Johannes von Damaskus. Sein dogmatisches Werk „Quelle der Erkenntnis“ (griechisch Pege gnoseos) enthält unter anderem eine umfangreiche Darstellung der Häresien im Christentum. Dieses „Buch der Häresien“ endet mit einer kurzen Darstellung des Islams, den Johannes jedoch nicht so bezeichnet und auch nicht als eigenständige Religion wahrnimmt, sondern den bis jetzt herrschenden Glauben der Ismaeliten [...] als Vorläufer des Antichristen darstellt. Ismael, von dem der Begriff „Ismaeliten“ abgeleitet ist, galt seit dem griechischen Kirchenhistoriker Sozomenos, noch vor der Entstehung des Islams, allgemein als Stammvater der Araber, gemäß der Bibel (Gen 16 EU). Im „Buch der Häresien“ heißt es weiter, die Ismaeliten seien bis zur Zeit des Kaisers Herakleios Götzendiener gewesen und dann von einem falschen Propheten „Mamed“ in die Irre geführt worden.

Durch Johannes von Damaskus wurde die Bezeichnung „falscher Prophet“ bzw. „Pseudoprophet“ über Jahrhunderte in unzähligen christlichen Polemiken gegen den Islam gleichsam zu einer Standardbezeichnung Mohammeds.[2] Ein Beispiel dafür ist die Erzählung Off Machomet the false prophete in Fall of Princes des englischen Mönchs und Schriftstellers John Lydgate aus dem 15. Jahrhundert.[3] Die Bezeichnung Mohammeds als „Vorläufer des Antichristen“, die ebenfalls auf Johannes von Damaskus zurückgeht, wurde im 16. Jahrhundert während der Türkenkriege wieder aufgegriffen. Martin Luther verfasste 1529, im Jahr der türkischen Belagerung Wiens, die beiden Schriften Vom Kriege wider die Türken und die Heerpredigt wider die Türken. Dabei schildert er, unter Heranziehung von Visionen aus Kapitel 7 im Buch Daniel, den Türken und den Papst als gemeinsame Feinde des rechtgläubigen Christentums. In der Nachfolge Luthers entstand dann im Protestantismus die Theorie von den „zwei Antichristen“ - dem Papst im Okzident und Mohammed im Orient.[4]

Im Laufe des Mittelalters wurde Mohammed immer wieder als christlicher Ketzer bzw. Häretiker dargestellt. Ein berühmtes Beispiel dafür findet sich im Gesang 28 des Inferno, wo Dante als Erzähler Mohammed und Ali erblickt, die unter die Glaubensspalter und Zwietrachtstifter gerechnet werden. Als Begründung für Mohammeds Ketzertum wird einerseits seine mangelhafte Kenntnis des Alten und Neuen Testaments angeführt, andererseits seine Begegnung mit einem Mönch namens Bahira oder auch Sergius, der entweder als Anhänger des Arius oder des Nestorius bezeichnet wird. Sowohl Arianismus als auch Nestorianismus galten im Mittelalter als Häresien.

Zudem wurde Mohammed in der europäischen Literatur häufig Betrügerei vorgeworfen. In der Legenda aurea, einem weit verbreiteten religiösen Volksbuch von Jacobus de Voragine, wird die Legende kolportiert, Mohammed habe eine Taube dressiert, um den Sarazenen auf diese Weise seine Inspiration durch den Heiligen Geist vorzutäuschen. Diese Geschichte wurde auch bildlich dargestellt. 1697 veröffentlichte der englische Theologe und Orientalist Humphrey Prideaux (1648–1724) eine Biographie Mohammeds unter dem Titel: The True Nature of Imposture fully display'd in the Life of Mahomet („Die wahre Natur der Betrügerei, vollständig demonstriert am Leben Mohammeds“). Dieses Buch enthielt auch eine Polemik gegen die Deisten, wobei der Islam als Vorbild „deistischer“ Strömungen geschildert wurde, die im Gefolge des Antitrinitarianismus die Lehre der Dreieinigkeit verwarfen.

In der Chronographia, einem Werk des byzantinischen Chronisten Theophanes Confessor, das in Westeuropa bald durch die lateinische Übersetzung von Anastasius Bibliothecarius bekannt wurde, heißt es, Mohammed habe an der „Fallsucht“, also der Epilepsie gelitten. Diese Behauptung wird oft mit Mohammeds angeblichen Täuschungsabsichten verknüpft. Der Dominikaner Ricoldo da Monte di Croce († 1320) schreibt in seinem Traktat Contra legem Saracenorum („Gegen das Gesetz der Sarazener“):

„Aber da er an der „fallenden Krankheit“ litt, behauptete er, ein Engel redete mit ihm.“[5]

Diese Schrift wurde mehrfach übersetzt, unter anderem 1542 ins Deutsche von Martin Luther unter dem Titel Verlegung des Alcoran.[6]

In den französischen Chansons de geste, die an Hörer aus allen Bevölkerungsgruppen gerichtet sind, spielen die Kämpfe mit den Sarazenen eine bedeutende Rolle. In diesen Epen tritt Mahomet bzw. Mohammed nie als Prophet auf, sondern wird als der höchste und mächtigste Gott der Sarazenen verehrt, jedoch nur in Zeiten des Glücks. Im Rolandslied, einem der ältesten Chansons de geste, steht, dass die Sarazenen nach einer verlorenen Schlacht Mohammed in einen Graben gestoßen hätten, wo er von Schweinen und Hunden gebissen und mit den Füßen getreten worden sei. Solche Schilderungen über das schmähliche Ende Mohammeds verdeutlichen die von Hass und Verachtung bestimmten Gefühle, die während des gesamten Mittelalters dem Propheten des Islams gegenüber in Europa vorherrschten.[7]

Auf dem Weg zu einer positiven Darstellung

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Im Zeitalter der Aufklärung begann sich in Europa auch das Bild Mohammeds und des Islams zu relativieren. De religione Mohammedica libri duo des niederländischen Orientalisten Adrianus Reland erschien 1705 auf Lateinisch und wurde bald in zahlreiche Sprachen übersetzt, darunter auch ins Deutsche. In seinem zweibändigen Werk über die mohammedanische Religion kritisierte der Verfasser die bisherige Beschäftigung mit dem Islam, da sie nicht auf gründlichem Quellenstudium beruhe. In Frankreich bekämpften Henri de Boulainvilliers (1658–1722) mit seiner Mohammed-Biographie, Pierre Bayle, vor allem aber Voltaire mit seinem 1741 uraufgeführten Theaterstück Mahomet der Prophet, das sich grundsätzlich gegen die katholische Kirche richtete, Fanatismus, religiöse Borniertheit und geistige Intoleranz. Zwar wird Mohammed in Voltaires fünfaktiger Tragödie, die 1742 nach drei Aufführungen in Paris auf Druck des Klerus abgesetzt wurde, immer noch zum groben platten Betrüger, Mörder und Wollüstling gemacht, wie Herders Frau Caroline in einem Brief an Goethes Freund Karl Ludwig von Knebel bemängelte. Voltaire war sich dieses Mangels bewusst und versuchte ihn in seinem monumentalen, 1753 erstmals erschienenen Essai sur les mœurs et l'esprit des nations („Versuch über die Sitten und den Geist der Nationen“) wettzumachen. Darin wird Mohammed als Gesetzgeber und Eroberer gezeichnet, wogegen sein Prophetentum in den Hintergrund rückt. Goethe übersetzte Voltaires Drama ins Deutsche; sein Gedicht Mahomets Gesang ist ein Schlüsselwerk des Sturm und Drang.

Der bedeutende britische Historiker Edward Gibbon, ein Zeitgenosse Voltaires, sah wie dieser Mohammed als „Gesetzgeber“ und wies auf seine Bedeutung als Gründer eines Weltreiches hin. Er nahm ihn gegen den Vorwurf der Epilepsie in Schutz und bezeichnete dies als „eine alberne, von den Byzantinern erfundene Verleumdung“. Er übte aber auch Kritik an Mohammed, z. B. daran, dass er vor allem in Ehefragen „die Rechte eines Propheten missbrauchte“.

Im 19. Jahrhundert widmete der schottische Literat Thomas Carlyle in seinem sechsteiligen Buch On Heroes, Hero-Worship, and The Heroic in History („Über Helden, Heldenverehrung und Heldentum in der Geschichte“) Mohammed ein ganzes Kapitel. Er glorifiziert ihn somit als Geschichte schaffenden, naturwüchsigen „Helden“ und stellt ihn in eine Reihe mit Dante, Shakespeare, Napoleon oder Luther.

Der Vorwurf, Mohammed habe an Epilepsie gelitten, wurde bisweilen auch positiv gewendet. Die russische Mathematikerin Sofja Kowalewskaja berichtet von einer Begegnung mit dem Schriftsteller Dostojewski, der dabei von seinem ersten epileptischen Anfall erzählt und mit folgenden Worten geschlossen habe:

„Mohammed versichert in seinem Koran, dass er das Paradies erblickt habe... Alle Neunmalklugen sind der Auffassung, er sei ein Lügner und Betrüger. Nein, nein, er hat nicht gelogen. Er ist tatsächlich ins Paradies entrückt worden, und zwar während einer seiner epileptischen Anfälle, unter denen er ebenso wie ich litt. Ich vermag nicht zu sagen, ob diese Seligkeit Sekunden, Stunden oder Monate währt, aber, auf mein Wort, ich würde sie nicht für alle irdischen Freuden eintauschen.“[8]

Einzelnachweise

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  1. Hartmut Bobzin: Mohammed. Verlag C.H.Beck oHG, München 2000, S. 9. ISBN 978 3 406 44744 0
  2. Hartmut Bobzin: Mohammed. S. 10.
  3. Albrecht Noth/T. Ehlert in: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. VII, Leiden 1993, S. 380.
  4. Hartmut Bobzin: Mohammed. S. 18.
  5. Hartmut Bobzin: Mohammed. S. 15.
  6. Kommentierte lateinisch-deutsche Textausgabe von Johannes Ehmann
  7. Hartmut Bobzin: Mohammed. S. 17.
  8. Hartmut Bobzin: Mohammed. S. 15-16.