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„Georg Hendrik Witte“.
Georg Hendrik Witte (*16. November 1843 Utrecht/Niederlande; †3. Februar 1929 Essen), deutsch-niederländischer Dirigent und Komponist,Königlicher und Städtischer Musikdirektor, Leiter des Essener Musikvereins(1871-1911). Prägte maßgeblich das Musikleben der Stadt Essen.
Georg Hendrik Witte
Leben
G.H. Witte wurde als drittes Kind des Orgelbauers Christian Gottlieb Witte (1802-1873) und Dorothea Antoinetta geb. Lagers (1810-1884) geboren. Seine Brüder waren Johann Frederik (1840-1902), Georg Hendrik I (1842-1842), Johann Christiaan (1845-1909), Rudolf (1847-1847) und Rudolph (1850-1905). Witte wuchs in Utrecht au. Frühzeitig ging er seinen Neigungen zur Musik nach. Nach Schulabschluss studierte er von Mai 1859 bis Juli 1962 an der Königlichen Musikschule in Den Haag in den Fächern Klavier, Geige und Orgel. Zu seinen Lehrern gehörten W.F.G. Nicolai (Orgel, Komposition) und Charles van der Does (Klavier). Bei seiner Abschlußprüfung
wurde er als ein „vielversprechendes Talent“ bezeichnet. (Caecilia, Algemeen Musikaal Tijschrift van Nederland (Utrecht/ Rotterdam/ The Hague 1844-1880, Jg.19, Nr.17)
Witte setzte sein Musikstudium am Leipziger Konservatorium fort (1862-1865). Zu seinen Lehrern zählten Ignaz Moscheles, Carl Reinecke, Moritz Hauptmann sowie Ernst Friedrich Richter. In dieser Zeit entstanden auch die ersten veröffentlichten Kompositionen. Nach dem Studium verdiente er sich den Lebensunterhalt mit Unterrichten sowie als Leiter verschiedener Gesangschöre in Leipzig. Von 1867-1869 hielt er sich als Nachfolger von Franz Stockhausen in Thann, Elsaß, auf, wo er höheren Töchtern Musikunterricht erteilte und ein Blasorchester leitete. Diese Tätigkeit befriedigte trotz guter Honorierung auf Dauer nicht, so dass er bald wieder nach Leipzig zurückkehrte. Nach Ausbruch des deutsch-französischen Krieges suchte Witte sein Elternhaus in Utrecht auf und trat dort mit Kammermusik und Orgelkonzerten auf. Eine kurz zuvor erlittene Handverletzung erwies sich dabei allerdings als so gravierend, dass eine Karriere als Konzertpianist nicht in Betracht kam. Da er aber in den Niederlanden keine anderweitigen beruflichen Möglichkeiten sah, entschied er sich für eine Rückkehr nach Leipzig.
Auf Empfehlung von Carl Reinecke übernahm Witte im November 1871 als Nachfolger von Philipp B. Rüfer die Stelle des Leiters des 1838 gegründeten Musikvereins in Essen, die er bis zum Ausscheiden aus dem aktiven Dienst im Jahr 1911 innehatte. Die Entwicklung des Musiklebens in Essen, die Witte maßgeblich beeinflusste, ging einher mit der stürmischen wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung der Stadt. So war die von Witte ausgesprochene Einladung an Johannes Brahms, den er besonders verehrte, zu einem eigens dem Komponisten gewidmeten Konzert am 02. März 1884 für Essen ein besonderes musikalisches Großereignis. Brahms willigte ein zu einem Honorar von 600 Mark, „ die gerne überschritten werden dürfen“ (Brief von J. Brahms an G.H. Witte, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 7. Mai 1988, Nr. 107).
Nach elfjähriger musikalischer und organisatorischer Aufbauarbeit wurde Witte am 26. Mai 1882 zum preußisch-königlichen Musikdirektor ernannt. Auf seinen Wunsch hin gründete die stadt Essen 1899 ein 42 köpfiges Berufsorchester, die heutigen Essener Philharmoniker, mit deren Leitung Witte als Städtischer Musikdirektor betraut wurde. Zu seinen weiteren Verdiensten zählt die Initiative zu einem Neubau des den wachsenden Ansprüchen an eine Konzerthalle nicht mehr entsprechenden Städtischen Saalbaus, der 1904 im Rahmen eines zweitägigen Musikfestes in Anwesenheit von Richard Strauss feierlich eröffnet wurde.
Vom 26.-28. Mai 1906 war Essen Gastgeber der Jahrestagung des „Allgemeinen Deutschen Musikvereins“ und Veranstalter des „42. Deutschen Tonkünstlerfestes“. In dessen Mittelpunkt stand die Uraufführung der 6. Sinfonie von Gustav Mahler unter der Leitung des Komponisten. Trotz heftiger Kritik an dem Werk Mahlers wurde nicht mit Lob an der Organisation und der Qualität von Chor und Orchester gespart. „Mit besonderem Dank ist sodann dem (…) prächtig klingenden gemischten Chor des Essener Musikvereins unter der ausgezeichneten Leitung von G.H. Witte zu gedenken.“ (Frankfurter Zeitung)
Bei seiner Arbeit mit Chor und Orchester galt Witte als ein unerbittlicher musikalischer Erzieher. Für noch wenig geschulte Sängerinnen und Sänger richtete er die sog. „kleine Chorschule“ mit wöchentlichen Unterrichtsstunden ein. Ziel der Schulung, die sich über ein ganzes Jahr erstreckte, war das Erreichen einer reinen Intonation, eine fundierte Stimmbildung, Einführung in die Musiktheorie sowie Treff- und Vomblatt-Singübungen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen fanden Eingang in die 1920/21 fertig gestellte wissenschaftlich – pädagogische Arbeit über „ Theorie und Praxis in der Musik – Beiträge zur Pflege des Tonbewusstseins mit praktischen Winken und Ratschlägen für den Anfangsunterricht in der Musik“. Der Inhalt dieser umfassenden musikwissenschaftlichen Arbeit von Witte ist in der Biographie von Gaston Dejmek beschrieben: „Witte als ein Mann der Praxis für die Praxis … wünschte
sich nichts mehr, als dass die Sicherheit seiner Erkenntnisse einen gangbaren Weg für eine vollendet
reine Wiedergabe von Chorwerken weisen würden.“ Witte fand in den Jahren nach dem Krieg jedoch keinen Verlag, der am Druck dieses Werkes Interesse hatte. Das Manuskript ist nicht mehr auffindbar.
Trotz des künstlerischen Erfolges musste sich Witte in den späteren Jahren seiner Tätigkeit gegenüber Gegnern und Kritikern wie Max Hehemann zur Wehr setzen, die mit der Gründung der
„Musikalischen Gesellschaft“ glaubten, sich für die Kompositionen von Max Reger und
Hans Pfitzner verstärkt einsetzen zu müssen und traten durch eigene Konzertveranstaltungen gegen den Essener Musikverein und dessen Leiter in der Zeit von 1903-1908 in Konkurrenz.
Familie
Witte heiratete 1874 in Essen Maria Elbers (1852-1891), Tochter des Rechtsanwaltes Friedrich Wilhelm Elbers und Anna Adelheid, geb. Brügelmann. Die 1 Jahr später geborene Tochter Johanna starb einen Monat nach der Geburt. Seitdem blieb die Ehe kinderlos. Nach dem Tod von Maria heiratete Witte 1892 Gertrud Breidbach (1868-1951), Tochter des Dipl.-Ing. Josef Breidbach (1831-1913) und dessen Frau Clara Caroline Henriette, geb. Grindel (1843-1911). Wegen der katholischen Herkunft der Familie Breidbach sowie dem beträchtlichen Altersunterschied des Paares standen der Einwilligung zur Eheschließung seitens der Eltern der Braut zunächst diverse Meinungsverschiedenheiten im Wege. Aus dieser Ehe gingen 3 Kinder hervor: Hermann Witte(1893-1965), Oskar Witte(1895-1990) und Marianne Witte verh. Schmidt (1997-1977).
G.H. Witte verstarb am 03. Februar 1929 an den Folgen einer Bronchitis. In Anerkennung seiner Verdienste hat die Stadt Essen 1930 im sog. Tonkünstlerviertel die ehemalige Gärtnerstrasse in Wittestrasse – heute Hendrik-Witte-Strasse – benannt.
Kompositorisches Werk
Das vorhandene kompositorische Werk von G.H. Witte umfasst Kompositionen mit und ohne Opus Angaben. Die frühen Werke entstanden während seines Aufenthaltes in Leipzig. Die aus dieser Zeit bekanntesten Kompositionen sind die 1868 entstandenen und Johannes Brahms gewidmeten Walzer für das Pianoforte zu 4 Händen (op.7), das preisgekrönte Klavierquartett A-Dur (op. 5) sowie das Quintett für Streichinstrumente und Horn von 1871. Als reifstes Werk aber gilt das 1889 in Essen erstaufgeführte und bei Tischer & Jagenberg erschienene Violinkonzert D-Dur op. 18), das in einem Konzert am 15.02.1916 im Kölner Gürzenich von Adolf Busch aufgeführt wurde. Die am 14. Juli 1874 in Essen unter der Leitung des Komponisten gespielte Konzert- Ouvertüre für Orchester ist ebenso verschollen wie das unbekannte Werk mit der Bezeichnung opus 9. Wittes Kompositionen sind im Stil der „Leipziger Schule“ geschrieben. Sie besitzen im Urteil von Gaston Dejmek eine „Ausgeglichenheit feingliedriger Formalen, die Flüssigkeit harmonisch gebundenen Satzes, den empfindsamen Ausdruck alles Gesanglichen.“
Die meisten Kompositionen wurden zu Lebzeiten von Witte mehrfach in öffentlichen Konzerten aufgeführt. Inzwischen sind sie weitgehend in Vergessenheit geraten, als gedruckte Noten vergriffen und zumeist nur noch antiquarisch erhältlich. Ein großer Teil des kompositorischen Nachlasses befindet sich im Archiv der Witte Nachkommen. Im International Music Score Library Project (IMSLP)befinden sich die Noten folgender Werke von G.H. Witte:
• Klavierquartett A-Dur, op. 5 • Walzer für das Klavier zu vier Händen, op. 7 • Konzert für Violine und Orchester D-Dur, op. 18
Werkverzeichnis
a) mit Opusangaben
• Walzer für das Pianoforte, op. 1 – Anna Mehlig gewidmet, Breitkopf & Härtel 1865/66 • Drei Tonstücke für das Pianoforte zu vier Händen, op.2 – Clara Schumann gewidmet, G.F. Peters • Walzer für das Pianoforte, op.3 – Charles van der Does zugeeignet, Bremen, Praeger & Meier • Vier Impromptus für das Pianoforte, op.4 – Ignaz Moscheles gewidmet, Bremen, Praeger & Meier (1866) • Quartett in A-Dur für Pianoforte, Violine, Viola und Violoncello, op.5 – Carl Reinecke zugeeignet, Bremen,
Praeger & Meier, 1867 (neue Ausgabe bei Merton Music, No. 4738)
• Fünf Lieder für Sopran oder Tenor mit Begleitung des Pianoforte, op.6 – Josef Schild zugeeignet, Bremen, Praeger & Meier • Walzer für das Pianoforte zu vier Händen, op.7 – Johannes Brahms zugeeignet, Bremen, Praeger & Meier, 1868 • Sonatine C-Dur für Pianoforte zu vier Händen, op.8 – Marie Mertzdorff, Cécile Paraf und Jeanne Schayer zugeeignet,
Leipzig E.W. Fritzsch
• Drei Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte, op.10 – Ida Eichhoff zugeeignet, Bremen, Paeger & Meier • Deux morceaux characteristiques pour le piano, op.11, Bremen, Praeger & Meier • Concert für Violoncello, op.12 (1877) • Zwei Charakterstücke für das Pianoforte, op.13 – Carl Heymann zugeeignet, Bremen, Praeger & Meier • Drei Stücke für Pianoforte und Violoncell, op.14 – W.F.G. Nicolai zugeeignet, (Preiskomposition), Leipzig, J. Rieter-
Biedermann
• Sonate für Pianoforte und Violoncell, op.15 – Adolphe Fischer zugeeignet (Preiskomposition) • Elegie für Violine und Orchester, op.16 – Joseph Joachim zugeeignet, Bremen, Praeger & Meier (Neudruck herausgegeben von
H.-J. Witte, 2011)
• An die Sonne! Für gemischten Chor und Orchester oder Pianoforte, op. 17 – Gedicht aus Paul Heyse’s Roman „Die Kinder der
Welt“, dem Andenken einer theueren Entschlafenen gewidmet, Bremen, Praeger & Meier
• Konzert für Violine D-Dur, op.18, Tischer & Jagenberg, Köln 1914
b) ohne Opusangaben
• Avondlied für Singstimme mit Begleitung des Pianoforte • Nachts, Dichtung von O. Rocquette, für Singstimme mit Begleitung des Pianoforte • Festmarsch – zur Feier des 13. Dezember 1881, für Pianoforte zu vier Händen • Bearbeitung von Allegretto alla Polacca aus der Serenade op.8 von L. van Beethoven für das Pianoforte • 25 Clavier-Etüden von J.B. Cramer • Choralbuch – im Anschluss an das evangelische Gesangbuch für Rheinland und Westfalen, Dezember 1894/1900 • Drei Lieder aus „Der Trompeter von Säckingen“ nach Texten von Josef Victor von Scheffel
Literatur:
Gernot Wojnarowicz (Redaktion): Essener Musikverein 150 Jahre 1838-1988, Festschrift, eine illustrierte Geschichte des Essener
Musikvereins in Aufsätzen, Essen 1988
Gaston Dejmek: Georg Hendrik Witte – Leben und Werk – Ein Beitrag zur Geschichte des Essener Musikvereins Theater & Philharmonie Essen GmbH (Hrsg.): 100 Jahre Essener Philharmoniker, druck-team Hütte GmbH, Essen 1999 Privatarchiv der Familie Witte
Audio/Video:
Danacord: Raritäten der Klaviermusik auf Schloss Husum 1999 YouTube: Georg Hendrik Witte, Walzer op.7 zu vier Händen, burgexpress
--Hajo96 16:37, 22. Nov. 2011 (CET)