Benutzer:Hyperdieter/RK

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Über die zukünftige Entwicklung der Wikipedia sehe für die nächste Zeit drei maßgebliche Faktoren:

  1. die inhaltliche Verbesserung des Artikelbestandes
  2. die Gewinnung neuer Autoren, die regelmäßig mitarbeiten
  3. die Schaffung klarer, auch für Außenstehende nachvollziehbarer Relevanzkriterien

Alle drei haben einen engen Zusammenhang: ohne deutlich mehr Autoren wird es keine signifikante Verbesserung und Erweiterung des Artikelbestandes geben können, diese ist aber nach wie vor nötig. Ohne klare Relevanzkriterien wird es noch häufiger passieren, dass neue Autoren von einem eiligen Löschantrag oder einer Schnelllöschung überrascht werden und - aus Unverständnis oder Frust über das, was da passiert, die Mitarbeit einstellen. Und zuletzt müssen die Kriterien geeignet sein, das Entstehen von Artikeln zu bedeutenden Themen zu fördern und zu unwichtigen Themen zu verhindern, um die vorhanden Mitarbeiterkapazitäten sinnvoll einsetzen zu können.

Auswahlkriterien anderswo

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Kriteren für Auswahl von Inhalten gibt es nicht erst, seit es Wikipedia gibt. Auch Redakteure von Tageszeitungen und Zeitschriften stehen seit Jahrzehnten tagtäglich vor der Frage, welche der unzähligen Meldungen veröffentlicht und welche verworfen werden sollen. In der Medienwissenschaft beschäftigt sich besonders die Nachrichtenwert-Theorie mit diesem Thema. Ein Äquivalent für die Enzyklopädistik ist mir nicht bekannt, wäre aber für Wikipedia vonnöten. Als Behelf wurden deshalb die Relevanzkriterien geschaffen. Ein fundiertes Theoriegebäude kann ich leider auch nicht bieten (falls mal jemand ein Habilitationsthema sucht, wäre das bestimmt eins), möchte nachfolgend aber einige Gedanken dazu darstellen.

Wikipedia ist ein Projekt zur Erstellung einer Enzyklopädie, genauer einer Universalenzyklopädie. Es soll also einerseits Universallexikon sein, anderseits eine Mischung aus Fachenzyklopädien. Dies bedeutet, dass sie einerseits Dinge von allgemeinem Interesse sammeln soll, anderseits solche von einer gewissen fachlichen Bedeutung. Maßstab für Inhalte sollte aus meiner Sicht immer primär das Leserinteresse sein: Wir sollten zu den Themen Artikel vorhalten, die unsere Leser/Benutzer interessieren. Das sind natürlich wissenschaftliche Themen, ein großer Teil der Benutzer sucht jedoch eher nach Alltagegenständen oder Personen, an denen sie eher ein privates Interesse haben. Auch dieses Interesse sollte Wikipedia befriedigen können, und aus eben diesem Grund haben wir nicht nur Artikel zu chemischen Reaktionen, römischen Kriegen und linguistischen Theorien, sondern eben auch zu Popstars, Fußballspielern und Pornodarstellerinnen. Ein WP-Artikel soll eben nicht Ehrung und Anerkennung für eine beeindruckende Lebensleistung sein, sondern ein Interesse abbilden können. Die Relevanzkriterien stellen IMHO daher ein Konstrukt zur Operationalisierung eines antizipierten Leserinteresses dar.

Die Relevanzfrage für Fachenzyklopädien ist relativ einfach zu klären: Relevant ist, wer oder was im fachlichen Diskurs rezipiert wird, wer oder was also in Monografien und Fachaufsätzen aufgegriffen wird. Schwieriger wird die Sache bei Dingen von "allgemeinem Interesse". Recht gut finde ich dabei den Ansatz von Ruhrmann[1]: Die Aufmerksamkeit für eine Nachricht wird von der Neuigkeit, der formalen Auffälligkeit (Präsentation) und von der Relevanz der Inhalte für den Rezipienten beeinflusst. Rezipienten orientieren sich überwiegend an der Relevanz, die sie den Nachrichten zumessen. Bei der Einschätzung der Relevanz wird Alltagswissen über die behandelten Themen sowie die Einschätzung des jeweiligen Mediums, des Kommunikationsmittels, und seiner Arbeitsweise verwendet.

Die Relevanz der Inhalte für die Rezipienten wird bei den Alltagsthemen maßgeblich durch die Massenmedien geprägt. Deshalb ist eine hohe Medienpräsenz durchaus *ein* mögliches Indiz für Relevanz.

Schieflage der RK

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Ich sehe in einigen Bereichen eine Schieflage der jetzigen Relevanzkriterien.

Die jetzigen Sportler-RK erklären u.a. alle nationalen Meister und Nationalmannschaftsmitglieder in von Sportaccord anerkannten Sportarten relevant. Die Erweiterung auf Nationalspieler wurde damals mit Blick auf Fußballer in kurzer Zeit umgesetzt. Ich finde das insofern unausgewogen, als innerhalb der "anerkannten" Sportarten nicht mehr differenziert wird. So gibt es auch in den DOSB-Mitgliedsverbänden etliche Mini-Nischen mit sehr geringen Teilnehmerzahlen, die hier quasi durch die Hintertür mit anerkannt werden. Dass die Mitglieder Deutschen Meistermannschaft im American Football Artikel bekommen können, ist ja o.k. Aber müssen deswegen auch die Siegerinnen im Cheerleading oder Flag Football artikelwürdig sein? Wenn die Meistermannschaft im olympischen Kanurennsport relevant ist, muss das dann auch für jene im Kanumarathon oder Kanusegeln gelten? Die RK erklären sogar die Liechtensteinischen Meister in Sportarten wie Muay Thai Netball, Bandy oder Sambo für relevant, obwohl die Meisten selbst von den Sportarten noch nie etwas gehört haben. Es gibt in fast allen größeren Sportverbänden solche Randdisziplinen, die oft nur von einem paar dutzend Leuten betrieben werden. Die jetzigen RK öffnen damit das Tor für abertausende Artikel zu Sportlern, von den noch nie einer was gehört hat. (Und jetzt argumentiere bitte keiner, dass die nicht kämen: Wir hatten schon Beiträge über einige der besten deutschen Federfußballer und ihre Vereine.) Wenn erst die ersten Vereinspressewarte entdeckt haben, dass alle Mitglieder der Meistermannschaften z.B. im Drachenboot (auf den vier unterschiedlichen Strecken und vier Klassen pro Jahr ca. 16 Wettbewerbe mit jeweils 25 Sportlern, insgesamt also 400 nur für Deutschland), brauchen wir uns über die Artikelwürdigkeit von Zweitligafußballerinnen nicht mehr zu streiten. Auf der anderen Seite löschen wir aber Junioren-Weltmeister im Fußball oder Deutsche Vizemeister im 100m-Lauf der Leichtathletik. Da hätte ich mir eine stärkere Differenzierung zwischen den genau 240 Olympischen Disziplinen (alle nat. Meister und Nationalmannschaftsmitglieder relevant) und den übrigen 100 NOK/Sportaccord-anerkannten Sportarten mit ihren tausenden Disziplinen (nur die besten der Welt relevant) gewünscht.

Eigentlich ist die Relevanz von Autoren relativ leicht zu erkennen: Zum einen über die Verkaufszahlen ihrer Bücher, zum anderen dadurch, dass das von ihnen geschriebene Beachtung findet, sei es durch Rezensionen, sei es dadurch, dass in der Wissenschaft andere Autoren darauf Bezug nehmen. Dann, und nur dann, hat man auch Quellen, auf die man einen seriösen Artikel aufbauen kann, und dann darf die Frage der Anzahl der Bücher auch keine Rolle mehr spielen. Die Mehrzahl unserer Autoren hat aber weder Bücher in Bestsellerlisten gehabt, noch sind ihre Werke in renommierten Medien rezensiert worden. Da entsprechende Daten schwer verfügbar sind, hat man sich auf die rein zahlenmäßigen Kriterien eingelassen und darauf tausende Stubs zu Autoren erhalten, die keiner kennt. Umgekehrt werden aber auch Bestsellerautoren gelöscht, weil ihre Werke "nur" digital vertrieben werden.

Popsternchen und Medienphänomene

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Bisher ist in den RK immer eine lang andauernde Bedeutung gefordert. Personen und Themen, die nur einen kurzen Medienhype durchlaufen, gelten als nicht lemmafähig. Das teile ich zwar im Grundsatz, glaube jedoch, dass die Hürde hier manchmal als zu hoch verstanden wird. Wenn Personen, die in einem bestimmten Sendeformat (z.B. Castingshow) bekannt geworden sind, *über dieses Format und den dieses pushende Sender hinaus* eine so große Bekanntheit erlangt haben, dass sie Gegenstand umfangreicher Berichterstattung geworden sind, halte ich sie für artikel"würdig". Dass diese Phänomene oft nur ein paar Wochen anhalten wird meist so sein, aber es gibt ein kurzfristig sehr hohes Interesse an diesen Personen und auch in ein paar Jahren wird jemand, der etwa eine alte BILD in die Hand nimmt, wer noch mal dieser Menowin Fröhlich oder eine Daniela Katzenberger waren. Gina-Lisa Lohfink tigert hingegen immer noch durch die Trash-Formate und durfte hier lange keinen Artikel haben. Von Zlatko Trpkovski spricht heute auch keiner mehr, trotzdem ist der Artikel sicher sinnvoller als der von Monika Bergmann (Kanutin), von der wir eigentlich überhaupt nichts wissen[2]. Um das noch einmal zu betonen: Es soll hier nicht um Artikelwürdigkeit wg. Lebensleistung, wie es hier oft missverstanden wird, sondern einer solchen wegen öffentlichen Interesses gehen. Wir schreiben für Leser und nicht für die Belammaten. Die Gefahr, dass es eine zu große Artikelzahl in dem Bereich droht, sehe ich nicht (jedenfalls nicht im Vergleich zu den beiden vorgenannten), so groß ist die Zahl der Menschen, die oberhalb einges gewissens Grundrauschens medial wahrgenommen werden, auch wieder nicht. Ganz sicher muss man nicht zu jedem Castingshowkandidaten einen Artikel haben, wenn jemand über ein solches Format hinaus ausstrahlt, ist "bloß Kandidat" aber eben auch kein Löschgrund.

Ehrlich gesagt: Ich blicke da nicht ganz durch, da ich bei einer Vielzahl an Artikeln nicht erkenne, wieso die IMHO ganz vernünftigen RK da erfüllt sein sollen. Die Relevanz von Fernverkehrshaltestellen ist wohl unstrittig, aber welchen Sinn Artikel zu gewöhnlichen S- und U-Bahnstationen machen, verstehe ich nicht. Wa passiert z.B. mit U-Bahnhof Messe-Süd, wenn der Autor irgendwann nicht mehr da ist? Und selbst bei einem liebevoll gemachten Artikel wie U-Bahnhof Tonhalle/Ehrenhof können die vielen Zeilen nicht über die Irrelevanz des Artikelgegenstandes hinwegtäuschen. Was wäre das für den Leser relevante an einem Bahnhofsartikel? 1) Der Fahrplan und 2) welche Linien da halten, 3) ob es da Parkplätze gibt sowie 4) seine verkehrliche Bedeutung und 5) evtl. das Gebäude, sofern irgendwie denkmalgeschützt. 1-3 haben hier nix verloren (WP:WWNI#7), zu 4. gibt es bei Nahverkehrshalten meist nicht viel zu schreiben. Wenn man aber die U-Bahnstationen mehr oder weniger alle zulässt, sollte man auch gewöhnlichen S-Bahn- oder Nahverkehrsbahnhöfen die Zulassung nicht verweigern, dann ist es wengistens einheitlich und für Außenstehende verständlich.

Einzelnachweise

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  1. Georg Ruhrmann: Ereignis, Nachricht und Rezipient in Die Wirklichkeit der Medien, Opladen, 1994, S. 245
  2. Inzwischen (2020) ist zumindest klar, dass sie eine WM-Medaille gewonnen hat; als ich dies 2008 schrieb, gab es nur den DM-Titel.
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