Benutzer:Ilja F. Repin/Influxus physicus

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Als Influxus physicus (von lat. influere – einfließen, eindringen, einwirken und gr. phýsisNatur; franz. influence naturelle) wurde im 17. Jahrhundert der Einfluss bezeichnet, der zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Substanzbereichen kausal wirksam wird. Die Annahme, dass es einen solchen physikalischen Einfluss tatsächlich gibt, ist eine zentrale These des philosophischen Leib-Seele-Problems. Theorien, die diese These vertreten, werden Influxionismus (systema influxus physici) oder auch psychophysischer Interaktionismus genannt.

Ursprung des Begriffs

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Der Ursprung des Begriffs liegt in der Hochscholastik. Von einem Einfluss der aktiv verstandenen Seele auf den passiv verstandenen Körper ist etwa bei Thomas von Aquin die Rede: „Das, was in der Aktivität (actus) ist, wirkt in das, was in der Potentialität (potentia) ist; und zu einer solchen Bewegung sagt man Einfluss (influxus).“[1] Der umgekehrte Einfluss, also eine Einwirkung des Körpers auf die Seele, wurde von ihm noch nicht diskutiert. Die Präzisierung durch den Zusatz „physicus“ wurde von dem Spätscholastisker Francisco Suárez eingeführt und bringt zum Ausdruck, dass auch ein Einfluss vom Körper auf Seele mit in die Betrachtung fällt.[2] Da die Scholastik allerdings noch keinen substantiellen Unterschied zwischen Seele und Körper annahm, war der Influxus physicus für sie noch kein diskutabler Begriff. Seele und Körper wurden als Einheit (unio substantialis) verstanden, die hinsichtlich einer Einwirkung der Seele auf den Körper bzw. des Körpers auf die Seele unproblematisch war.

Zu einem diskutablen Begriff wurde der Influxus physicus im 17. Jahrhundert. Die Annahme, dass es einen physikalischen Einfluss gibt, wird im Ausgang von René Descartes zu einem zentralen Problem der frühen Philosophie des Geistes. Nach einer klassischen Darstellung ergibt sich die Problematik aus drei nicht miteinander kompatiblen Annahmen:[3]

1. Substanzdualismus: Die Wirklichkeit besteht aus zwei Substanzen, einer denkenden (substantia cogitans) und einer ausgedehnten Substanz (substantia extensionis).
2. Influxionismus: Es gibt einen Influxus physicus – nun explizit verstanden als kausale Wechselwirkung (influence mutelle) zwischen den zwei Substanzbereichen des Ausgedehnten und Denkenden.[4]
3. Kausale Geschlossenheit: Der Bereich der ausgedehnten Substanz ist kausal abgeschlossen.

Die dritte Annahme steht in engem Zusammenhang mit dem von Descartes aufgestellten Energieerhaltungssatz, wonach sich die Energiemenge (bzw. Bewegungsmenge) im ausgedehnten Substanzbereich nicht vermehrt. Sie sei einmalig von Gott mit der Welt erschaffen worden und bleibe seitdem stets gleich groß.[5] Diese Annahme steht aber im Widerspruch zur zweiten, wonach eine Vermehrung qua Influxus physicus stattfindet.

Descartes eigene Position hinsichtlich dieser Inkonsistenz blieb letzlich indifferent, da er das Problem nicht direkt diskutierte. Nach Rainer Specht sollte deshalb Descartes selbst noch nicht als Vertreter des Influxionismus bzw. des psychophysischen Interaktionismus gelten. Die üblicherweise Descartes zugeschrieben Theorie des Influxionismus treffe historisch erst auf Autoren wie etwa Andreas Rüdiger zu, die als Reaktion auf die Kritik an Descartes den Influxionismus verteidigten.[6] Gleichwohl hat Descartes in der Sache implizit noch folgenden Vorschlag zur Auflösung der Inkonsistenz der drei Annahmen: Zwar könne die Seele dem Körper keine neue Bewegung vermitteln, aber sie könne die Richtung seiner Bewegung verändern. Die Richtungsänderung der Bewegung reich bereits aus, um von einer freien Willensentscheidung der Seele zu sprechen, von der nur dann die Rede sein könne, wenn die Seele in irgendeiner Weise Einfluss auf den Körper nehmen könne.[7]

Descartes' Lösungsansatz weißt zwei berühmte Fehler auf: Wie Gottfried Wilhelm Leibniz 1686 gezeigt hat, missachtet er zum einen den begrifflichen Unterschied zwischen Bewegung und Kraft und zum anderen das galileische Trägheitsgesetz, wonach keine Bewegung ihre Richtung ohne einen Impuls verändert.[8] Descartes gelingt es daher nicht, die Inkonsistenz der zweiten und dritten Annahme aufzuheben. Lösungsansätze, die aufgrund dieser Inkonsistenz den Influxus physicus leugneten, aber dem cartesischen Substanzdualismus verpflichtet blieben, wurden später als die Lehren des sogenannten Okkasionalismus bekannt.[9] Die Hauptthese des Okkasionalusmus ist, dass der Influxus physicus lediglich als solcher erscheine. Tatsächlich vermittle Gott qua okkasioneller Ursachen zwischen Körper und Geist.[10]

Der Okkasionalismus wiederum wurde von Leibniz zum einen dafür kritisiert, dass eine Vermittlung Gottes seiner vollkommenen Schöpfung der Welt entgegenstehe. Ein zweites Problem sieht er darin, dass die Okkasionalisten am Substanzdualismus festhielten, der die Annahme eines Influxus physicus überhaupt erst nötig mache. Leibniz plädiert daher dafür, nicht nur die zweite (Influxionismus), sondern auch die erste Annahme (Substanzdualismus) des Leib-Seele-Problems aufzugeben.[11] Mit dem von ihm postulierten System der präetablierten Harmonie schlägt er vor, die Bereiche des Psychischen und Physischen als verschiedene Perspektiven aufzufassen, die aufgrund einer von Gott eingerichteten, vollkommenen Parallelität vollständig übereinstimmten.[12]

  • Peter Bieri: Generelle Einleitung. In: Peter Bieri (Hrsg.), Analytische Philosophie des Geistes. 2. Auflage. Athenäum-Hain-Hanstein-Verlags-Gesellschaft, Bodenheim 1993, ISBN 978-3-8257-3006-2, S. 1–28.
  • Michael Pauen: Grundprobleme der Philosophie des Geistes. Eine Einführung. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2005, ISBN 3-596-14568-6, S. 34–48.
  • Rainer Specht: Commercium mentis et corporis. Über Kausalvorstellungen im Cartesianismus. Friedrich Frommann Verlag (Günther Holzboog), Stuttgart-Bad Cannstatt 1966.
  • Rainer Specht: Influxus physicus, Influxionismus. In: Joachim Ritter, Karlfried Gründer, Gottfried Gabriel (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. IV, Basel 1984, S. 355–356.
  • Rudolf Eisler: Influxus physicus (textlog.de). In: Rudolf Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. Berlin 1904.
  • Friedrich Kirchner: Influxus physicus (textlog.de). In: Friedrich Kirchner: Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 1907.

Einzelnachweise

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  1. Thomas v. Aquin: Questiones de quolibet. Quodlibet III.3a.2co.
  2. Vgl. Francisco Suárez: Disputationes metaphysicae. Disp. XVII, sec. II, § 6.
  3. Vgl. Peter Bieri: Generelle Einführung. In: Peter Bieri (Hrsg.): Analytische Philosophie des Geistes. 2. Auflage. Athenäum-Hain-Hanstein-Verlags-Gesellschaft, Bodenheim 1993, ISBN 978-3-8257-3006-2, S. 5.
  4. Vgl. René Descartes: Les Passions de l’âme. I, § 34, Henry Le Gras, Paris 1649. Zitiert nach Christian Wohlers (Hrsg.): Die Passionen der Seele, Felix Meiner Verlag, Hamburg 2014, ISBN 9783787326853, S. 23-24.
  5. Vgl. René Descartes: Principia philosophiae. II, §§ 36 & 41, Louis Elsevier, Amsterdam 1644 (bei Google Books). Zitiert nach Christian Wohlers (Hrsg.): Die Prinzipien der Philosophie. Felix Meiner Verlag, Hamburg 2007, ISBN 978-3-7873-1853-7.
  6. Vgl. Rainer Specht: Influxus physicus, Influxionismus. In: Joachim Ritter, Karlfried Gründer, Gottfried Gabriel (Hrgs.), Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. IV, Basel 1984, S. 355–356.
  7. Vgl. Michael Pauen: Grundprobleme der Philosophie des Geistes. Eine Einführung, Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2005, ISBN 3-596-14568-6, S. 41–46.
  8. Vgl. Gottfried Wilhelm Leibniz: Brevis demonstratio erroris memorabilis Cartesii etc. In: Acta Eruditorum. Vol. V, Leipzig 1686, S. 161–163.
  9. Vgl. Kritik der Urteilskraft § 81. Zitiert nach Kant’s Gesammelte Schriften (Akademie-Ausgabe). Bd. 5, herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1913, S. 422.
  10. Vgl. Rainer Specht: Occasionalismus. In: Joachim Ritter, Karlfried Gründer, Gottfried Gabriel (Hrgs.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. VI, Basel 1984, S. 1090–1091.
  11. Vgl. Hubertus Busche: Fensterlosigkeit. Leibniz' Kritik des Cartesischen 'Influxus Physicus' und sein Gedanke der energetischen Eigenkausalität. In: Albert Heinekamp u. Ingrid Marchlewitz (Hrsg.): Leibniz' Auseinandersetzung mit Vorgängern und Zeitgenossen. Stuttgart 1990, S. 100–115..
  12. Vgl. Raphael Borchers: Zum substanzdualistischen Missverständnis der leibnizschen hypothèse des accords. In: Philosophisches Jahrbuch. Jg. 123, Verlag Karl Alber, Freiburg/München 2016, S. 38–57.