Benutzer:Johannes Schneider/Enemark-Feltham Notation

Der Nitrosylkomplex ${\ce {[Fe(H_2O)_5NO]^{2+}}}$ ist für die braune Farbe der Ringprobe verantwortlich. Eine eindeutige Zuordnung der Oxidationsstufe des Eisens in diesem Komplex ist nicht trivial, da ${\ce {NO}}$ ein 1-, 2- oder 3-Elektronen-Ligand sein kann.

Die Enemark-Feltham-Notation dient der vereinfachten Beschreibung der elektronischen Struktur von Metall-Nitrosyl-Komplexen. Eine eindeutige Zuordnung der Oxidationszahlen in Metall-Nitrosyl-Komplexen ist nicht trivial, da Stickstoffmonoxid ein Non-innocent Ligand ist. Bei Koordination kann ${\ce {NO}}$ das Metall oxidieren und dabei zu ${\ce {NO^-}}$ reduziert werden oder ${\ce {NO}}$ kann das Metall reduzieren und dabei zu ${\ce {NO^+}}$ oxidiert werden. Durch die Koordination von ${\ce {NO}}$ kann das Metallatom also oxidiert oder reduziert werden, sodass eine genaue Zuordnung von Oxidationszahlen nur mit experimentellen Methoden möglich ist. Zudem können Nitrosylkomplexe auch sehr kovalente Strukturen besitzen.(?)

TODO: Was macht die Enemark-Feltham-Notation einfacher?

Die Enemark-Feltham-Notation ist absichtlich mehrdeutig.

MO-Diagramm von NO+, NO, und NO- einfügen.

Die Enemark-Feltham-Notation ist insbesondere in der bioanorganischen Chemie verbreitet, da Stickstoffmonoxid eine wichtige Rolle als Ligand in der Koordinationschemie biologischer Systeme spielt. Sie ist nach John H. Enemark und Robert D. Feltham benannt, welche sie 1974 in einem Artikel mit dem Titel "Principles of structure, bonding, and reactivity for metal nitrosyl complexes" in Coordination Chemistry Reviews veröffentlichten. Wichtige Grundlagen zur Beschreibung von Metall-Nitrosyl-Komplexen lieferte zuvor Walter Hieber.

Bindungsgeometrie des NO Liganden

Stickstoffmonoxid ist ein Non-innocent Ligand: In Abhängigkeit des Bindungswinkels in Metall-Nitrosyl-Komplexen trägt der NO-Ligand unterschiedlich viele Elektronen zum Komplex bei. Bei linearer Koordination ist er ein 3-Elektronen-Donor, bei gewinkeler Koordination ist er ein 1-Elektronen-Donor.

In einkernigen Komplexen kann ${\ce {NO}}$ linear oder abgewinkelt an ein Metallatom koordinieren. Bei gewinkelter Anordnung beträgt der Bindungswinkel ungefähr <160°, bei linearer Anordnung ca. >170°. Bei linearer Koordinationsgeometrie wird der Ligand als Nitrosyl-Kation ${\ce {NO^+}}$ behandelt, bei gewinkelter Geometrie als Nitrosyl-Anion ${\ce {NO^-}}$. Das Nitrosylkation ${\ce {NO^+}}$ist Isoelektronisch zu Kohlenstoffmonoxid ${\ce {CO}}$, allerdings ist ${\ce {NO^+}}$ aufgrund seiner positiven Ladung im Vergleich zu ${\ce {CO}}$ ein schlechterer σ-Donor und besserer π-Akzeptor. ${\ce {NO^-}}$ist isoelektronisch zu ${\ce {O_2}}$. In Abhängigkeit des Bindungswinkels des ${\ce {NO}}$ Liganden kann das Metallion in einem Metall-Nitrosyl-Komplex folglich unterschiedliche Oxidationsstufen besitzen, was mit unterschiedlichen Eigenschaften wie z.B. Spinzuständen verbunden ist.

• Bei linearer Koordination wird der ${\ce {NO}}$ Ligand zu ${\ce {NO^-}}$ reduziert und ist insgesamt ein 3-Elektronen-Donor.
• Bei gewinkelter Koordination wird der ${\ce {NO}}$ Ligand zu ${\ce {NO^+}}$oxidiert und ist insgesamt ein 1-Elektronen-Donor.
• In Abhängigkeit des Liganden-Bindungswinkels ändert sich die elektronische Struktur des Komplexes: Bei Abwinklung des ${\ce {NO}}$ Liganden wird das Metallatom oxidiert.
• Also NO betrachtet ändert sich die Oxidationszahl bei Koordination garnicht.

Zum Beispiel könnte im Komplex ${\ce {[Fe(NO)(CN)_5]^{2-}}}$ das Eisenion bzw. der Ligand folgende elektronischen Strukturen besitzen:

${\ce {[Fe(NO)(CN)_5]^{2-}}}$

Tabelle 1: Mögliche elektronische Strukturen für ${\ce {[Fe(NO)(CN)_5]^{2-}}}$

Eisenion	Ligand
${\ce {Fe^{3+}}}$	${\ce {NO^-}}$
${\ce {Fe^{2+}}}$	${\ce {NO}}$
${\ce {Fe^{+}}}$	${\ce {NO^+}}$

Beispiel	Mögliche elektronische Strukturen	Enemark-Feltham-Notation
${\ce {[Fe(NO)(CN)_5]^{2-}}}$	Zentralion NO-Ligand ${\ce {Fe^{3+}}}$ ${\ce {NO^-}}$ ${\ce {Fe^{2+}}}$ ${\ce {NO}}$ ${\ce {Fe^{+}}}$ ${\ce {NO^+}}$	${\ce {\{FeNO\}^6}}$
${\ce {[Co(NO)2(NH3)_4]^{2+}}}$	Zentralion NO-Ligand ${\ce {Fe^{3+}}}$ ${\ce {NO^-}}$ ${\ce {Fe^{2+}}}$ ${\ce {NO}}$ ${\ce {Fe^{+}}}$ ${\ce {NO^+}}$	${\ce {\{Co(NO)2\}^8}}$
${\ce {[Mn(CN)_5(NO)]^3-}}$	Zentralion NO-Ligand ${\ce {Fe^{3+}}}$ ${\ce {NO^-}}$ ${\ce {Fe^{2+}}}$ ${\ce {NO}}$ ${\ce {Fe^{+}}}$ ${\ce {NO^+}}$	${\ce {\{MnNO\}^6}}$

Welche Struktur wirklich vorliegt, muss mit experimentellen Methoden bestätigt werden. Im Fall von ${\ce {[Fe(NO)(CN)_5]^{2-}}}$kann man mithilfe der Frequenz der IR-Streckschwingung und des Diamagnetismus des Komplexes darauf schließen, dass es sich um einen High-spin Komplex mit ${\ce {Fe^{2+}}}$ und ${\ce {NO^+}}$ handeln muss.

Erklärung der Notation

• In der Enemark-Feltham-Notation wird der Komplex als $\{\mathrm {M{(NO)}} _{x}\}^{n}$ Einheit beschrieben
• $x$ ist die Anzahl von Stickstoffmonoxid-Liganden
• $n$ ist die Summe der Valenzelektronen des Metalls und der Elektronen aus den π*-Orbitalen des Stickstoffmonoxid-Liganden
• Im π*-Orbital von NO⁺ sind Null Elektronen vorhanden, beim Radikal NO ist ein Elektron vorhanden und bei NO⁻ sind zwei Elektronen vorhanden

Beispiele für die Enemark-Feltham-Notation

Metall-Nitrosyl-Komplex	Enemark-Feltham-Notation $\{\mathrm {M{(NO)}} _{x}\}^{n}$	Anzahl der NO-Liganden $(x)$	Valenzelektronen des Metalls	M-N-O-Bindungswinkel	Ligand	Anzahl der Elektronen im $\pi ^{\star }$-Orbital $(n)$	Quelle
${\ce {[Cr(NO)(CN)_5]^{3-}}}$	${\ce {\{CrNO\}^5}}$	1	5	180°	${\ce {NO^+}}$	1
${\ce {[Cr(NO)(NH_3)_5]^{2+}}}$	${\ce {\{CrNO\}^5}}$	1	5	180°	${\ce {NO^+}}$	1
${\ce {[Mn(NO)(CN)_5]^{3-}}}$	${\ce {\{MnNO\}^6}}$	1		180°	${\ce {NO^+}}$	1
${\ce {[Fe(NO)(CN)_5]^{2-}}}$	${\ce {\{FeNO\}^6}}$	1		180°	${\ce {NO^+}}$	1
${\ce {[Fe(das)_2(NO)Cl]^{+}}}$	${\ce {\{FeNO\}^7}}$	1
${\ce {[Ru(NO)(Cl)_5]^{2-}}}$	${\ce {\{RuNO\}^6}}$	1		180°	${\ce {NO^+}}$	1
${\ce {[Co(NO)(NH_3)_5]^{2+}}}$	${\ce {\{CoNO\}^8}}$	1		180°	${\ce {NO^+}}$	1
${\ce {[Co(en)_2(NO)Cl]^{+}}}$	${\ce {\{CoNO\}^8}}$	1
${\ce {[Co(das)_2(NO)Cl]^{+}}}$	${\ce {\{CoNO\}^8}}$	1
${\ce {[Co(NO)(CO)[P(C_6H5)_3]_2]}}$	${\ce {\{CoNO\}^10}}$	1
${\ce {[Co(NO)(CO)_2[P(C_6H5)_3]]}}$	${\ce {\{CoNO\}^10}}$	1
${\ce {[Ir(NO)(CO)[P(C_6H_5)_3]_2]}}$	${\ce {\{IrNO\}^10}}$	1
${\ce {[Ir(NO)[P(C_6H_5)_3]_3]}}$	${\ce {\{IrNO\}^10}}$	1
${\ce {[Ni(NO)(N_3)[P(C_6H_5)_3]_2]}}$	${\ce {\{NiNO\}^10}}$	1
${\ce {K_3[Cr(NO)(CN)_5]}}$	${\ce {\{CrNO\}^5}}$	1
${\ce {Na_2[Fe(NO)(CN)_5]}}$	$\{{\rm {FeNO\}^{6}}}$	1
${\ce {K_3[Mn(NO)(CN)_5]}}$	${\ce {\{MnNO\}^6}}$	1
${\ce {K_2[Co(NO)(CN)_4(2-Cp)]}}$	${\ce {\{CoNO\}^8}}$	1
${\ce {[Mn(NO)_2(CN)_2(AMPPHP)]}}$	${\ce {\{Mn(NO)_2\}^7}}$	2
${\ce {[Mo(NO)_2(CN)_2(MPHP)_2]}}$	$\{{\rm {Mo(NO)_{2}\}^{6}}}$	2
${\ce {[Mn(NO)(CO)_4]}}$	${\ce {\{MnNO\}^8}}$	1
${\ce {[Ru(NO)(H)(PPh_3)_3]}}$	${\ce {\{RuNO\}^8}}$	1
${\ce {[Ir(NO)(H)(PPh_3)_3]^+}}$	${\ce {\{IrNO\}^8}}$	1
${\ce {[Os(NO)_2(PPh_3)_2(OH)]^+}}$	${\ce {\{Os(NO)_2\}^8}}$	2
${\ce {[RuCl(NO)_2(PPh_3)_2]^+}}$	${\ce {\{RuNO\}^8}}$	2

Erweiterte Enemark-Feltham-Notation

• TODO

Begründungsansätze

Die Änderung der elektronischen Struktur bei Abwinklung der Koordinationsgeometrie kann mithilfe der Valenzbindungstheorie oder der Molekülorbitaltheorie begründet werden.

• TODO

Beschränkungen des Formalismus und Kritik

• TODO

Experimentelle Bestätigung

Die Bestimmung der tatsächlich vorliegenden Oxidationsstufe (Physikalische Oxidationsstufe) ist nur mit experimentellen Methoden möglich. Als Methoden eignen sich zum Beispiel:

• Infrarotspektroskopie zur Untersuchung der Frequenz der ${\ce {N=O}}$ Schwingungen im Komplex. Durch die Änderung des Bindungswinkels ändert sich auch die Lage und Gestalt der IR-Schwingungsbanden. Allerdings ist eine eindeutige Zuordnung aufgrund der Lage der Bande allein nicht möglich, da es zu Überlappung von Absorptionsbereichen der ${\ce {N=O}}$ Streckschwingung kommen kann.
• Mößbauerspektroskopie (für Nitrosyl-Komplexe mit Mößbauer-aktiven Atomen als Koordinationszentrum), zum Beispiel zur Bestimmung des Spin- oder Oxidationszustandes des Zentralions.
• Magnetische Messungen zur Bestimmung des Spinzustandes um Rückschluss auf den Oxidationszustand des Koordinationszentrums zu ziehen.
• Röntgenemissionsspektroskopie (Valence-to-Core (VtC/V2C)-Messungen).
• Röntgenabsorptionsspektroskopie
• Elektronenspinresonanzspektroskopie
• Cyclovoltammetrie

Zudem können computergestützter Berechnungen wie z.B. DFT-Rechnungen zur Untersuchung der Struktur beitragen.(?)

Literatur

• Ram Charitra Maurya: Bioinorganic Chemistry: Some New Facets, 1. Auflage, De Gruyter 2021, ISBN 978-3110727296, S. 53-55, 64, 98-99.
• Sonja Herres-Pawlis, Peter Klüfers: Bioanorganische Chemie: Metalloproteine, Methoden und Konzepte, 1. Auflage, Wiley-VCH, ISBN 978-3527336159, S. 115.

• Thomas Albright, Jeremy K. Burdett, Myung-Hwan Whangbo: Orbital Interactions in Chemistry, John Wiley & Sons Inc, 2013, ISBN 978-0471080398, S. 489 (Kapitel 17.5).
• Birgit Weber, Koordinationschemie, Springer 2014, ISBN 978-3642416842, Kapitel 7.3.1, S. 119
• Wolfgang Kaim, Brigitte Schwederski: Non-innocent ligands in bioinorganic chemistry—An overview, Coordination Chemistry Reviews Volume 254, Issues 13–14, July 2010, Pages 1580-1588.
• J. Diamond, Nicolai Lehnert Thomas: The Biocoordination Chemistry of Nitric Oxide With Heme and Nonheme Iron Centers, Reference Module in Chemistry, Molecular Sciences and Chemical Engineering, 2017.
• Wolfgang Kaim, Brigitte Schwederski: Bioanorganische Chemie: Zur Funktion chemischer Elemente in Lebensprozessen, 4. Auflage, 2015, Vieweg+Teubner Verlag, ISBN 978-3519335054.

Siehe auch

• Metall-Nitrosyl-Komplexe