Benutzer:Loracco/Restitution
Vertreibungsschäden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Zuge der polnischen Westverschiebung am Ende des zweiten Weltkriegs wurden Vermögenswerte der Deutschen entschädigungslos enteignet. Die Enteignungen waren wirksam aber unzulässig, da Privateigentum nach der Haager Landkriegsordnung nicht eingezogen werden darf. Sie wurden auch durch spätere völkerrechtliche Verträge nicht legitimiert. Allerdings hat sich die Bundesrepublik Deutschland im Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstehender Fragen verpflichtet, frühere Eigentümer selbst zu entschädigen und Ansprüche und Klagen gegen ausländische Regierungen und Neueigentümer nicht zuzulassen. Der Bundeskanzler Gerhard Schröder bekräftigte diese Verpflichtung im Jahre 2004. Die früheren Eigentümer können sich auch nicht auf die Eigentumsgarantie der Europäischen Menschenrechtskonvention berufen, da die Enteignungsakte stattfanden, bevor sie in Kraft trat.
- Entziehung von Eigentum ohne Entschädigung
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden der deutschen Bevölkerung vor und nach der Vertreibung private Vermögenswerte in großem Umfang entzogen.Hierfür wurden zahlreiche Gesetze und Verordnungen erlassen, die auf die Entziehung des Privateigentums der deutschen Bevölkerung gerichtet waren. Am 06.05.1945 erging das Gesetz über das verlassene und aufgegebene Vermögen, durch das jegliches bewegliche und unbewegliche Vermögen deutscher Staatsangehöriger als aufgegeben bezeichnet und unter die Verwaltung des polnischen Finanzministeriums gestellt wurde. Mit Gesetz vom 03.01.1946 wurde das Eigentum der Deutschen an Industrie-, Bergbau-, Verkehrs-, Bank-, Versicherungs- und Handelsunternehmen entschädigungslos in das Eigentum des polnischen Staates überführt. Nach dem Dekret des Ministerrats vom 08.03.1946 ging sämtliches Vermögen der Deutschen kraft Gesetzes in das Eigentum des polnischen Staates über, mit Ausnahme unerlässlicher persönlicher Gebrauchsgegenstände. Eine Entschädigungsregelung war in dem Dekret nicht vorgesehen. Den Deutschen blieb nicht mehr als die Habseligkeiten, die in einen Koffer passten. Mit der Verordnung des Ministers für die wiedergewonnenen Gebiete vom 24.03.1946 wurde restliches deutsches bewegliches Vermögen noch erfasst und seinen neuen Besitzern auf Antrag zu den von den zuständigen Staatsorganen festgesetzten Bedingungen als Eigentum übertragen. Die Enteignungen sind heute noch wirksam, denn polnisches Recht war maßgeblich. [1] Die Sowjetunion trat trotz Präsenz der Roten Armee nicht als Besatzungsmacht auf und schuf kein Besatzungsrecht.
- Potsdamer Abkommen
Die Rechtmäßigkeit der Enteignungen ist strittig. Die Republik Polen beruft sich wegen der Rechtmäßigkeit dieser Enteignungen auf das Potsdamer Abkommen. Hier ergeben sich drei Rechtsfragen:
- Ist das Potsdamer Abkommen überhaupt ein völkerrechtlicher Vertrag?
- Ist im Potsdamer Abkommen geregelt, dass der polnische Staat jenseits von Oder und Neiße enteignen darf?
- Darf auf diese Art und Weise die Haager Landkriegsordnung umgangen werden?
Dass das Potsdamer Abkommen überhaupt ein verbindlicher völkerrechtlicher Vertrag ist, wird häufig verneint, weil es von den westlichen Parlamenten keine Zustimmungsgesetze gibt und über Zustimmungsgesetze der UdSSR nichts bekannt ist.
Im Potsdamer Abkommen sind neben vielem anderen Reparationen geregelt. Reparationen sind von Staaten zu erbringende Ablieferungen, die Private nur mittelbar tangieren, z.B durch höhere Preise oder höhere Steuern und Abgaben. Reparationen rechtfertigen nicht Beschlagnahmen in einem besetzten Gebiet. Eine Sonderregelung gilt für die UdSSR: Reparationsansprüche sollen durch Entnahmen aus der von der UdSSR besetzten Zone in Deutschland und durch angemessene deutsche Auslandsguthaben befriedigt werden.
Die UdSSR ist verpflichtet, die Reparationsansprüche Polens aus ihrem eigenen Anteil an den Reparationen zu befriedigen. Aus dieser Sonderregelung für die UdSSR ergibt sich keine Befugnis für polnische Behörden zur Enteignung von Privateigentum im polnisch verwalteten Gebiet.
Gemäß Art. 46 der Haager Landkriegsordnung darf Privateigentum nicht eingezogen werden. Soweit Sachen beschlagnahmt werden, die kriegsgeeignet sind, müssen sie bei Friedensschluss zurückgegeben und die Entschädigung geregelt werden. Die Frage, ob durch das Potsdamer Protokoll die Regeln der Haager Landkriegsordnung umgangen werden durften, wird verneint, weil die Regeln des Potsdamer Abkommens gerade nicht im Widerspruch zu den Regelungen der Haager Landkriegsordnung stehen sollten.
Nicht mehr von Bedeutung ist die Streitfrage, ob sich Polen überhaupt auf das Potsdamer Abkommen berufen kann, da es nicht Vertragspartei ist. Hier hat sich nämlich die Meinung durchgesetzt, dass das Potsdamer Abkommen ein Vertrag zugunsten Polens ist, auch wenn dieser Staat an der Verabredung dieses Protokolls nicht teilgenommen hat.
Insgesamt ist nach deutscher Auffassung das Potsdamer Abkommen keine Grundlage für Enteignungen.[2]. Die deutsche Auffassung hat den Vorzug, dass sie nicht über den Wortlaut des Potsdamer Abkommens hinausgeht, während die polnische Seite hier das Potsdamer Abkommen stark überinterpretieren muss.
- Spätere völkerrechtliche Verträge
Auch die zweiseitigen völkerrechtliche Verträge legitimieren die Enteignungen nicht. Der Görlitzer Vertrag zwischen der DDR und Polen ist nur ein Abkommen über die Markierung der Oder-Neiße-Grenze. Hier handelt es sich um eine rein öffentlich-rechtliche Vereinbarung zur Markierung von als bestehend angenommenen Grenzen und bezieht sich also auf das Staatsgebiet und nicht auf Fragen deutschen Vermögens.
Der Warschauer Vertrag, der am 03.06.1973 mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft getreten ist, hat zum Inhalt, dass die Bundesrepublik Deutschland und Polen die Unverletzlichkeit (nicht die Rechtmäßigkeit) ihrer bestehenden Grenzen bekräftigen. Der Inhalt des Warschauer Vertrages ist umstritten. Handelt es sich hier um einen Grenzvertrag oder nur um einen Gewaltverzichtsvertrag? Diese Frage ist aber für deutsches Vermögen ohne Belang. Deutsches Vermögen östlich von Oder und Neiße wird in diesem Vertrag nicht erwähnt. Demzufolge befand das Bundesverfassungsgericht , dass der Warschauer Vertrag keine Vermögensrechte schmälert [3]). Insoweit stellt der Warschauer Vertrag keine Eingriffsgrundlage in deutsches Vermögen oder die Feststellung der Entschädigungslosigkeit dar.
Der Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12.09.1990 (umgangssprachlich 4+2-Vertrag) enthält keine Regelungen über deutsches Vermögen. Auch hier werden Enteignungen weder für rechtmäßig erklärt noch die Entschädigungslosigkeit vereinbart.
Gleiches gilt auch für den wichtigen Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17.06.1991. Im Begleitschreiben zum Nachbarschaftsvertrag gibt es aber die mehrdeutige Formulierung: „Beide Seiten erklären übereinstimmend: Dieser Vertrag befasst sich nicht mit Fragen der Staatsangehörigkeit und nicht mit Vermögensfragen.“ Auf deutscher Seite liest man den Vertrag so, dass mit diesem Vertrag auf nichts verzichtet wird. Auf polnischer Seite liest man den Vertrag mit entgegengesetztem Inhalt: der Vertrag befasse sich nicht mit Ansprüchen Deutscher, weil es auch keine gäbe.
- Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstehender Fragen
Allerdings hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, ihren Bürgern keine rechtlichen Möglichkeiten zur Verfolgung von Ansprüchen im Zusammenhang mit den Enteignungen einzuräumen und die Betroffenen selbst zu entschädigen.
Am 05.05.1955 trat der Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Westmächten (Deutschlandvertrag) in Kraft. In Art. 1 Abs. 2 heißt es: „Die Bundesrepublik Deutschland wird demgemäß die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten haben.“ Dieser Vertrag enthält in Art. 8 Abs. 1 a) einen Hinweis auf den Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen. Dieser Vertrag wird auch häufig etwas nichtssagend als Überleitungsvertrag bezeichnet. Dort lautet im 6. Teil unter der Überschrift Reparationen Art. 3 Abs.1: „Die Bundesrepublik Deutschland wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslandsvermögen durchgeführt worden sind, das beschlagnahmt worden ist für die Zwecke der Reparation oder Restitution oder aufgrund von Abkommen, die die drei Mächte mit anderen alliierten Staaten geschlossen haben oder schließen werden.“
In Art. 3 Abs. 3 des Überleitungsvertrages heißt es: „Ansprüche und Klagen gegen Personen, die aufgrund des Absatzes 1 Eigentum erworben oder übertragen haben sowie Ansprüche und Klagen gegen ausländische Regierungen werden nicht zugelassen.“ Die Bundesrepublik Deutschland darf also weder einen Gerichtsstand schaffen noch sonstige gegen Polen gerichtete Vorschriften erlassen. Diese Vorschrift alleine würde viele Geschädigte ohne Entschädigung lassen und Animositäten gegen die Siegermächte schüren. In Art. 5 des Überleitungsvertrages verpflichtet sich deshalb die Bundesrepublik, die früheren Eigentümer der Werte, die aufgrund der Nachkriegsmaßnahmen beschlagnahmt worden sind, zu entschädigen. Dies ist einer der Ursprünge des Lastenausgleichsgesetzes.
Am 27. und 28.09.1990 wurde zwischen den Westalliierten und Westdeutschland der so genannte 3+1-Vertrag geschlossen. In diesem Vertrag wurde der Deutschlandvertrag aufgehoben, aber aus dem Teil 6 „Reparationen“ des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vom 23.10.1954 der Artikel 3 mit den wichtigen Absätzen 1 und 3 aufrechterhalten. An diese Regelung ist auch das wiedervereinigte Deutschland gebunden, weil die DDR der Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist. Die Auffassung vertritt auch der Internationalen Gerichtshof in Den Haag [4]().
Um die Unklarheiten aus dem Begleitschreiben zum deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag zu beseitigen bekräftigte der Bundeskanzler Gerhard Schröder am 01.08.2004 noch einmal die Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vom 05. Mai 1955 (Überleitungsvertrag):
„Deshalb darf es heute keinen Raum mehr für Restitutionsansprüche aus Deutschland geben, die die Geschichte auf den Kopf stellen. Die mit dem zweiten Weltkrieg zusammenhängenden Vermögensfragen sind für beide Regierungen kein Thema mehr in den deutsch-polnischen Beziehungen. Weder die Bundesregierung noch andere ernst zu nehmende politische Kräfte in Deutschland unterstützen individuelle Forderungen, soweit sie dennoch geltend gemacht werden. Diese Position wird die Bundesregierung auch vor allen internationalen Gerichten vertreten.“ Insoweit steht fest, dass die Bundesregierung anders als im Begleitschreiben zum Nachbarschaftsvertrag die Geltendmachung zwischenstaatlicher Ansprüche von Deutschland gegen Polen eindeutig ausschließt, dass sie diese Ansprüche als rechtsgrundlos betrachtet und dass sie individuelle Forderungen auf Restitution keinesfalls unterstützen wird.
- Keine Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention
Es bleibt zwar dabei, dass in Deutschland nicht gegen polnische Behörden geklagt werden kann. Allerdings schließt dies nicht aus, dass in Polen oder vor internationalen Gerichten geklagt werden kann. Es bleibt aber dem polnischen Staat überlassen, seine Regelungen beizubehalten, wonach die Enteignungen rechtmäßig waren und keine Entschädigung gewährt werden muss. Sie widersprechen nicht der Eigentumsgarantie der Europäischen Menschenrechtskonvention. Die Vermögenswerte wurden nämlich vor 1953 enteignet und die Europäische Menschenrechtskonvention galt erst seit 1953. Sie gilt nicht für Rechtshandlungen, die vor ihrer Geltung vorgenommen wurden. Diese Rechtsauffassung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehrfach bekräftigt [5]);[6]. Zusammengefaßt sind die Enteignungen nach polnischer Auffassung rechtmäßig, nach deutscher Auffassung unrechtmäßig, aber wirksam und unumkehrbar. Der Lastenausgleich schuf hier eine Erleichterung, blieb aber auf das Gebiet der alten Bundesrepublik beschränkt
Literatur
Jan Barcz/Jochen A. Frowein, Gutachten zu Ansprüchen aus Deutschland gegen Polen in Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg, ZaöRV 2005, 625ff
Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin ( „Potsdamer Abkommen“ ) vom 2. August 1945, Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Ergänzungsblatt Nr 1, S. 13-20
Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen ( „Überleitungsvertrag“ ), BGBl II, 405ff
BVerfG, Urteil vom 23. April 1991, 1 BvR 1170/90, BVerfGE 84, 90-132
BVerfG, Urteil vom 7. August 1975, 1 BvR 274/72, BVerfGE 40, 141-179
International Court of Justice, Liechtenstein vs. Germany, 2005 10 February, General List No. 123
European Court of Human Rights, Case of Hans – Adam II of Liechtenstein vs. Germany, Application no. 42527/98, 12 July 2001,
European Court of Human Rights, Preussische Treuhand vs. Poland, Application no. 47550/06, 7 October 2008
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ BVerfG, Urteil vom 23. April 1991, Az.1 BvR 1170/90
- ↑ Barcz/Frowein,Gutachten zu Ansprüchen aus Deutschland gegen Polen in Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg, ZaöRV 2005, 625ff
- ↑ BVerfG, Urteil vom 07.07.1975, Az.1 BvR 274/72
- ↑ Liechtenstein gegen Deutschland, Urteil vom 10. Februar 2005, Az.: 123/2005
- ↑ Fürst Hans Adam II gegen Deutschland, Urteil vom 12.Juli 2001, Az. 42 527/98
- ↑ Preussische Treuhand gegen Polen, Urteil vom 7. Oktober 2008, Az. 47 550/06