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Abstrakte Malerei
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Abstrakte Malerei oder Absolute Malerei (vergl. Abstrakte Kunst) ist zunächst ein Begriff der Kunstwissenschaft und Kunstkritik zur Bezeichnung einer Methode der Malerei der Moderne. Ihre Ursprünge liegen in der Zeit um 1910. Man versteht diese Methode als ein reines Ordnen oder Komponieren mit Farben, Kontrasten, Linien, geometrischen Formen, ohne gemeinte oder erkennbare Abbildung von Gegenständen. Abstrakte Malerei bedeutet den Bruch mit einem fundamentalen Grundprinzip traditioneller Malerei, wo die Objektbezogenheit gerade universaler und stilunabhängiger Bezugspunkt ist.
Abstrakte Malerei war von Anfang an, neben begeisterter Verteidigung, Ziel vielfältiger Polemik, aber auch Gegenstand ernsthafter Kritik bedeutender Künstler und Kunsthistoriker. Sie erscheint als eine notwendige Entwicklung innerhalb einer allgemeinen Tendenz der Kunst der Moderne zur Abstraktion; insbesondere aber als eine Konsequenz aus Einflüssen des Neoimpressionismus, Fauvismus, des Expressionismus und des Kubismus. Wassily Kandinsky (1866-1944) und Robert Delaunay (1885-1941) zählen zu den maßgeblichen Begründern Abstrakter Malerei. Wichtig im Kontext ist die etwa zeitgleiche Entstehung der Atonalen Musik Arnold Schönbergs. Die wohl legendärste und kontroverseste Abstrakte Malerei entsteht bereits im Jahr 1913. Es ist das so benannte Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch.
Zur Zeit ihrer Entstehung bildete sich um die Abstrakte Malerei keine bestimmte Gruppierung von Künstlern. Sie blieb lange eine mehr oder weniger unabhängig von verschiedenen Malern angewandte Methode, die sich ab 1910 rasch in Europa verbreitete. Im Jahr 1913 kann man bereits von einer Mode sprechen. Heute ist Abstrakte Malerei integraler Bestandteil der Kunst der Moderne.
Infolge ihrer Geschichte wurde der Abstraktions-Begriff in Bezug auf die Bildende Kunst immer erweitert. Abstrakte Malerei konnte schließlich jede beliebige Form vereinfachter Darstellung bezeichnen, bis in die Kunst der Naturvölker. Gegen den so geweckten und theoretisch genährten Schein Abstrakter Kunst als zeitlose, universale Kunstbewegung, wird insbesondere der ganz andere Zusammenhang von Kunst in der Moderne eingewandt. Abstrakte Malerei im engeren Sinn ist ohne den Hintergrund der Säkularisierung des Kunstwerkes, bzw. der Herausbildung des "Autonomen Kunstwerks" (Adorno) in der Moderne unverständlich.
Abstrakte Malerei zerfiel nach ihrer Entstehung rasch in eine Reihe von Stilen. Ihre stilübergreifende Einteilung in eine: expressive Abstraktion (Kandinsky) und eine geometrische Abstraktion (Malewitsch, Theo van Doesburg, Piet Mondrian), bzw. in eine lyrische und eine konstruktiv-geometrische Form hat wesentlich äußerliche Merkmale im Auge, weniger methodische Unterschiede. Im Sinne der Revolution ihrer Methode bildet ihre Anwendung durch die Surrealisten einen gewissen Abschluss (vergl. Automatismus). Bekanntester Vertreter dieser Methode, des später so benannten Abstrakten Expressionisnus, bzw. Action Painting, wird der Amerikaner Jackson Pollock; bahnbrechend waren hier jedoch andere Maler, so der französische Surrealist André Masson.
Eine Reihe interessanter Probleme ins Spiel bringen die Sonderfälle der Malerei von Tieren, Kunstwerke von Kindern und so genannter "Geisteskranker". Deren abstrakte Ausdrucksformen werkartigen Charakters werden bald von der Kritik in den Status universalen Ideals erhoben, bald soll mangelnde Intention und Qualität diese aus dem Kreis der Kunstwerke ausschließen.
Geschichte und Theorie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Abstraktionen oder vereinfachte Darstellungen von Wirklichkeit sind so alt wie die Kunst. Insbesondere nimmt im Ornament die Abstraktion verselbständigte Form an und findet sich als integrales Bestandteil bildender Kunst praktisch in jeder Epoche jeder Kultur. Als solche hat Abstraktion niemals gesellschaftliche Konflikte ausgelöst, ganz anders als gegenständliche Ausdrucksformen, etwa im Zusammenhang mit dem Bilderverbot. Das ändert sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Besonders seit mit dem Impressionismus zum ersten mal nicht nur einzelne Künstler wie Eugene Delacroix oder Édouard Manet, sondern eine gesamte Kunstrichtung auf Grund nicht von Inhalten, sondern von methodisch angewendeten Vereinfachungen Ziel der Kritik wurde.
Tatsächlich standen diese Vereinfachungen zunächst keineswegs im Widerspruch zur allgemeinen Realismus-Tendenz in der bildenden Kunst. Insbesondere war der Impressionismus die letzte maßgebliche realistische Kunstbewegung. Die wesentlich von ihm eingeführte Vereinfachung diente dem Erhalt des unmittelbaren Eindrucks vor der Natur. Einen selbständigen Wert hatte sie nicht. Paul Cézanne bezeichnet Camille Pissarro als einen der wegweisenden Künstler für den Schritt weg von dem traditionellen Mischen der Farben: "Schon 1865 hat er verzichtet auf Schwarz, Terra di Siena und Ocker. Das ist Tatsache. Male nie anders als mit den Grundfarben und ihren unmittelbaren Ableitungen, sagte er mir. Er war der erste Impressionist. Impressionismus, was heißt das? Es ist die optische Mischung der Farben."
Diese bereits im antiken und mediovalen Mosaik angewendete Methode, jetzt aber auf der Grundlage eines sehr weit entwickelten Realismus in der bildenden Kunst und der seit der Renaissance neuartig vertieften Farbmodulation, stellte den Anspruch an das Kunstverständnis auf eine neue Stufe. Ungeschulte Betrachter fanden sich vor scheinbar aufgelösten Objekten. Wassily Kandinsky sah 1895 auf einer Moskauer Ausstellung einen der "Heuschober" Monets und schreibt in "Rückblicke" (1913): "Vorher kannte ich nur realistische Kunst ... Daß es ein Heuhaufen war, belehrte mich der Katalog. Erkennen konnte ich ihn nicht. Dieses Nichterkennen war mir peinlich. Ich fand auch, dass der Maler kein Recht hat, so undeutlich zu malen. Ich spürte undeutlich, dass der Gegenstand in diesem Bild fehlte und merkte mit Erstaunen und Verwirrung, dass das Bild nicht nur packt, sondern sich unverwischbar in das Gedächtnis einprägt ... ich konnte damals die einfachen Schlußfolgerungen aus diesem Erlebnisses nicht ziehen. ... Die Malerei bekam eine märchenhafte Kraft und Pracht. Unbewußt war dadurch aber auch der Gegenstand als unerläßlicher Bestandteil des Bildes diskreditiert." Dieser Rückblick Kandinskys geht auf eine Epoche in welcher die Ideen des Symbolismus, des Spätimpressionismus und ähnlicher Strömungen die Abkehr von der allgemeinen, seit dem Frühmittelalter wirksamen Realismus-Tendenz einleiten. So spricht etwa Paul Gaugin beispielhaft von dem: "schrecklichen Irrtum des Naturalismus" (z. n. Rewald, von van Gogh bis Gaugin p.301).
Die "einfachen Schlußfolgerungen" Kandinskys, deren letzte Konsequenz er und verschiedene Künstler ab etwa 1910 mit der reinen Abstraktion vollzogen, wurden in Folge manifestartige Behauptung einer epochalen Befreiung und Überwindung der Tradition. Eine Beschränkung der Malerei durch Objekte sollte der wahren und reinen Kunst im Weg stehen. Franz Marc etwa schreibt über Robert Delaunay in einem Brief an Kandinsky (1912): "die Bilder sind für ihn eine ganz überwundene, falsche Sache; er arbeitet sich zu wirklich konstruktiven Bildern durch, ohne jede Gegenständlichkeit, man könnte sagen: rein klangliche Fugen". Derain drückt Vlaminck gegenüber aus, dass die realistische Epoche zu Ende ist: "Man beginnt erst jetzt wirklich zu malen ... dass die Linien, die Farben in ihrem Parallelismus zur Lebensbasis eine Beziehung zu dieser haben, die stark genug ist, zu erlauben, dass man in ihrer reziproken und unendlichen Existenz ein Feld sucht und findet, das nicht neu, aber wirklicher und vor allem einfacher in seiner Synthese ist."
Bezeichnend für die Revolution abstrakter Kunst war ihr theoretischer Aufwand zur Begründung und Rechtfertigung. Kandinsky als der theoretische Protagonist reiner Abstraktion schrieb seine maßgebliche Schrift "Über das Geistige in der Kunst" bevor er sein erstes abstraktes Bild malte. Rückblickend meint er (1930): "Schwabing war eine geistige Insel ... Dort habe ich das erste abstrakte Bild gemalt. Dort trug ich mich mit Gedanken über -reine Malerei-, reine Kunst herum, träumte von der kommenden -großen Synthese-". Wo hier aber jener erträumten "großen Synthese" der Zusammenhang zur Tradition abriss, ging die Theorie oft fließend vom Topos einer überwundenen Tradition in den einer zu erlösenden Menschheit über. So heißt es etwa in Kandinskys "Rückblicke": "Ich glaube, dass die künftige Philosophie außer dem Wesen der Dinge, auch ihren Geist mit besonderer Aufmerksamkeit studieren wird. Dann wird die Atmosphäre gebildet, die den Menschen im allgemeinen die Fähigkeit ermöglichen wird, den Geist der Dinge zu fühlen, diesen Geist, wenn auch ganz unbewusst von den Menschen im allgemeinen erlebt wird, was den Genuss des Publikums an der gegenständlichen Kunst erklärt. Dadurch aber wird der Mensch im allgemeinen erst das Erleben des Geistigen in den materiellen Dingen bedingt. Und durch diese neue Fähigkeit, die im Zeichen des "Geistes" stehen wird, kommt der Genuss der abstrakten = absoluten Kunst zustande." Mondrian die "Realität" "den Geistigen entgegengesetzt" (z.n. Fischer, Geheimlehren).
"Wenn es nicht die -inneren Töne- des Gegenstandes gäbe, würde die Frage der abstrakten Begrenzungen oder der durch einen Gegenstand gegebenen Grenzen nicht existieren. Meiner Ansicht nach lässt die geometrische Begrenzung der Farbe eine grössere Möglichkeit, eine reine Vibration hervorzurufen, als die Grenzen eines beliebigen Gegenstandes, die immer viel aufdringlicher und beengender reden, dadurch, dass sie eine ihnen eigene Erregung hervorrufen (Pferd, Gans, Wolke...). Die -geometrischen- oder -freien- Grenzen, die nicht an einen Gegenstand gebunden sind, rufen, wie die Farben, Erregungen hervor, die aber weniger präzis festgelegt sind als diejenigen eines Gegenstandes. Sie sind freier, elastischer, abstrakter." Wassily Kandinsky, Die Kunst von heute ist lebendiger denn je, 1935)
Matisse etwa äußert im Gespräch mit Picasso anhand von Reproduktionen einiger Werke Jackson Pollocks: "Ich glaube, ich bin unfähig, diese Art Malerei zu beurteilen ... sobald er einen Punkt erreicht hat, an dem er sich nicht mehr auf das bezieht, was für mich Malerei ist, kann ich ihn nicht mehr verstehen. Ich kann ihn noch nicht einmal beurteilen." aber weiter: "Ich bin gegen das ganze Zeug. Was diese neuen Maler betrifft, so glaube ich, es ist einfach ein Fehler, sich selbst aufzugeben und sich in der Gebärde zu verlieren." Matisse fordert in der Malerei "eine Form ... die einen gewissen Bezug zur sichtbaren Welt hat ... sonst ist die Malerei nicht mehr als irgendein Glückstopf ... aus dem jeder herausziehen kann, was er selbst hineingeworfen hat." (zitiert nach Françoise Gilot)