Benutzer:Remo Althaus/Entwurf
Remo Althaus
Während des Zweiten Weltkrieg schickte die Schweiz vier sogenannte Schweizerischen Ärztemissionen an die deutsch-sowjetische Ostfront. Getarnt als neutrale Missionen unter dem Patronat des Schweizerischen Roten Kreuz (SRK), waren es Missionen auf deutscher Seite. Geplant und geleitet wurden sie von deutschfreundlichen Schweizern.
Idee für die Ärztemissionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als am 22. Juni 1941 Deutschland einen überfallmässigen Angriffskrieg mit drei Millionen Soldaten gegen die Sowjetunion eröffnete, war Eugen Birchler eine sehr einflussreiche Persönlichkeit in der Schweiz. Er war Chirurg, Direktor des Kantonspital Aarau, Offizier und rechtsbürgerlicher Politiker auf dem Weg ins Parlament.
Aus seinen weltanschaulichen Präferenzen hat der Militärtheoretiker nie einen Hehl gemacht. Sein Herz schlug für Deutschland, dessen Militarismus er uneingeschränkt bewunderte. Als es zur direkten Konfrontation zwischen Deutschland und der Sowjetunion kam, war für Bircher klar, dass die neutrale Schweiz im Rahmen ihrer Möglichkeiten Deutschland zur Seite stehen muss. Der glühende Antikommunist hatte bereits einen Plan, für den er seine Erfahrungen als weltweit anerkannter Chirurg und Offizier in die Waagschale werfen konnte: Schweizer Ärzte und Krankenschwestern sollen an die Ostfront reisen und dort in den Lazaretten verwundete Soldaten pflegen. Leiten will Bircher die Mission höchstpersönlich.
Es gab bereits eine Ärztemission die nach Finnland reiste,
Planung der Missionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hilfe bei der Planung der Mission fand Bircher bei dem Diplomaten Hans Frölicher, der seit 1938 offiziell die Eidgenossenschaft in Berlin vertritt. Hans Frölicher hatte eine ähnliche Weltanschauung wie Bircher, verehrte autoritäre Regime und unterhielt aus der Botschaft heraus enge Kontakte zu führenden Grössen des Naziregimes.
Komitee für Hilfsaktionen unter dem Patronat des Schweizerischen Roten Kreuzes
Für die Unterstützung der Ärztemission wandten sie sich an Ferdinand Sauerbruch. Der deutsche Starchirurg hatte von 1910 bis 1918 an der Universität Zürich gelehrt und war eng mit Bircher befreundet. Bei einem Treffen im bündnerischen Tarasp im Juli 1941 sprachen die drei Männer zum ersten Mal über die «Chirurgenmission». Doch der Direktor der Berliner Charité-Klinik riet von dem Vorhaben ab: Die Schweiz gewinne mit dieser Mission nichts. Eine unmittelbare militärische Bedrohung hatte sie nicht zu fürchten, sie bleibt aber auch so bei den Parteigenossen aus weltanschaulichen Gründen sehr unbeliebt, hält Sauerbruch fest. Trotzdem wollte er die Mission unterstützen, so gut er könne.
Aus grundsätzlichen neutralitätspolitischen Überlegungen lehnt der Bundesrat die Entsendung von Medizinern mitten ins Kriegsgeschehen ab. Doch Bircher bekleidet ein Amt, das seinen Traum von einem Fronteinsatz schliesslich möglich macht: Er gehört der Leitung des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) an. Indem er die Aktion dem Roten Kreuz unterjubelt, versieht er das neutralitätspolitisch äusserst heikle Unternehmen mit einem humanitären Mäntelchen. Formell geschieht dies, indem die beiden Freunde des «Dritten Reiches» das Komitee für Hilfsaktionen unter dem Patronat des Schweizerischen Roten Kreuzes gründen. Die erste Sitzung findet am 27. August 1941 statt. Finanziert werden soll die «rein private Aktion» hauptsächlich durch Spenden von grossen Schweizer Industriefirmen. Ein Hindernis gilt es noch zu überwinden: Bircher will die Mission unbedingt leiten, und dies lässt sich nur schwer mit seiner Stellung als aktiv im Dienst stehender Divisionskommandant vereinbaren. Nach einigem Hin und Her finden General Henri Guisan und Verteidigungsminister Karl Kobelt einen Kompromiss: Bircher werden drei Wochen Urlaub gewährt für die «im Landesinteresse liegende Mission».
Spenden
Durchführung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Regeln
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für die Schweizer Ärzte, Chirurgen, Krankennschwestern und Krankenhelfer gab es strenge und für eine neutrale Mission fragwürdige Regeln: Erlaubt war medizinische Hilfe nur bei deutschen Soldaten. Das Fotografieren wie auch das Schreiben von Tagebüchern war verboten, sowie jeglicher Kontakt mit den gefangenen russischen Soldaten und der Zivilbevölkerung. Reglement vom 13. Oktober 1941, Bern,[1]
1. Die Mission wird eingeführt und den massgebenden Stellen übergeben durch Oberstdivisionär Eugen Bircher. Sie steht unter der organisatorischen Leitung von Oberstleutnant von Wyttenbach. Ihm ist als fachtechnischer Berater beigegeben Dr. E.Ruppaner, Chefarzt, Kreisspital Samaden.
2. Sämtliche Teilnehmer verpflichten sich zur absoluten strikten Befolgung der von der organisatorischen Leitung beschlossenen Anordnungen.
3. Über alle Beobachtungen und Feststellungen medizinischer Natur gilt das ärztliche Berufsgeheimnis, ebenso ist über alle übrigen Beobachtungen strengstes Stillschweigen befohlen, im Interesse der Aufgabe der Mission.
4. Jegliche Kritik oder Diskussion politischer Natur ist strikte verboten. Taktvolles benehmen gegenüber den deutschen vorgesetzten Stellen und der Bevölkerung ist Ehrensache.
5. Jegliches Photographieren ist verboten.
6. Vorträge oder Publikationen dürfen nur mit Einwilligungen des Komitees stattfinden.
7. Jede Widerhandlung gegen die Vorschriften bedingt sofortige Entlassung und Rücksendung durch den verantwortlichen Leiter.
Etwas wussten die teilnehmenden Schweizer damals nicht: In einem von General Friedrich Olbricht und von SRK-Präsident Johannes von Muralt unterzeichneten Dokument wurde festgehalten, dass die Schweizer Freiwilligen in aller Form dem nationalsozialistischen Wehrrecht unterstanden. (Dokument suchen) Dieses verlangte bei Vergehen gegen das «Dritte Reich» auch für die in deutschen Diensten stehenden Ausländer die Todesstrafe. Die Vereinbarung wurde geheim gehalten. [2]
Erste Ärztemission
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vom 15. Oktober 1941 bis 19. Januar 1942 in Smolensk.
Teilnehmer:
- 30 Ärzte
- 30 Krankenschwestern
"Am 15. Oktober 1941 vormittags bestieg in Bern eine Gruppe von 22 Ärzten, 30 Krankenschwestern, 3 Sekretarinnen, 1 Sekretar und 2 Chirurg. Wärtern die zwei von der SBB in zuvorkommender Weise zur Verfügung gestellten II.-Klass-Wagen und fuhr über Zürich-Schaffhausen nach Singen. Die Mission war vom deutschen Militärattaché in Bern, Herrn Oberst von Ilsemann begleitet. Eine motorisierte Gruppe von 9 Ärzten und 12 Motorfahrern waren am gleichen Tage in Aarau unter Leitung von Oberstdivisionär Bircher abgefahren, um in Thayngen die Grenze zu überschreiten. Eine erste Gruppe erreichte ohne eine Kontrolle durch die schweizerischen und deutschen Grenzorgane durchmachen zu müssen nach angenehmer Fahrt am folgenden Tage Berlin begrüsst durch den schweizerischen Gesandten, Dr. Frölicher, und Oberfeldarzt Schlegel von der Heeres-Sanitätsinspektion, der sich im der Mission in angenehmster Weise annahm und sie entsprechend betraute. Die Autogruppe erreichte nach übernachten in Nürnberg nachmittags Berlin."
"Mitte Dezember reisten zwei Chirurgen (Hptm. Renfer und HD-Arzt Nicolet) aus persönlichen Gründen nach Hause. Ihre Stellen wurden durch zwei Herren eines vorgeschobenen Postens, der aufgehoben worden war, besetzt. Auf Ende des Jahres kehrte Major Baumann ebenfalls nach Hause zurück. Es sei hier gleich bemerkt, dass die vorzeitige Rückkehr dieser Herren von den Missionsmitgliedern nicht verstanden und unangenehm empfunden wurde."[3]
Zweite Ärztemission
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vom 8. Januar 1942 bis 14. April 1942 in Warschau.
Teilnehmer:
- 28 Ärzte
- 26 Krankenschwestern
- 4 Wärter
- 3 Sekretäre
Dritte Ärztemission
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vom 18. Juni 1942 bis 29. September 1942 in Riga, Dünaburg und Pleskau.
Teilnehmer:
- 29 Ärzte
- 30 Krankenschwestern
- 5 Wärter
- 6 Sekretäre
Vierte Ärztemission
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vom 24. November 1942 bis 9. März 1943 in Stalino, Rostow und Charkow.
Teilnehmer:
- 18 Ärzte
- 22 Krankenschwestern
- 6 Wärter
- 5 Sekretäre
Verbot von Vortragstätigkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nachdem alle Teilnehmerin die Schweiz zurückkehrten, war es ihnen nach dem Reglement (Vorträge oder Publikationen dürfen nur mit Einwilligungen des Komitees stattfinden) verboten über ihre Erlebnisse kritische Vorträge zu halten, Bücher oder Berichte zu schreiben. Viele konnten erst Jahrzehnte später veröffentlicht werden.
Rudolf Bucher hielt Vorträge im Kanton Zürich, wo er damals auch lebte. (hier Bild von Unterlage mit allen Orten)
Unter anderem sprach er im Volkshaus Zürich vor zweimal 1200 Personen über seine Erfahrungen aus seiner Teilnahme an der ersten Ärztemission nach Smolensk.
Brief vom Stellvertreter des Rotkreuz-Chefarztes, Oberstleutnant Martz, an den Vorsteher des Justiz-Departements, Bundesrat Steiger.
2x dem Armee-Auditor in Kenntnis gesetzt über die Vorträge Buchers. Das erste Mal im Juni 1943, beim zweiten Mal im Januar 1944 geschah es auf Druck des deutschen Militärattachés hin.
Zusätzlich fragte Martz bei verschiedenen Stellen in der Stadt und im Kanton Zürich nach (Abtg. Presse und Funkspruch, Ter.Kdo, Pressechef und den Polizeiof. und bei der Direktion der Kantonspolizei Zürich.) • Birchers Vorträge (suchen im OZ)
Bircher hielt ebenfalls Vorträge, nachzulesen in der Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitung (heute Militärzeitschrift): Kriegserfahrungen, nach einem im Winter 1942/43 in verschiedenen Offiziersgesellschaften der Schweiz gehaltenen Vortrag.
Weitere Schweizer Ärztemissionen im Zweiten Weltkrieg
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nebst den Ärztemissionen an der Ostfront, gab es weitere Missionen die in betroffene Länder reisten.[4]
• Ärztemission an der finnisch- russischen Front
• Ärztemission nach Kroatien
• Ärztemission zur jugoslawischen Befreiungsarmee
• Ärztemission zur französischen Armee
• Ärztemission nach Kanada für die Untersuchung von Kriegsgefangenen zur Heimschaffung
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Rudolf Bucher: Zwischen Verrat und Menschlichkeit: Erlebnisse eines Schweizer Arztes an der deutsch-russischen Front 1941/42. Frauenfeld 1967.
- ↑ Aschwanden, E. (2020). Ab an die Ostfront: Schweizer Ärzte pflegen Hitlers verwundete Soldaten. Neue Zürcher Zeitung NZZ
- ↑ Schweizerisches Bundesarchiv, J2.15-02#1977/152#3*, Az. A.2, Handakten Dr. H. Martz, ehemaliger Rotkreuzchefarzt-Stellvertreter betr. das Komitee für Hilfsaktionen bzw. die Ostfrontmissionen, 1941 - 1943
- ↑ Schweizerisches Bundesarchiv, E27#06.C.3.c.6.e, Ärztemissionen (Serie), 1940 - 1946