„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldetenUnmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude [wage es verständig zu sein]! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ (Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?Berlinische Monatsschrift, 1784,2, S. 481-494)
„Bei der lexikalischenZusammenfassung alles dessen, was in die Bereiche der Wissenschaften, der Kunst und des Handwerks gehört, muss es darum gehen, deren gegenseitige Verflechtungen sichtbar zu machen und mithilfe dieser Querverbindungen die ihnen zugrunde liegenden Prinzipien genauer zu erfassen [...] es geht darum, die entfernteren und näheren Beziehungen der Dinge aufzuzeigen, aus denen die Natur besteht und die die Menschen beschäftigt haben, ein allgemeines Bild der Anstrengungen des menschlichen Geistes auf allen Gebieten und in allen Jahrhunderten zu entwerfen.“ (aus dem „Discours préliminaire“ der Encyclopédie von Jean Baptiste le Rond d'Alembert)
„Tatsächlich zielt eine Enzyklopädie darauf ab, die auf der Erdoberfläche verstreuten Kenntnisse zu sammeln, das allgemeine System dieser Kenntnisse den Menschen darzulegen, mit denen wir zusammenleben, und es den nach uns kommenden Menschen zu überliefern, damit die Arbeit der vergangenen Jahrhunderte nicht nutzlos für die kommenden Jahrhunderte gewesen sei; damit unsere Enkel nicht nur gebildeter, sondern gleichzeitig auch tugendhafter und glücklicher werden, und damit wir nicht sterben, ohne uns um die Menschheit verdient gemacht zu haben.“ (im Artikel „Encyclopédie“ von Denis Diderot)
„Dieses Werk wird sicher mit der Zeit eine Umwandlung der Geister mit sich bringen, und ich hoffe, dass die Tyrannen, die Unterdrücker, die Fanatiker und die Intoleranten dabei nicht gewinnen werden. Wir werden der Menschheit gedient haben [...]“ (Denis Diderot an Sophie Volland)
Man darf sich von den obigen doch recht idealistischen Zitaten nicht täuschen lassen. Eine Enzyklopädie zu schreiben war auch damals mit einer nett gemeinten Absichtserklärung noch nicht ganz geschafft. Da muss um Lemmafragen und inhaltliche Gewichtung gekämpft werden, ganz zu schweigen von der Inhaltsbeschaffung. Es handelt sich hier aber nicht um die Absicht eine Enzykopädie zu schreiben, sondern die Erkärung warum man sie geschrieben hat und welchen Zweck sie verfolgt. Am Idealismus des Ganzen ändert das freilich nichts und wenn man d'Alembert und Diderot nun fragen würde, ob ihr allgemeines Bild durchweg gelungen und ihr Entwurf vollständig ist, so müssten sie mit etwas Ehrlichkeit wohl Nein geantwortet haben. Zur Frage ob man nun eine Umwandlung der Geister erreicht und „die Schlacht der Aufklärung“ gewonnen hat, geben Leben und Taten der nachfolgenden Generationen auskunft, insbesondere einiger berühmter Germanen. Doch eines ist sicher, wenn niemand für das Eintritt was d'Alembert und Diderot hier proklamieren, so ist die Sache von vornherein verloren.
Zurück zum damals modernen Verständnis einer Enzyklopädie und der heute aktuellen Frage, was daran noch modern ist beziehungsweise wie diese recht blumige Formulierung in etwas lesbares mündet, dass den Namen einer Enzyklopädie verdient. Wenn man von den Vorteilen moderner digitaler Lexika spricht, ist man schnell bei der Vernetzung angelangt. Von einem Hypertext hatten Diderot und d'Alembert freilich noch keine Vorstellung als sie obiges schrieben, dennoch kann man vermuten das sie von dessen Möglichkeiten begeistert gewesen wären. Es geht also nicht nur darum einen Wissensbrocken niederzuschreiben und dies dann als Artikel zu bezeichnen. Der Anspruch, an dem sich eine Enzyklopädie messen lassen muss, ist allein mit einem gut recherchierten Aspekt noch nicht erfüllt. Es ist von ebenso großer Bedeutung diesen Aspekt in ein Gesamtbild zu integrieren, denn er kann für sich allein genommen nie viel erreichen. Im Gegenzug führt eine gut vernetzte Buchstabensuppe wilder Assoziationen jedoch eher in die Richtung einer Abendunterhaltung als zur ultimativen Kenntnissammlung. Die „Beziehungen der Dinge aufzuzeigen“ ist letztlich für eine Enzyklopädie genauso wichtig wie die passende Darstellung der Dinge selbst.
Sucht man einen einzelnen Aspekt, so nimmt man sich eher eine Fachzeitschrift zur Hand oder irgendeine andere Quelle hochspezialisierter Informationen (sofern man sie zur Hand hat und dann sogar noch versteht). Mit dem Anspruch diesen Wissensdurst schneller und mit weniger Aufwand bedienen zu können, mänovriert sich eine Enzykloädie leider leicht in das Abseits einer Hausaufgabenbeschaffungseinrichtung für alle, die es da nicht so genau nehmen. Die Suche nach „Wissen“ das man braucht um beim nächsten Dinner als charmanter Gesprächspartner zu erscheinen, führt dann schließlich zum Konversationslexikon. Die Enzyklopädie mutiert zum Medium der Halb- und Viertelbildung. Ist hieran der dem Enzyklädiegedanken zugrunde liegende Idealismus oder der Auflagenbedarf des Verlegers schuld? Beides? Keines? Schuld?
Es kommen aber auch noch weitere Aspekte hinzu. Diderot spricht davon diese „Kenntnisse den Menschen darzulegen“. Nicht aber nur den Menschen der Gegenwart, sondern auch jenen der Zukunft. Den letzten Aspekt möchte ich mir zunächst aufsparen. Stellen wir uns vor wir haben das Wissen der Menschheit mit all seinen Verknüpfungen in einem Werk zusammengeführt, nur ist dies so komplex, dass es keiner versteht, oder so enorm groß und teuer, dass es sich keiner leisten kann (alternativ auch heben oder aufschlagen). Was ist damit gewonnen? Die Antwort lautet: Nichts. Der Leser muss also die gesammelten Kenntnisse und all ihre Querverbindungen auch verstehen, er muss sie nachvollziehen können und er sollte auch dazu angeregt werden, die im wahrnehmbaren Fährten des Wissens bis auf ihre Grundessenz (sofern existent und bekannt) zurückzuverfolgen. Freilich muss er dazu erst einmal Zugang zu der Enzyklopädie haben, denn sonst ist das Ganze sowieso grober Unfug. Zugang bemisst sich dabei aber nicht nur nach dem Geld, sondern auch nach Sprache und Bildung, so dass zum Beispiel eine in Latein verfasste Enzyklopädie auf dem deutschen Büchermarkt keinen sonderlichen Erfolg haben dürfte. Kann eine Enzyklopädie all dies nicht zumindest hie und da garantieren, ob aus wirtschaftlichen, zeitlichen oder personellen Gründen, so verschwindet sie im Staub der Geschichte, ohne viele Leser gehabt zu haben, die an ihr etwas gewonnen hätten. Doch zeigt sich hier auch das eine Enzyklopädie abhängig davon ist, wer sie liest. Hat der Leser gar kein Interesse Zusammenhänge zu begreifen, sondern will nur etwas haben, mit dem er sich vor anderen profilieren kann, so hat die Enzyklopädie auch wenig Sinn. Ihr höchstes Anliegen wird mißachtet, ja sie wird in gewissem Maß zweckentfremdet. Eine wirklich gute Enzyklopädie zeichnet sich meines Erachtens an dieser Stelle genau dadurch aus, dass sie eine möglichst hohe Zahl ihrer Leser dazu bewegt den Dingen dann doch noch auf den Grund zu gehen, auch und gerade wenn der Leser derartiges nicht besonders häufig macht und darin wenig geschult ist. Das erreicht man durch gezieltes Wecken der Neugier sowie eine Sprache die Spaß bereitet und Lust auf mehr macht. Eine gute Enzyklopädie ist kein Statussymbol oder Buchregalfüller, denn der Unterschied zu einem Ferrari in der Garage wäre dann mehr Schein als Sein. Tja wie schreibt man nun aber derart kunstfertig über abertausende von Seiten hinweg. Ich muss sagen da habe ich in meiner Eigenschaft als Realist keine große Ahnung und ich kenne auch keine Enzyklopädie die dem heutigen Kenntnisstand in der (fast) ganzen Tiefe und Breite auf eine derartige Weise gerecht wird. Das Problem ist aber: es wäre schön soetwas zu haben.
„Gut schreiben lernen.— Die Zeit des Gutredens ist vorbei, weil die Zeit der Stadt-Kulturen vorbei ist. Die letzte Grenze, welche Aristoteles der grossen Stadt erlaubte— es müsse der Herold noch imstande sein, sich der ganzen versammelten Gemeinde vernehmbar zu machen—, diese Grenze kümmert uns so wenig, als uns überhaupt noch Stadtgemeinden kümmern, uns, die wir selbst über die Völker hinweg verstanden werden wollen. Deshalb muss jetzt ein jeder, der gut europäisch gesinnt ist, gut und immer besser schreiben lernen: es hilft nichts, und wenn er selbst in Deutschland geboren ist, wo man das Schlecht-schreiben als nationales Vorrecht behandelt. Besser schreiben aber heisst zugleich auch besser denken; immer Mitteilenswerteres erfinden und es wirklich mitteilen können; übersetzbar werden für die Sprachen der Nachbarn; zugänglich sich dem Verständnisse jener Ausländer machen, welche unsere Sprache lernen; dahin wirken, dass alles Gute Gemeingut werde und den Freien alles frei stehe; endlich, jenen jetzt noch so fernen Zustand der Dinge vorbereiten, wo den guten Europäern ihre grosse Aufgabe in die Hände fällt: die Leitung und Überwachung der gesamten Erdkultur.— Wer das Gegenteil predigt, sich nicht um das Gutschreiben und Gutlesen zu kümmern—beide Tugenden wachsen miteinander und nehmen miteinander ab—, der zeigt in der Tat den Völkern einen Weg, wie sie immer noch mehr national werden können: er vermehrt die Krankheit dieses Jahrhunderts und ist ein Feind der guten Europäer, ein Feind der freien Geister.“
Obwohl Nietzsche kein Enzyklopädist ist und einer ganz anderen Zeit entstammt, er ganz andere Vorstellungen und Ziele hatte, so zeigt sich doch eine gewisse Deckung und zugleich Erweiterung dessen was Diderot in den zitierten Passagen darstellte. Nietzsche bezieht sich hier ebenfalls darauf, dass man seinen Mitmenschen verständig werden müsste und allen Grenzen der Geographie zum Trotz ein Austausch von Wissen und Ideen herzustellen ist. Das Gute solle den Freien frei sein und wo es das nicht ist, so muss es das werden. Dies geht nur, wenn man sich austauscht, denn nur dann kann „das Gute“ auch in alle Ecken der Welt dringen, nur dann regt es die dort lebenden Menschen an es aufzunehmen, weiterzudenken und wiederum andere an ihren Erkenntnissen teilhaben zu lassen. Nur durch diese Aktivität der Schaffenden können am Ende Werte und Normen gesetzt werden, die es ermöglichen all jenes zu überwinden, was den Fragenden der Zeit den Weg zu ihren Antworten versperrt. Für Nietzsche ist das die Umwertung aller Werte. Es soll Altes überwunden werden um Neues denken zu können. Was ist dieses „Neue“ hier konkret? Es ist eine Sache, die automatisch entsteht, wenn sich Menschen austauschen ohne Rücksicht auf die Grenzen von Geographie, Politik, Religion, Tradition und Moral zu nehmen. Ein solcher Mensch hat keine Veranlassung mehr beweisen zu müssen, dass sein Land nun das bessre sei, das seine Religion die einzig wahre sein müsse und das seine Vorstellungen wie man nun zu leben habe, auch für alle anderen gelten müssten (oder die Vostellung anderer für einen selbst). Die Radikalität hierin sollte man nicht unterschätzen, denn derartige, freilich unrealistisch stilisierte Menschen, sind alles andere als das, was man als allgemein gutartig bezeichnen würde. Manche Grenzen existieren nicht ohne Grund und sind keinesfalls einfach zu überschreiten. Dennoch kann dabei auch in gewissen Aspekten weiter gehen als Nietzsche, denn wo seine Zeit noch europäisch dachte und den „guten Europäern“ die „Überwachung der gesamten Erdkultur“ anlasten wollte, da denken wir heute getrost global und ohne derlei Beschränkungen.
Erhebt man diesen terretorialen Anspruch auf die Ebene der Enzyklopädie, so tritt Erstaunliches zu tage, denn genau das was Diderot und Nietzsche hier ausführen hat bis heute keine Enzyklopädie geschafft. Die Encyclopédie von Diderot blieb immer eine französische, die Encyclopædia Britannica eine englische und der Brockhaus eine deutsche. Das war immer so, das ist so und das scheint dann auch niemanden zu wundern. Diderot spricht aber nicht davon, sich um Frankreich verdient gemacht zu haben, sondern um die gesamte Menschheit. Was hat aber jemand von der Encyclopédie in Afrika und Südostasien, ausser der Aussicht von einem Franzosen, der sein Land zur Kolonie erklärt, illustriert zu bekommen, wie viel er aus ihr gelernt hat? Wohl sehr wenig und ehesten Verachtung für diese Art von kultureller Selbstüberschätzung, vielleicht mal etwas Neid auf die Geisteswelt einer großen Kulturnation, ganz sicher aber keine Teilhabe an all diesen Dingen jenseits der mehr oder minder vollständigen Unterwerfung und Anpassung. Die „Überwachung der gesamten Erdkultur“ wird so zur Makulatur eines an der ursprünglich angetroffenen Kultur nicht teilhabenden Kolonialimus. Was von diesen Kulturen im Zuge dieser fast gänzlich einseitigen Beeinflussung verloren geht ist meist unwiderbringbar und die daraus gewonnene schöpferische Kraft oft nur einen Bruchteil dessen wert, was man aus einem gegenseitigen Austausch hätte gewinnen können.
Wie verhält es sich mit einer Enzyklopädie und der Zukunft? Gegenfrage: Wie oft liest man den Brockhaus in seiner Erstausgabe? Eine Enzyklopädie hat nach d'Alembert zwar den Anspruch „ein allgemeines Bild der Anstrengungen des menschlichen Geistes auf allen Gebieten und in allen Jahrhunderten zu entwerfen.“, aber wird sie dem gerecht? Nein, denn es hat sich in der Geschichte gezeigt das eine Enzyklopädie neben einem kulturellen und sprachlichen auch einen zeitlichen Blickwinkel besitzt. Was den Menschen zu ihrer Zeit wichtig ist das steht auch in einer Enzyklopädie und für den Rest ist dann halt kein Platz mehr oder es fehlen Zeit, Geld und vor allem Autoren. Derlei Enzyklopädien können uns vielleicht einen guten Einblick in ihre Zeit geben, sie können ihrer Zeit aber kaum Einblick in andere Zeiten vermitteln. Dies ist nur möglich wenn eine Enzyklopädie über die Jahrhunderte weiter wachsen würde, neue Strömungen aufnimmt und dabei alte erhält. Ersetzt werden kann dies vielleicht durch eine umfassende Geschichtsforschung, aber zu deren Abbildung fehlen dann auch wiederrum die Mittel. Kann die Wikipedia hier etwas besser machen als ihre Vorgänger?
Einen Aspekt des Ganzen habe ich hier unterschlagen und es ist wohl der wichtigste von allen, da nur er allein dazu in der Lage war Menschen wie Diderot über Jahrzehnte gleich einem Sklaven an das Schreibpult zu fesseln. Er selbst hatte nur wenig davon, wobei wenig hier „wenig“ im Sinne dessen verstanden werden sollte, was der „normale Mensch“ als einen unverhältnismäßige Fehlinvestition betrachten würde. Diderot schreibt „damit die Arbeit der vergangenen Jahrhunderte nicht nutzlos für die kommenden Jahrhunderte gewesen sei“ und – wie oben schon kurz angeschnitten – „Wir werden der Menschheit gedient haben“. Was ist also der treibende Ansporn? Es ist (schlicht gehalten) nichts weniger als der Anspruch die Welt zum Besseren verändern zu wollen. Womit? Mit einer Enzyklopädie. Wie das? Das ist die Frage. Kann eine Enzyklopädie die Welt verändern? Ist das ein Wunschtraum Diderots oder eine echte Chance? Ich würde das so umformulieren: Kann eine Enzyklopädie einen wichtigen Beitrag dazu leisten die Welt zum Besseren zu verändern? Diese Frage beantworte ich eindeutig mit Ja. Ja sie kann, sie muss aber nicht. Nur wenn alle hier aufgeführten Punkte zusammenkommen und sich gegenseitig verstärken, nur dann kann eine Enzyklopädie wirklich einen Beitrag hierzu leisten, womit man aber auch schon beim wie ist. Ansonsten liefert sie eben nur schnelle Antworten auf schnell gestellte Fragen, auch ganz zweifellos was Feines, aber kein Grund uneigennützig zu werden. Gerade heute gilt aber: wenn es je eine Enzyklopädie gegeben hat die die Welt merklich voranbringt, dann sehe ich die Chance hierzu bei der Wikipedia. Einen Automatismus gibt es da nicht und noch ist erst ein kleiner Teil des Weges getan. Wenn man aber genug Menschen sammeln kann die diese Hoffnung haben und ihre Zeit einbringen um sie auch Realität werden zu lassen, dann sind die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt. Der Realist fängt hier freilich an zu schmunzeln.
Was kann man nun also zur Wikipedia sagen? Die Wikipedia nutzt die Möglichkeiten des Hypertext und Wissen zu vernetzen. Erstellt wird sie durch nichts anderes als einen Austausch von Wissen (Kleinlichkeiten wie eine arg eingengte Begriffsdefinition hier vernachlässigend), der in seinen Dimensionen einmalig ist und sich auch nicht auf ein Land oder einen Kulturkreis beschränkt. Schon jetzt, nach nur wenigen Jahren, sind die wichtigsten Artikel in unzähligen Sprachen vorhanden, wobei viele von diesen Sprachen nie über eine eigene Enzyklopädie verfügten. Nun mag man anführen das deren Wikipedias schnell mause- oder zumindest scheintot sind und das auch sonst nicht alles Gold ist, was da im Mund des Abmahnjuristen glänzt, um derartige „Kleinigkeiten“ soll es aber zumindest hier einmal nicht gehen. Der Zugang zu diesen in teilweise sehr langen Sätzen versammelten Buchstaben steht jedem frei, der die hierfür notwendigen sprachlichen und technischen Vorrausetzungen besitzt, also einen Rechner und einen Internetzugang. Dies ist ein unschönes Hindernis, da gerade jene, die sowieso schon vom internationalen Wissensaustausch ausgeschlossen sind, sich solche Mittel nicht leisten können (also der Großteil der Menschheit). Wikipedia in Buchform oder als DVD, wie sie schon jetzt von manchem Entwicklungshelfer (wennauch nach GFDL illegal) eingesetzt wird, könnte hieran in Zukunft vielleicht etwas ändern. Auch sind die meisten Sprachversionen noch recht klein, ihre größeren Gefährten stellen dafür aber eine Infrastruktur bereit, bringen die Softwareentwicklung voran, sorgen für einen Leserzustrom, bieten mit den Commons eine gemeinsame Bilderdatenbank und greifen auch durch organisatorische Unterstützung all diesen kleinen und doch so wichtigen Projekten unter die Arme. Findet sich jemand, der zwei oder mehr Sprachen beherrscht, können die Artikel auch problemlos (wennauch illegal) übersetzt werden und so die entscheidende Anfangsphase bis zur kritischen Masse überwinden helfen. Dies alles wohlgemerkt vor dem Hintergrund, dass die Wikipedia noch keine zehn Jahre alt ist, was könnte also erst in Zukunft alles möglich sein? Fragt sich: lächelt der Realist?
Zeitalter der Aufklärung oder zeitloses Ideal der Aufklärung? - Ein Blick zurück
Ich beschrieb was die Enzyklopädien der Aufklärung samt ihrer Nachkömmlige von der Wikipedia unterscheidet und was sie eint (wie gesagt das mit den Details ...). Doch was soll man heute mit der Aufklärung anfangen, mehrere Jahrhunderte nach dem Zeitalter der Aufklärung und auch über ein Jahrhundert nach Nietzsche? Ein reines Epochendenken ist gerade bei der Aufklärung unangebracht, denn es handelt sich bei ihr nicht um eine Mode, die nach einen Zeitalter der Aufklärung ihre Aktualität verlieren würde. Aufklärung als Begriff im Sinne des Kantschen Verständnisses ist ein zeitloses Ideal:
„Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? so ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung. Daß die Menschen, wie die Sachen jetzt stehen, im ganzen genommen, schon im Stande wären, oder darin auch nur gesetzt werden könnten, in Religionsdingen sich ihres eigenen Verstandes ohne Leitung eines andern sicher und gut zu bedienen, daran fehlt noch sehr viel. Allein, daß jetzt ihnen doch das Feld geöffnet wird, sich dahin frei zu bearbeiten, und die Hindernisse der allgemeinen Aufklärung, oder des Ausganges aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit, allmählich weniger werden, davon haben wir doch deutliche Anzeigen. In diesem Betracht ist dieses Zeitalter das Zeitalter der Aufklärung, oder das Jahrhundert Friederichs.“ (Kant, Was ist Aufklärung?)
„Ein Zeitalter kann sich nicht verbünden und darauf verschwören, das folgende in einen Zustand zu setzen, darin es ihm unmöglich werden muß, seine (vornehmlich so sehr angelegentliche) Erkenntnisse zu erweitern, von Irrtümern zu reinigen, und überhaupt in der Aufklärung weiter zu schreiten. Das wäre ein Verbrechen wider die menschliche Natur, deren ursprüngliche Bestimmung gerade in diesem Fortschreiten besteht; und die Nachkommen sind also vollkommen dazu berechtigt, jene Beschlüsse, als unbefugter und frevelhafter Weise genommen, zu verwerfen.“ (Kant, Was ist Aufklärung?)
Daraus kann man folgern: es gibt kein aufgeklärtes Zeitalter, ebenso wie es, um eine beispielhafte Analogie zu bemühen, keine globalisierte Welt gibt. Beides sind keine Zustände, sondern Prozesse, der Prozess der Aufklärung ebenso wie der Prozess der Globalisierung. Beide haben ihre Prinzipien und Charakteristika und beide sind auch keine Selbstverständlichkeiten, denn es bedarf immer einer treibenden Kraft und einer gesellschaftlichen Manifestation hinter ihnen. Es handelt sich bei beiden auch nicht um gänzlich homogene Dinge ohne innere Widersprüche, ohne verschiedene Anschauungen zu Für und Wider ihrer selbst. Zudem sind beide, wie alles auf der Welt, auch einem Wandel unterworfen und keineswegs auf ewig fest und unumstößlich definierte Begriffe mit immergleicher Ausprägung.
Die Frage, die sich jedoch stellt, ist ob wir uns in einem solchen Prozess befinden oder nicht, zumindest im Rahmen dessen, was man als „wir“ betrachten kann, ohne dabei zu abstrakt oder zu vereinfachend zu werden. Gibt es auch heute diese „deutlichen Anzeigen“ von denen Kant zum Zeitpunkt des ausgehenden 18. Jahrhunderts, also kurz vor der französischen Revolution, aber auch inmitten einer absolutistischen Monarchie spricht? Leben wir also in einem Zeitalter der Aufklärung? Welche Faktoren sprechen hierfür und welche dagegen? Es ist uns dabei freilich selbst überlassen, diesen Begriff auf die heutige Zeit zu übertragen, da ja Zeitalter der Aufklärung hier nicht den Bezug zur Geschichte, sondern den Bezug zum Ideal der Aufklärung meint.
Zunächst, wurde die Idee hinter der Aufklärung konsequent fortgeführt? Das sicher nicht, doch bedarf es hierfür natürlich auch Gründe und einer Entwicklung, die ich im Folgenden nur kurz skizzieren möchte und die auch dem nötigen Verständnis dienen soll, was die Ideale der Aufklärung zu bedeuten haben, beziehungsweise welchen Charakter diese übertragen auf die Realität, auch die heutige, wirklich spielen.
Anfangen möchte ich da, wo das Zeitalter der Aufklärung, „das Jahrhundert Friederichs“, sein Ende hat, wobei die eigentliche Informationen in den jeweiligen Artikeln zu finden sein müssten bzw. wenn dies nicht der Fall ist, nachgetragen werden sollten (wir sind hier ja immerhin bei der Wikipedia).
Schon die französische Revolution ist schnell an ihren eigenen Idealen gescheitert und wurde zu einem grausamen Blutbad, welches erst durch das Direktorium eingedämmt werden konnte. Dieses erreichte jedoch keine wirkliche Stärke und brachte schließlich Napoléon Bonaparte hervor, der jedoch zumindest einige der Prinzipien der französischen Revolution noch berücksichtigte, wie zum Beispiel im Code Civil deutlich wird. Zu beachten gilt es freilich auch, was Kant zur Revolution, sogar noch vor ihrem Auftreten in Frankreich, schrieb:
„Daß aber ein Publikum sich selbst aufkläre, ist eher möglich; ja es ist, wenn man ihm nur Freiheit läßt, beinahe unausbleiblich. Denn da werden sich immer einige Selbstdenkende, sogar unter den eingesetzten Vormündern des großen Haufens, finden, welche, nachdem sie das Joch der Unmündigkeit selbst abgeworfen haben, den Geist einer vernünftigen Schätzung des eigenen Werts und des Berufs jedes Menschen, selbst zu denken, um sich verbreiten werden. Besonders ist hierbei: daß das Publikum, welches zuvor von ihnen unter dieses Joch gebracht worden, sie hernach selbst zwingt, darunter zu bleiben, wenn es von einigen seiner Vormünder, die selbst aller Aufklärung unfähig sind, dazu aufgewiegelt worden; so schädlich ist es, Vorurteile zu pflanzen, weil sie sich zuletzt an denen selbst rächen, die, oder deren Vorgänger, ihre Urheber gewesen sind. Daher kann ein Publikum nur langsam zur Aufklärung gelangen. Durch eine Revolution wird vielleicht wohl ein Abfall von persönlichem Despotismen und gewinnsüchtiger oder herrschsüchtiger Bedrückung, aber niemals wahre Reform der Denkungsart zu Stande kommen; sondern neue Vorurteile werden, eben sowohl als die alten, zum Leitbande des gedankenlosen großen Haufens dienen.“ (Kant, Was ist Aufklärung?)
Die französische Revolution konnte daher niemals eine Art „Revolution der Aufklärung“ sein und ist wohl in der Geschichtsschreibung eher als Sargdeckel des Kantschen Zeitalters der Aufklärung zu verstehen, denn nach Napoléon wurde mit dem Wiener Kongress die Restauration eingeleitet. Mit der Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit über die Karlsbader Beschlüsse und dem in der Folge restriktiven Vorgehen gegen alles, was man der französischen Revolution und damit indirekt der Aufklärung zurechnen konnte, besonders in den Akademien und Universitäten, wurde der zentrale Aspekt beziehungsweise die zentrale Bedingung Kants an die Aufklärung missachtet: Die Freiheit „von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen“.
„Dagegen als Gelehrter, der durch Schriften zum eigentlichen Publikum, nämlich der Welt, spricht, mithin der Geistliche im öffentlichen Gebrauche seiner Vernunft, genießt einer uneingeschränkten Freiheit, sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen und in seiner eigenen Person zu sprechen. Denn daß die Vormünder des Volks (in geistlichen Dingen) selbst wieder unmündig sein sollen, ist eine Ungereimtheit, die auf Verewigung der Ungereimtheiten hinausläuft.“ (Kant, Was ist Aufklärung?)
Freilich ist eine Restauration des Vergangenen nie vollständig. Der Absolutismus kehrte nie wirklich zurück und auch die Gedanken der Aufklärung und der französischen Revolution konnten nicht einfach durch ein königliches oder gar kaiserlichesDekret beziehungsweise einen restriktiven Staatsapparat revidiert, also sozusagen ungedacht werden. Was war also die Reaktion auf eine Restauration, der man sich zunächst nahezu hilflos ausgeliefert sehen musste und in deren Zuge sich der Deutsche Bund, ein loser Staatenbund, formierte? Es war einerseits der Rückzug in das Private, die schöne heile Welt, der Biedermeier und andererseits das umso engagiertere Junge Deutschland des Vormärz (beide Strömungen auch bei Biedermeier / Vormärz zusammen erläutert). Es zeigten sich in den nächsten Jahrzehnten auch die Folgen der zunehmenden Industrialisierung und des so genannten Manchesterliberalismus. Es waren immer größere Teile der enorm gewachsenen Bevölkerung vom Pauperismus betroffen und die soziale Frage wurde zunehmend dringlicher, wenn sich auch deren politische Brisanz erst viel später ergab. Auch wurden zahlreiche patriotische und teilweise sogar schon recht nationalistische Strömungen in die gesellschaftlich progressiven Kräfte des Vormärz integriert und verschmolzen hier vielfältig mit der Demokratiebewegung, so beispielsweise in der JenaerUrburschenschaft, freilich trotz dessen oder gerade obwohl es noch gar keinen deutschen Nationalstaat gab.
Nach zwei Krisenjahren mündete der Vormärz 1848 in die Februarrevolution in Frankreich und von hier aus in der Märzrevolution, die große Teile Europas erfasste. Auf eine solch progressive Strömung war man auf Seiten der konservativen Kräfte nicht vorbereitet und wurde zunächst von ihr hinweggespült. Liberalismus und Demokratiebewegungen kehrten in das politische Machtspektrum zurück und in der Paulskirche tagte die Frankfurter Nationalversammlung als das erste frei gewählte gesamtdeutsche Parlament. Dieses sollte eine demokratische Verfassung ausarbeiten und die Frage nach den Staatsgrenzen eines zukünftigen deutschen Nationalstaates klären (Kleindeutsche oder Großdeutsche Lösung), um auf dieser Grundlage in der Folge die Reichseinigung zu vollziehen. Wie so oft jedoch zeigten sich in der 48'er Bewegung schnell unvereinbare Widersprüche beziehungsweise Streitigkeiten und man verfehlte es zudem schnell und gezielt aktiv zu werden, ja man verstieg sich in endlose Debatten und ermöglichte es so den reaktionären Kräften im Zuge einer schleichenden Gegenrevolution wieder alle demokratischen Bestrebungen zunichte zu machen. Am Ende konnte die Frankfurter Nationalversammlung nur noch dem preußischen König die Kaiserdeputation im Rahmen einer Kleindeutschen Lösung anbieten. Dieser war jedoch längst in der Position ein solches Angebot einer „Krone aus der Gosse“ ablehnen zu können. Hiervon sollte sich der politische Liberalismus in Deutschland nie wieder wirklich erholen.
Nachdem in der Folge die Unionspolitik Preußens scheiterte, kündigten sich die innerdeutschen Wirren der kommenden Zeiten an. Der Streit zwischen Preußen und Österreich-Ungarn um die Dominanz im 1850 wieder einberufenen Bundestag führte über den Deutsch-Dänischer Krieg1864 zum Preußisch-Österreichischen Krieg. Dieser zementierte die preußische Dominanz über die deutschen Einzelstaaten und löste gleichzeitig den Deutschen Bund endgültig auf, der teilweise unter preußischer Dominanz 1867 durch den Norddeutschen Bund ersetzt wurde. Auf dieser Basis konnte schließlich Bismarck nach dem Deutsch-Französischen Krieg die Reichsgründung proklamieren. Doch welche politischen Kräfte spielten im neuen Kaiserreich eine maßgebliche Rolle? Die Liberalen waren zersplittert, die reaktionären Kräfte um Bismarck und die Monarchie dominant und die Fraktion der Arbeiterbewegungen kulminierte schließlich in der marxistisch orientierten SPD.
Auch wenn das Bild der politischen Landschaft am Ende des 19. Jahrhunderts durchaus facettenreich war, dominant waren Kräfte, die sich alles andere als freiheitsliebend im Sinne einer politischen Toleranz oder freien Meinungsäußerung zeigten. Freiheit ja, aber nur für die eigene Klientel und auch nicht im Denken, sondern im Handeln, meist gegenüber anderen, denen man diese Freiheit freilich dann nicht zugedachte. Propaganda wurde unabhängig der politischen Richtung zum Usus der Öffentlichkeitsarbeit, wenn sich auch abseits dieses Feldes eine durchaus kritische Presse behaupten konnte. Vereinsmeierei, Stammtischpolitik, Obrigkeitsglauben, Nationalismus, Chauvinismus, Militarismus, Dogmatismus aller politischen Farbrichtungen und nicht zuletzt auch der Antisemitismus waren feste Größen und Ausgangspunkte des 20. Jahrhunderts. Man spricht nicht umsonst vom Jahrhundert der Ideologien, wobei diese wohl die schlimmsten – wenn auch zwiespältigen – Gegner eines Aufklärungsprozesses darstellen. So wurde dann ein Antagonismus sonder gleichen herausgebildet, der mit unterschiedlichen Konstellationen noch bis heute andauert.
Auf der einen Seite standen und stehen die liberalen Kräfte, die die Entwicklung der Naturwissenschaften und auch den technischen Fortschritt durch die Herstellung der hierfür nötigen gesellschaftlichen Vorraussetzung erst ermöglichten und auch heute hierfür stehen. Kräfte die Wissen und Ideen akkumulieren, Kräfte die die Methoden bzw. das Potenzial bereitstellen, alle zur Verfügung stehenden Ressoucen effizient zu nutzen, natürliche wie geistige. Kräfte, die auch die Gefahren dieser Nutzung sehen und ihr durchaus kritisch gegenüber stehen, jedoch auch wissen, das nur auf diesem Wege, eben trotz aller Gefahren, ein Wandel der Gesellschaft zum „besseren“ möglich ist.
Freilich definiert hier jeder anders was nun besser ist, jedoch zeigen sich hier einige weitverbreitete Parallelen: Menschenrechte für alle Menschen, eine global durchsetzungsfähige Rechtssprechung (Völkerrecht, Internationaler Gerichtshof, Internationaler Strafgerichtshof) bzw. Exekutive (Global Governance, Weltregierung), Demokratie, gerechte Verteilung der Ressourcen (globalisierte Sozialstaatlichkeit), Pazifismus, Säkularisierung, Verantwortlichkeit für eigenes Handeln (Nachhaltigkeit, Umweltschutz) und nicht zuletzt verschiedene Prinzipien wie vor allem Presse- und Meinungsfreiheit. In der Natur dieser „liberalen Kräfte“ liegt jedoch auch der Umstand, dass sich nur wenige ideale Vertreter hierfür finden lassen und nahezu bei jedem Menschen Standpunkte auftreten, die einer solchen Definition des „allgerechten Gutmenschentums“ partiell widersprechen. Es hat sich jedoch auch gezeigt, das auf Basis ihrer Ideen auch gesellschaftsübergreifende Kompromisse möglich sind. Diese Kompromisse bilden die eigentliche Basis moderner Demokratien.
Bei ihren „Vertretern“ handelt es sich nicht allein um atheistische Wissenschaftler oder Freidenker, sondern um allgemein oder partiell diesen Ideen zugewandte Menschen, wobei man in der Folge auch Projekte wie die des Weltethos hierzu zählen kann, welche jedoch ausdrücklich einen theistischen und damit letztlich teilweise dogmatischen Ansatz vertreten. Es zeigt sich hierbei jedoch auch, dass solcherlei liberale Ideen trotz und nicht wegen dieses Dogmatismus bei den Reformen ansonsten eigentlich inliberaler Gruppen auftreten können bzw. auch Randmeinungen innerhalb dieser darstellen.
Auf der anderen Seite stehen dogmatische bzw. freiheitsfeindliche Strömungen. Hier wird das Bild freilich sehr bunt und man ist auch schnell dabei all zu stark zu simplifizieren. Was kann man hierzu zählen? Ich möchte alle Gruppen, Konzepte, geistige Strömungen und Institutionen mit einschließen, welche nach Kant die „Verewigung der Ungereimtheiten“ betreiben und so der Unmündigkeit eher Vorschub leisten als in der Aufklärung voran zu schreiten, wie immer dieses Voranschreiten im konkreten Falle auch aussehen mag. Hiermit sind vor allem die jeweiligen Eliten dieser Strömungen gemeint, da sich in der „breiten Masse“ (bei Kant „das Publikum“) oft lediglich Mitläufererscheinungen und Obrigkeitsglauben zeigen, wobei dies wiederum freilich selbst, jedoch eher als eine Art Grundrauschen, als hervorstechendes Merkmal dieser Fraktion dienen kann.
Diese Definition ist zwar sehr abstrakt und schwammig, jedoch bietet sie auch die Möglichkeit all jene Gruppen mit einzuschließen, die nicht unbedingt rückwartsgewandt sind bzw. sich so sehen und welche daher selbst sogar oft die energischsten Vertreter einer Erneuerung bzw. eines Wandels darstellen, wenn auch meist nur in ihrem eigenen Verständnis (die Liste ist nicht hierachisch):
Nationalisten und „Patrioten“ - Klassische Patrioten gibt es sowieso kaum mehr, der Übergang zum Nationalismus ist dehnbar wie Gummi und aus Sicht der geistigen Grundhaltung fast unbedeutend.
Kommunisten bzw. Sozialisten – Zwar entspringen diesem Dogmenraum wichtige Analysen und politische Gegengewichte, in diese Liste gehören sie jedoch trotzdem, wenn dies auch nicht für alle ihre Vertreter gilt.
Romantiker – Auch der Wolf im Schafspelz ist und bleibt ein Wolf. Auch in der Vergangenheit war nur das Erinnerungsvermögen und die notgedrugene Zwangssolidarität wirklich besser, nicht jedoch der ganze Rest.
Verschwörungstheoretiker – Ob Opferrolle oder Täterrolle, verzichtbar bleibt verzichtbar. Warum Geschichtenerzähler neuerdings „Theorien“ vertreten ist mir auch schleierhaft.
Pseudowissenschaftler – Gerade im Bereich der sich selbst als „Gegenwissenschaften“ bezeichnenden Menschheitsretter und Hüter allen wahren Wissens zeigt sich ein eindeutiger Hang zum Dogmatismus und zur Esoterik, machmal auch zu Verschwörungstheorien und im jeden Fall zum Einzelkämpfertum. (siehe beispielsweise Klimakritiker oder eine der viiieeelen etwas längeren Diskussionsseiten in der WP bei einschlägigen Artikeln)
Esoteriker – Der Name sagt es schon. Denken erlaubt!
der größte Teil der Konservativen (besonders Neocons) - Darunter kann man einfach zu viel verstehen um konkret zu werden, wobei es freilich eine Unmenge an Überschneidungen gibt.
Dogmatismus im generellen - Der Übergang zwischen gemäßigten und extremistischen Dogmatikern, beispielsweise zwischen „Kuschelchristen“ und knallharten Bibeltreuen, ist fließend und um Größenunterschiede geringer als der Unterschied zwischen Dogmatikern und Freidenkern. Freilich gibt es auch versteckten Dogmatismus und bis zu einem gewissen Grad kann daher keiner behaupten dieser Gruppe nicht irgendwie zuzugehören.
Gemeinsame Ziele, abgesehen davon Einfluss ausüben zu wollen, können aufgrund dieser Vielfalt freilich nicht gefunden werden.
Zwischen beiden „Gruppen“ (es handelt sich freilich nicht um Menschen die nie derartig zuordenbar sind) steht eine Welt, die in ihrer Komplexität eine solch primitive Einteilung in zwei antagonistische Lager schon lange hinter sich gelassen hat. Wie so oft hilft jedoch diese rein intellektuell unredliche Einteilung in ein antagonistisches Schema beim Verstehen. Aber Achtung, moralische Werturteile wären hier eine arger Fehlgriff, sie haben hier keinen Wert, ja sie verhüllen die „Wahrheit“ und würden letzlich in Ignoranz münden. Es handelt sich hierbei also in Wirklichkeit um eine vielschichtige Ansammlung von Ideen und Methoden unterschiedlichster Ausprägung, die selbst auch einer Entwicklung unterliegen.
Warum ist eine Schilderung historischer Inhalte nötig, um beantworten zu können, ob wir in einem Zeitalter der Aufklärung leben? Nun zuerst muss man Wissen, was das Ideal der Aufklärung übertragen auf die Realpolitik nun wirklich bedeutet und welche Spielräume diese hier besitzen. Man sollte mit der Beantwortung dieser Frage auch eine Kenntnis verbinden, nämlich die, dass man sie nicht mit einem Ja oder Nein beantworten kann. Ob im Deutschen Bund, im Kaiserreich, in der Weimarer Republik, unter dem Nationalsozialismus oder in der Bundesrepublik: Aufklärung kann als Ideal verklärt nichts erreichen, sie muss sich immer gegen Kräfte behaupten, die ihr in einer Form der „Antiaufklärung“ entgegenstehen. Doch wenn man schon dabei ist Ideale zu demontieren, was ist die Aufklärung denn nun? Wer steht hinter ihr? Nicht alles was sich progressiv und fortschrittlich gebiert vertritt wirklich auch etwas was man dem Prozess einer Aufklärung zurechnen könnte, wie man obiger Kategorisierung entnehmen kann. Aufklärung heißt nicht das man durch irgendjemand über irgendetwas aufgeklärt wird, es heißt das man sich selbst aufklärt. Es kann daher auch nur um den Rahmen gehen, den die Gesellschaft ihren Mitgliedern bietet, um einen solchen Weg des Ausgangs aus der „selbst verschuldeten Unmündigkeit“ zu gehen. Doch wie kann dies eine Gesellschaft tun, welche Institutionen und Mechanismen in ihr sind hierzu fähig? Zunächst, was ist ein Aufklärer?
In jeder Gesellschaft finden sich immer einige Menschen, die potenziell bereit wären diesen Weg zu gehen und die ihn schließlich auch ohne viel Rücksicht auf Leib und Leben, sowie den eigenen Wohlstand, beschreiten werden. Dies ist also keine Vorraussetzung, denn es geht hier auch nicht um Menschen eines besonders hohen Intellekts oder gar „Genies“, es geht nicht um die wenigen Ausnahmen die es immer gab und die es immer geben wird. Es geht auch nicht darum, gegen die Mehrheit zu agieren, „fortschrittlich“ oder besonders ehrgeizig zu sein. Rücksichtslosigkeit gegen sich und andere bzw. ein selbstzerstörerischer Kampf gegen Windmühlen der tatsächlichen oder vermuteten Ingnoranz sind nicht automatisch gleich Aufklärung.
Freies, selbst- und gesellschaftskritisches Denken, das Verständnis für eine Welt aus der man zwar lernen kann und soll, die jedoch nicht als Ganzes verstehbar ist, dies ist ein Anspruch, jedoch keine Bedingung. Das Schlüsselwort ist die Selbstverschuldung der eigenen Unmündigkeit:
„Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ (Kant, Was ist Aufklärung?)
„Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar lieb gewonnen, und ist vor der Hand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen ließ. Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Mißbrauchs seiner Naturgaben, sind die Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit. Wer sie auch abwürfe, würde dennoch auch über den schmalesten Graben einen nur unsicheren Sprung tun, weil er zu dergleichen freier Bewegung nicht gewöhnt ist. Daher gibt es nur wenige, denen es gelungen ist, durch eigene Bearbeitung ihres Geistes sich aus der Unmündigkeit heraus zu wickeln, und dennoch einen sicheren Gang zu tun.“ (Kant, Was ist Aufklärung?)
Doch was benötigt man um die eigene Unmündigkeit anzugehen und gleichzeitig „einen sicheren Gang zu tun“? Welche Hilfestellungen kann man hierbei bieten? Es ist wohl an erster Stelle nicht die öffentliche Freiheit Kants, sondern die private Freiheit, besonders im Rahmen der Familie. Dieser Faktor wird zwar meist unterschätzt, jedoch ist er auch elementar, denn nichts beeinflusst die Persönlichkeitsentwicklung, das eigene Gefühl für eine Freiheit im Denken und die Einstellung gegenüber der Welt so wie das Elternhaus und das nahe soziale Umfeld. Dies kann im Falle südländischer und arabischer, meist konservativer Großfamilien ein Hindernis sein (Stichtworte: Familienehre, Blutrache, Patriarchat, „die Familie ist alles, das Individuum ist nichts“). Doch ist die Familie auch ein wichtiger und meist positiv zu wertender Rückzugspunkt, eine Art Heimathafen, der gerade im Falle einer humanistischen bzw. aufgeklärten Erziehung das Individuum bei seiner Entwicklung wesentlich unterstützt. Ein Mensch braucht im Regelfall eine Quelle für Zuversicht und Kraft und als solches kann die Familie bzw. eine gleichwertige Alternative diesen hier davor bewahren, an einer reinen Staatsbürgeridentität zu zerbrechen. Dies kann im Extremfall zu einer Unmündigkeit führen, tut dies im Allgemeinen jedoch gerade nicht.
Dieser Rückzugspunkt kann sich jedoch auch auch anders gestalten oder aus einer vielfällten und sich gegenseitig durchdringenden Vermischung verschiedener Punkte bestehen. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Natur und das Naturerleben, welches uns ehrfürchtig erstaunen lässt, unsere Neugier fesselt und bis zu unserem Ende nicht mehr loslässt. Es kann sich auch um eine Aufgabe oder Gemeinschaft handeln, deren Bewältigung Mut und Kraft gibt, sei es beispielsweise der Hunger und die Armut die viele Menschen dazu führt, gegen Zustände anzugehen, welche diesen Vorschub leisten.
Man kann diese Grundsätze auch auf größere Skalen übertragen und hier zeigt sich immer eine Verbindung zwischen der Neigung einer Gesellschaft selbstbestimmtes Denken zu fördern und gleichzeitig nicht nur die Individualität ihrer Mitglieder zu berücksichtigen, sondern sogar aktiv zu stützen. Doch auch dann würde nur eine Minderheit der Menschen ihre „beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit“ als solche erkennen und aktiv, zumindest in Teilen, zu überwinden versuchen. Um eine ganze Gesellschaft auf diesen Weg zu führen ist ein langer Prozess nötig in dem eine solche Minderheit in der Lage ist in immer größere Teile dieser Gesellschaft auszustrahlen. Es ist daher im Endeffekt gar nicht sinnvoll zu postulieren, ob man nun in einem Zeitalter der Aufklärung lebt, gerade weil die wesentlichen Unmündigkeiten denen wir gegenüberstehen hierzu erst ausführlich analysiert und gewichtet werden müssten. In welchem Rahmen und an welcher Stelle werden Hindernisse der allgemeinen Aufklärung abgebaut bzw. vielleicht sogar aufgebaut? Dies obliegt meist dem Standpunkt der Betrachtung und ist keinesfalls eindeutig, da beide Strömungen in vielfältigen Kulturen und auch innerhalb dieser in vielfälltigen Strömungen nebeneinander existieren. Wichtig ist daher einzig und allein im Rahmen der Möglichkeiten diese Hindernisse für sich selbst und andere anzugehen. Ob dies durch Bildung bzw. Erziehung, Teilnahme am politischen Prozess oder kulturellen Austausch erreicht wird, bleibt hierbei jedem selbst überlassen.
Am Ende ist die Überwindung „der Ungereimtheiten“ jedoch immer von allgemeinem Interesse und je weiter man in diesem Prozess gelangt, desto einfacher wird es sein die eigentlichen Probleme der Menschheit zu erkennen, Lösungen für sie zu erarbeiten und auch andere auf diesen Weg zu führen, denn eines muss man sich bewusst sein, diese Probleme und das Denken der für sie verantwortlichen und durch sie betroffenen Menschen vielfälltig und untrennbar verknüpft. Echte Lösungen können diesen Problemen daher nicht von außen aufgestülpt werden, ohne diese Menschen zu berücksichtigen und ohne, wie Kant es ausdrückt, eine „wahre Reform der Denkungsart“ herbei zu führen. Eine Reform der Denkungsart ist also etwas das aus uns selbst heraus und freiwillig geschehen muss, es lässt sich nicht befehlen oder „umerziehen“. Es liegt an uns die Bedingungen zu schaffen, das möglichst viele diesen Schritt gehen können und gehen werden, möglichst viele die Verantwortung für sich und ihre Welt übernehmen. Erst dadurch können Probleme wie Krieg und Terror, wie Armut und politische Unterdrückung, wie Umweltzerstörung und Klimawandel wirklich angegangen werden. Ein Beschlussakt von oben oder ein etwas effizienter gestalter Antriebsmotor sind im Vergleich hierzu recht ineffektive Mittel, welche vielleicht die notwendige Zeit bereitstellen könnten – wenn man sie denn zielstrebig vefolgte was auch nicht immer der Fall ist – in keinem Fall jedoch nachhaltig die wirklich Problemursachen beseitigen.
Vielleicht wird auch die Wikipedia einen kleinen Beitrag zu obiger Problematik leisten können. Es liegt wiederum ganz an uns und ist von den theoretischen Möglichkeiten her durchaus möglich. Die Frage wie die man dies tun könnte wurde bereits am Anfang dieses Textes thematisiert, doch wo nun dieser Beitrag dann liegen soll ist noch weitesgehend offen?
Die Wikipedia hat das Potenzial Kräfte gezielt zu bündeln. Sie vereint Menschen aus unterschiedlichsten Ländern und Kulturen, deren Interesse sich recht einfach auf einen Nenner bringen lässt. Es ist das Bestreben Wissen zu sammeln, es auszutauschen und soviele Menschen wie irgend möglich mit so wenig wie möglich Hindernissen daran teilhaben zu lassen. Die Frage ist nun wo sich diese Teilhabe manifestiert, denn ansonsten befindet man sich im Wolkenkuckucksheim der theoretischen Analysen oder jeden Bezug zur Realität. Auch unterscheidet sich der Nenner des Interesses, also sozusagen die Schirmherrschaft des mehr oder mider gemeinsamen Ziels, ganz erheblich von den Quälereien dieses Ziel in der vereinten praktischen Arbeit zigtausender Autoren zu realisieren. Schon um zehn erfolgreich ausgeprägte Individuen brauchbare Ergebnisse produzieren zu lassen sind oft außergewöhnliche Anstregungen nötig und selbst dann nicht immer erfolgreich. Hier kann man entweder mit einer Mischung aus Sarkasmus, Humor und gelegentlicher Erbitterung das Unvermeidliche ertragen oder eben vor diesem resignieren.
Sollte jemand tatsächlich bis hierher gelesen haben, was ich mal nicht hoffe, so muss ich hier auf Warum Wikipedia? verweisen. Als Hinweis sei noch angemerkt, dass die obigen Texte von mir mit der Zeit aufgearbeitet werden und ab so etwa einem Jahr(zehnt) dann auch wirklich zun lesen gedacht sind.