Benutzer:Scialfa/Juliane Grehn
LANDTAG MECKLENBURG-VORPOMMERN Drucksache 1/4613 1. Wahlperiode 22.06.94 BESCHLUSSEMPFEHLUNG UND BERICHT des Wahlprüfungsausschusses zu dem Einspruch von Frau Juliane Grehn vom 05.01.1994 gegen ihre Nichtberufung als Listenbewerber A. Problem Gemäß § 1 Abs. 1 Ziffer 1. des Gesetzes über die Prüfung der Wahl zum Landtag des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Wahlprüfungsgesetz - WPrG -) ist Wahlprüfung Sache des Landtages. Dieser hat nach den Bestimmungen des Wahlprüfungsgesetzes nach Vorprüfung durch den Wahlprüfungsausschuß über Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahlen zum Landtag zu entscheiden. Mit Schreiben vom 05.01.1994 hat Frau Juliane Grehn gegen die Entscheidung des Landeswahlleiters, Herrn Heinz Fuhrmann zum Landtagsabgeordneten der CDU zu berufen, Einspruch eingelegt. B. Lösung Zurückweisung des Einspruchs als offensichtlich unbegründet, weil die Einspruchsführerin wirksam auf ihr Anwartschaftsrecht als Listennachfolgerin verzichtet hat. C. Alternativen Keine D. Kosten Drucksache 1/4613 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode _________________________________________________________________________________________________________ 2 Keine Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode Drucksache 1/4613 _________________________________________________________________________________________________________ 3 Beschlußempfehlung Der Landtag möge die aus der Anlage ersichtliche Entscheidung treffen. Schwerin, den 21. Juni 1994 Der Wahlprüfungsausschuß Dr. Buske Prof. Dr. Eggert Vorsitzender Berichterstatter Drucksache 1/4613 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode _________________________________________________________________________________________________________ 4 Anlage Beschluß In der Wahleinspruchssache der Frau Juliane Grehn, Schwerin, gegen ihre Nichtberufung als Listenbewerberin hat der Landtag in seiner ..... Sitzung am ......... 1994 beschlossen: Der Einspruch wird zurückgewiesen. Tatbestand Die Einspruchsführerin wendet sich mit ihrem Einspruch gegen die Entscheidung des Landeswahlleiters vom 02.12.1993, Herrn Heinz Fuhrmann zum Landtagsabgeordneten zu berufen. Bei der Landtagswahl am 14.10.1990 konnte die CDU insgesamt 29 Abgeordnetenmandate erringen. Die Abgeordneten der CDU wurden alle über die Erststimme, das heißt über die Wahlkreise direkt in den Landtag gewählt. Zu diesen Direktkandidaten gehörte die Einspruchsführerin nicht. Sie war ausschließlich auf der Landesliste, Listenplatz-Nr. 10, aufgestellt. Die Listenplatzbewerber kamen erst zum Zuge, als einige CDU-Abgeordnete am 31. Mai 1991 ihr Abgeordnetenmandat durch Erklärung zu Protokoll des Präsidenten des Landtages niederlegten. Es handelte sich dabei um die Landtagsabgeordneten Dr. Kunze, Dr. Schlingmann, Quaas und Leiblein. Für die durch Verzicht ausgeschiedenen vier Abgeordneten wurden daraufhin vom Landeswahlleiter vier Listenplatzbewerber auf der Landesliste der CDU als Nachrücker festgestellt und zu Landtagsabgeordneten berufen. Diese Nachfolge gab der Landeswahlleiter mit Schreiben vom 03.06.1991 bekannt. Es handelte sich um: Frau Renate Holznagel, Platz 04 der Landesliste der CDU Herrn Christoph Brandt, Platz 06 der Landesliste der CDU Herrn Georg Nolte, Platz 14 der Landesliste der CDU Herrn Peter Haeske, Platz 35 der Landesliste der CDU Die Listenplätze Nr. 1 (Dr. Gomolka), Nr. 2 (Dr. Diederich), Nr. 5 (Dr. Gienapp), Nr. 7 (Prachtl), Nr. 8 (Dr. Nieter), Nr. 9 (Jelen), Nr. 11 (Dr. Brick), Nr. 12 (Caffier) und Nr. 13 (Seidel) waren durch die Direktwahl bereits ausgeschöpft. Der Listenkandidat auf Platz Nr. 3 (Dr. Meyer-Bodemann) hatte am 30. Mai 1991 gegenüber dem Landeswahlleiter schriftlich seinen Verzicht erklärt. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode Drucksache 1/4613 _________________________________________________________________________________________________________ 5 Als rangstellennächste Listenbewerber kamen im Zeitpunkt der Nachrückentscheidung des Landeswahlleiters daher folgende Nachfolgekandidaten in Betracht: Listenplatz-Nr. 04 Frau Renate Holznagel Listenplatz-Nr. 06 Herr Christoph Brandt Listenplatz-Nr. 10 Frau Juliane Grehn Listenplatz-Nr. 14 Herr Georg Nolte Die Nachfolgekandidaten auf den Listenplätzen 04, 06 und 14 haben durch schriftliche Erklärungen ihr Mandat angenommen. Von Frau Grehn liegt ein Schreiben datiert vom 24. Mai 1991 vor, in dem es wörtlich heißt: "Verzichtserklärung Hiermit verzichte ich auf mein Mandat für den Landtag Mecklenburg-Vorpommern für die erste Wahlperiode." Dieses Schriftstück ist unterzeichnet von Frau Juliane Grehn. Dieses Schriftstück war von der Einspruchsführerin in Gegenwart des Vorsitzenden der CDULandtagsfraktion von Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Eckhardt Rehberg, unterschrieben worden. Von der CDU-Fraktion wurde dieses Schriftstück an den Landeswahlleiter weitergeleitet. Diesem lag die Verzichtserklärung vor der Berufung der Nachfolgekandidaten für die ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Kunze, Dr. Schlingmann, Quaas und Leiblein vor. Der Landeswahlleiter beurteilte dieses Schreiben als Verzichtserklärung im Sinne von § 76 Abs. 3 der Landeswahlordnung, so daß Frau Juliane Grehn nicht mehr als Listenplatzbewerberin für die vier ausgeschiedenen Abgeordneten berücksichtigt wurde. An ihrer Stelle wurde der rangnächste Listenplatzbewerber, der nicht auf die Annahme der Wahl verzichtet hatte, Herr Peter Haeske (neben den Listennachfolgern Holznagel, Brandt und Nolte) zum Landtagsabgeordneten berufen. Am 21. November 1993 ist Herr Prof. Dr. Friedrich Täubrich, Mitglied der CDU-Landtagsfraktion verstorben. Unmittelbar darauf richtete der Präsident des Landtages Mecklenburg- Vorpommern an den Landeswahlleiter mit Schreiben vom 23.11.1993 die Bitte festzustellen, wer als Listennachfolger für Herrn Prof. Dr. Täubrich eintritt. Gleichzeitig wurde um Einleitung der entsprechenden Verfahrensschritte gebeten. Mit Schreiben vom 02.12.1993, gerichtet an den Präsidenten des Landtages, traf der Landeswahlleiter die Feststellung, daß Herr Heinz Fuhrmann zum Listennachfolger für die CDU berufen wird. Es wurde ferner mitgeteilt, daß Herr Fuhrmann am 29.11.1993 gegenüber dem Landeswahlleiter die Wahl schriftlich angenommen habe. Den Listennachfolger hat der Landeswahlleiter mit Bekanntmachung vom 24.01.1994, erschienen im Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommern Nr. 5 vom 07.02.1994, Seite 119, öffentlich bekanntgemacht. Drucksache 1/4613 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode _________________________________________________________________________________________________________ 6 In der Zeit seit dem Mandatserwerb durch Herrn Haeske Anfang Juni 1991 und der Berufung von Herrn Fuhrmann Anfang Dezember 1993 sind mehrere Abgeordnete aus der CDU-Landtagsfraktion durch Verzicht ausgeschieden und infolgedessen die rangnächsten Nachfolgekandidaten von der Landesliste zu Abgeordneten berufen worden. Nicht berücksichtigt wurden Listenplatzbewerber, die vorher auf ihre Anwartschaft verzichtet hatten. Erstmalig mit Schreiben vom 26.08.1992 wandte sich Frau Grehn an den damaligen Landeswahlleiter. Darin trägt sie vor, sie habe vom Landeswahlleiter keinerlei Aufforderung erhalten, zu erklären, ob sie die Wahl bzw. ein Nachrückermandat annehme. Im übrigen habe ein rechtsgültiger Verzicht auch zur Niederschrift des Landtagspräsidenten oder eines Notars abgegeben werden müssen. Mit Schreiben vom 09.09.1992 und 30.09.1992 wurde der Einspruchsführerin vom Landeswahlleiter erklärt, daß die Verzichtserklärung vom 24.05.1991 wirksam und unwiderruflich sei. Mit Schreiben vom 05.01.1994 hat Frau Juliane Grehn, vertreten durch die Rechtsanwälte Diestel, Hübscher, Göhring, Einspruch gegen die Entscheidung des Landeswahlleiters, Herrn Heinz Fuhrmann zum Landtagsabgeordneten der CDU zu berufen, eingelegt. Der Einspruch ist beim Landeswahlleiter eingegangen am 13.01.1994, nachdem er vom Innenministerium nach Eingang am 11.01.1994 weitergeleitet worden war. Der Einspruch war am 07.01.1994 auch beim Präsidenten des Landtages eingelegt worden. Der Wahlprüfungsausschuß des Landtages Mecklenburg-Vorpommern hat in seiner Sitzung am 10.03.1994 beschlossen, die Wahlakten des Landeswahlleiters sowie dessen Stellungnahme zu dem Einspruchsschriftsatz der Einspruchsführerin anzufordern. Ferner wurde der Abgeordnete Prof. Dr. Eggert zum Berichterstatter bestimmt. Der Berichterstatter hat in der Sitzung des Wahlprüfungsausschusses am 16.06.1994 den ermittelten Sachverhalt vorgetragen. Die rechtliche Stellungnahme des Landeswahlleiters vom 06.05.1994 ist am 10.05.1994 beim Sekretariat des Wahlprüfungsausschusses eingegangen. Gleichfalls zugeleitet wurden die Wahlakten des Landeswahlleiters. Die Einspruchsführerin behauptet, am 22.01.1991 sei sie vom Fraktionsvorsitzenden der CDULandtagsfraktion, Herrn Rehberg, angeschrieben worden. Er habe ihr mitgeteilt, daß sie für die Nachfolge in den Landtag in Betracht kommen würde. Darauf habe sie nicht weiter reagiert, weil sie erst die entsprechende Nachricht des Landeswahlleiters habe abwarten wollen. Am 24.05.1991 sei es dann zu einem Gespräch zwischen Herrn Rehberg und der Einspruchsführerin gekommen. In diesem Gespräch sei sie als "feststehende Nachfolgerin eines wegen IM-Belastung aus dem Landtag ausgeschiedenen CDU-Abgeordneten bezeichnet und von Herrn Rehberg bedrängt worden", "ihre Nachfolge als Landtagsabgeordnete zunächst zurückzustellen". Ihr sei von Herrn Rehberg zugesichert worden, daß die Zurückstellung kein Verlust ihres Anspruches auf ein Mandat sei. Sie sei aber von ihm angehalten worden, "ihm gegenüber eine Verzichtserklärung abzugeben, die den Platztausch bewerkstelligen sollte". Darauf habe Frau Grehn die insoweit unstreitige Verzichtserklärung vom 24.05.1991 unterschrieben. Daß diese Erklärung an den Landeswahlleiter weitergeleitet werden solle, sei zu keinem Zeitpunkt abgesprochen gewesen. Diese Erklärung habe lediglich die interne Absprache innerhalb der Fraktion dokumentieren sollen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode Drucksache 1/4613 _________________________________________________________________________________________________________ 7 Die Einspruchsführerin ist der Ansicht, daß vor diesem Hintergrund zu keinem Zeitpunkt ein Verzicht gegenüber dem Landeswahlleiter erklärt worden sei. Aus diesem Grunde habe die Einspruchsführerin berechtigterweise davon ausgehen können, weiter auf der Nachfolgeliste der CDU zu stehen. Sie ist ferner der Ansicht, aufgrund der Zusage von Herrn Rehberg, rechtlich nicht auf ihr Anwartschaftsrecht bzw. Mandat verzichtet zu haben. Es habe für sie kein Anlaß bestanden, Einspruch gegen die am 03.06.1991 getroffene Entscheidung des Landeswahlleiters zur Berufung des Nachfolgekandidaten Georg Nolte (Listenplatz 14) zu erheben. Die Einspruchsführerin ist weiterhin der Ansicht, daß sie im Juni 1992 anstelle von Frau Dr. Annemarie Seite in den Landtag hätte nachrücken müssen, weil sie nach der mit Herrn Rehberg getroffenen Absprache, "ihr (zurückgestelltes) Mandat" hätte wahrnehmen müssen. Auf diese Absprache hätte sie vertrauen können. Ferner behauptet sie, sie sei seit diesem Zeitpunkt (Juni 1992) um die Anerkennung ihres Status als Abgeordnete des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern bemüht. Dennoch sei ihr Anspruch mit dem Hinweis auf die gegenüber Herrn Rehberg "abgegebene Verzichtserklärung" vom 24.05.1991 stets abgelehnt und auch die Durchführung eines Wahlprüfungsverfahrens von Amtswegen nicht in die Wege geleitet worden. Sie ist der Ansicht, sie habe zu keinem Zeitpunkt wirksam auf ihre Anwartschaft als Listennachfolgerin verzichtet. Herr Fuhrmann wäre letztlich nicht als Abgeordneter berufen worden, wenn Frau Grehn anstelle von Herrn Nolte als Listennachrückerin der CDU am 03.06.1991 Abgeordnete des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern geworden wäre. Die rechtswidrige Berufung von Herrn Nolte - so die Auffassung der Einspruchsführerin - mache letztlich auch die Berufungen von Frau Dr. Seite und Herrn Fuhrmann rechtswidrig. Die Einspruchsführerin trägt vor, die Berufung von Herrn Nolte und von Frau Dr. Seite zu Abgeordneten sei nicht in der formal richtigen Weise öffentlich bekanntgemacht worden. Vor diesem Hintergrund sei die Einspruchsfrist im Falle der Berufung von Herrn Nolte, die erst mit der öffentlichen Bekanntmachung zu laufen beginne, überhaupt nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Für den Fall, daß sich der Einspruch gegen die Entscheidung des Landeswahlleiters, Herrn Georg Nolte am 03.06.1991 als Listennachrücker zum CDU-Landtagsabgeordneten zu berufen, hätte richten müssen, beantragt die Einspruchsführerin, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Fristversäumnis analog § 32 VwVfG, § 60 VwGO. Drucksache 1/4613 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode _________________________________________________________________________________________________________ 8 Die Einspruchsführerin sei auch weder schriftlich noch mündlich vom Landeswahlleiter zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert worden. Das Schreiben des Vorsitzenden der CDULandtagsfraktion könne damit nicht gleichgesetzt werden. Aus diesem sei weder der Landeswahlleiter als Absender ersichtlich, noch gehe daraus hervor, daß der CDU-Fraktionsvorsitzende für den Landeswahlleiter tätig geworden sei. Der Nachfolgefall selbst sei außerdem erst am 01.06.1991 eingetreten. Eine förmliche Feststellung und Bekanntmachung der Nachfolge durch den Landeswahlleiter habe demzufolge zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht stattfinden können. Auch aus diesem Grunde sei die Erklärung der Einspruchsführerin als vorab erfolgt und daher als Blankoverzicht anzusehen. Sie sei auf eine Nachfolge bezogen, die zwar in diesem Zeitpunkt als wahrscheinlich erschienen sei, aber noch nicht festgestellt war. Auch dieser Umstand mache die "Verzichtserklärung" unwirksam. Mit dem Einspruch wendet sich die Einspruchsführerin gegen die Entscheidung des Landeswahlleiters, am 02.12.1993 den Nachfolgekandidaten Heinz Fuhrmann zum Landtagsabgeordneten der CDU zu berufen und beantragt, als Nachfolgekandidatin zur Landtagsabgeordneten der CDU im Landtag von Mecklenburg- Vorpommern berufen zu werden. Der Landeswahlleiter vertritt in seiner Stellungnahme vom 06.05.1994 die Auffassung, daß die Einspruchsführerin wirksam auf ihre Anwartschaft durch die Erklärung vom 24.05.1991 verzichtet habe. Aber abgesehen davon, bestehen nach seiner Ansicht erhebliche Zweifel, ob der Einspruch von Frau Grehn überhaupt fristgemäß eingelegt worden ist. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, da die Einspruchsführerin erst, als bereits mehrere Listenkandidaten in den Landtag nachgerückt waren, ihren behaupteten Anspruch auf Mandatserwerb angemeldet hatte. Den nach Ansicht des Landeswahlleiters wirksamen Verzicht von Frau Grehn sieht er aus im wesentlichen folgenden Gründen für gegeben: Nach § 76 Abs. 3 der Länderwahlordnung genüge für Listennachfolger, die nicht dem Landtag angehörten, bei Verzicht auf ihre Anwartschaft lediglich eine formlose schriftliche Erklärung gegenüber dem Landeswahlleiter. Diese formlose schriftliche Erklärung habe Frau Grehn gegenüber dem Landeswahlleiter abgegeben. In diesem Zusammenhang sei es völlig unerheblich, daß Frau Grehn nicht selbst, sondern der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion die von Frau Grehn unterschriebene Verzichtserklärung seinerzeit an den Landeswahlleiter weitergegeben hatte. Entscheidend sei, daß der parlamentarische Geschäftsführer die von Frau Grehn abgegebene Verzichtserklärung als Bote an den Landeswahlleiter übermittelt habe. Daß diese Umstände für die Einspruchsführerin auch klar ersichtlich gewesen seien, habe sich nicht zuletzt an der Tatsache gezeigt, daß sie bis zum Ausscheiden des früheren Ministerpräsidenten, des Abg. Dr. Gomolka, im Frühjahr 1992 in dessen Büro weitergearbeitet habe, obwohl in der Zwischenzeit erneut mehrere Listenkandidaten, die auf der Liste erst nach dem Platz von Frau Grehn gefolgt seien, in den Landtag nachgerückt waren. Weiter führt der Landeswahlleiter aus, daß es auch nicht erforderlich sei, daß eine Verzichtserklärung eine vorherige Anfrage des Landeswahlleiters voraussetze. Dies sei fälschlicherweise im Schriftsatz der Rechtsvertreter der Einspruchsführerin vorgetragen worden. Ein nichtgewählter Bewerber könne jederzeit, auch wenn seine Nachfolge noch nicht konkret anstehe, gegenüber dem Landeswahlleiter schriftlich auf sein Anwartschaftsrecht verzichten. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode Drucksache 1/4613 _________________________________________________________________________________________________________ 9 Im übrigen könne eine Mandatsverzichtserklärung nur vorbehaltlos abgegeben werden. Sie sei absolut bedingungsfeindlich. Ausfluß dieses Gedankens sei die Bestimmung des § 76 Abs. 3 Satz 2 Landeswahlordnung, in dem ausdrücklich bestimmt sei, daß ein Verzicht nicht widerrufen werden könne. Auch sei unbeachtlich, ob vor oder bei Abgabe der Verzichtserklärung Gespräche mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Rehberg stattgefunden haben und die Einspruchsführerin hierdurch zum Verzicht bewegt worden sein soll. Bei der Abgabe einer Willenserklärung seien die dahinterstehenden Motive grundsätzlich unbeachtlich. Abzustellen sei allein auf den objektiven Erklärungswert. Dieser enthalte aufgrund der eindeutigen Formulierung eine ausdrückliche Ablehnung eines Mandatserwerbs. Vor diesem Hintergrund habe für den Landeswahlleiter auch keine Nachfragepflicht gegenüber der Einspruchsführerin bestanden. Auch die Behauptung der Einspruchsführerin, die Erklärung habe "lediglich die interne Absprache innerhalb der Fraktion dokumentieren sollen", lasse keine andere rechtliche Beurteilung zu. Für eine abhanden gekommene Willenserklärung, die dem vermeintlich Erklärenden nicht mehr zurechenbar wäre, bestehe kein Raum, da schon von den objektiven Gegebenheiten her Frau Grehn die von ihr unterzeichnete Erklärung selbst außerhalb ihres eigenen Herrschaftsbereichs verbracht habe. Damit sei der Zugang dieser Erklärung eindeutig der Einspruchsführerin zuzurechnen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Wahlprüfungsakten, die in der Sitzung des Wahlprüfungsausschusses am 16.06.1994 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind, insbesondere auf die Schriftsätze der Einspruchsführerin vom 03.01.1994, 06.12.1993 und das Schreiben des Landeswahlleiters vom 06.05.1994 verwiesen. Der Wahlprüfungsausschuß hat nach Prüfung der Sach- und Rechtslage einstimmig beschlossen, gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrG) von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Abstand zu nehmen. Drucksache 1/4613 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode _________________________________________________________________________________________________________ 10 Entscheidungsgründe Der Einspruch ist zulässig, aber nicht begründet. Die Einspruchsführerin hat form- und fristgerecht Einspruch gegen die Entscheidung des Landeswahlleiters vom 02.12.1993 eingelegt. Die Entscheidung des Landeswahlleiters über die Berufung eines Listennachfolgers ist kein anfechtbarer Verwaltungsakt (Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 4. Auflage 1990, § 48 Rdn 11). Sie unterliegt aber der Nachprüfung im Wahlprüfungsverfahren. Dies ergibt sich aus § 41 Landeswahlgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern (LWG M-V). Danach kann jeder Wahlberechtigte binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses durch den Landeswahlleiter gegen die Gültigkeit der Wahl Einspruch erheben (§ 41 Abs. 1 LWG M-V). Darüber hinaus können nach § 41 Abs. 3 "im Zusammenhang mit Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl nach Abs. 1 einzelne Verwaltungsakte der Wahlbehörden" angefochten werden. Die Anfechtung "über die Gültigkeit dieser Verwaltungsakte" ist "im Wahlprüfungsverfahren .... zu entscheiden". Diese gesetzliche Regelung gilt seit Inkrafttreten des LWG M-V am 29.12.1993. Auch wenn im LWG M-V nicht ausdrücklich die Nachprüfbarkeit der Listennachfolge im Wahlprüfungsverfahren genannt ist, wird doch aus § 1 des Gesetzes über die Prüfung der Wahl zum Landtag des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Wahlprüfungsgesetz - WPrG -) deutlich, daß die Wahlprüfung für Fälle dieser Art eröffnet ist. Denn nach § 1 WPrG hat der Landtag auf Einspruch über die Gültigkeit der Wahlen zum Landtag zu entscheiden. Aber selbst wenn man nicht zu dieser Interpretation des Landeswahlgesetzes Mecklenburg- Vorpommern kommt, ist der Einspruch nach dem Länderwahlgesetz der DDR (LWG DDR), das bis zum 23. Dezember 1993 in Geltung war, zulässig. Nach diesem Gesetz ist ausdrücklich über § 52 Abs. 5 in Verbindung mit § 52 Abs. 4 die Möglichkeit der Anfechtung von Entscheidungen des Landeswahlleiters beim späteren Erwerb des Mandats eines Abgeordneten im Wege eines Wahlprüfungsverfahrens (§ 51 LWG DDR) vorgesehen. Auch wenn die Entscheidung des Landeswahlleiters erst durch Bekanntmachung vom 24.01.1994, erschienen im Amtsblatt für Mecklenburg-Vorpommern am 07.02.1994, allerdings unter dem Hinweis auf das Länderwahlgesetz der DDR öffentlich bekanntgemacht wurde, war doch mit der Feststellung des Landeswahlleiters am 02.12.1993 das Verfahren zur Regelung der Nachfolge des Listenbewerbers Heinz Fuhrmann noch in der Geltungszeit des Länderwahlgesetzes der DDR abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund ist die rechtliche Prüfung nach dem bis zum 23.12.1993 geltenden Rechtszustand vorzunehmen. Prüfungsmaßstab ist daher das Länderwahlgesetz der DDR. Der Einspruch wurde am 13.01.1994, also noch vor der öffentlichen Bekanntgabe im Amtsblatt M-V am 07.02.1994 eingelegt. Auch wenn dadurch bereits vor Fristbeginn die Einlegung des Einspruchs erfolgte, so ist er doch als fristgemäß anzusehen, weil die Rechtsvertreter der Einspruchsführerin mit Schriftsatz vom 15.02.1994, eingegangen beim Präsidenten des Landtages Mecklenburg-Vorpommern am 17.02.1994, diesen Einspruch nochmals bestätigt haben (Schneider/Zeh (Kretzschmer) Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1989, Seite 454). Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode Drucksache 1/4613 _________________________________________________________________________________________________________ 11 Die schriftliche Bestätigung des Einspruchs liegt sowohl innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist nach dem LWG M-V als auch innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist nach LWG DDR. Der damit fristgerecht eingelegte Einspruch genügt auch durch seine umfangreiche Begründung dem gesetzlich vorausgesetzten Begründungserfordernis. Entgegen der Auffassung des Landeswahlleiters in seinem Schreiben vom 06.05.1994 bestehen keine erheblichen Zweifel, ob der Einspruch von Frau Grehn nicht fristgerecht eingelegt worden ist. Nach Auffassung des Ausschusses ist die Frist zur Einspruchseinlegung bei den früheren Nachrückfällen aufgrund fehlender und formgerechter öffentlicher Bekanntmachung im Amtsblatt nicht in Gang gesetzt worden. Zwar wurde von seiten des Landeswahlleiters dem Präsidenten des Landtages mitgeteilt, wer als Listennachfolger für einen ausgeschiedenen Abgeordneten nachrückt. Diese Art der Mitteilung entspricht aber nicht den Voraussetzungen einer öffentlichen Bekanntmachung. Auch die Bekanntmachung durch den Landeswahlleiter in der Schweriner Volkszeitung, der Ostseezeitung, Mecklenburger Morgenpost und über die Nachrichtenagenturen DPA und ADN bei der Entscheidung über das Nachrücken des Listenbewerbers Dieter Markhoff erfüllt nicht die Voraussetzungen der öffentlichen Bekanntmachung (vgl. § 76 Abs. 2 Landeswahlordnung vom 22. Juli 1990 (LWahlO). Nach allgemeiner Auffassung ist hierfür die Bekanntmachung im Amtsblatt der Landesregierung erforderlich (§ 86 Abs. 1 Bundeswahlordnung, BWO; Wolfgang Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 4. Auflage 1990, Rdn. 11 zu § 48). Der Einspruch von Frau Grehn hat in der Sache keinen Erfolg. Die Einspruchsführerin hat keinen Anspruch auf Berufung zur Abgeordneten des Landtages Mecklenburg-Vorpommern als Listenplatzbewerberin nach dem Tod des Abgeordneten Prof. Dr. Friedrich Täubrich. Frau Juliane Grehn hat am 24.05.1991 wirksam auf ihre Anwartschaft als Listenplatzbewerberin gemäß § 76 der LWahlO verzichtet. Hierfür sind folgende Gründe maßgebend: Anspruchsberechtigt ist der derjenige Listenbewerber, der sich bei der Feststellung des nachrückenden Nachfolgekandidaten durch den Landeswahlleiter übergangen fühlt (Schneider/Zeh (Kretzschmer), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1989, Seite 456; BT-Drucksache 7/5185). Zu überprüfen ist der Mandatserwerb (Mandatserwerbsprüfung). Er betrifft die Befugnis zum Eintritt in das Parlament. Hierbei wird wie in einem Gerichtsverfahren kontrolliert, ob bei dem gegebenen und festgestellten Sachverhalt die einschlägigen Normen zutreffend angewandt worden sind oder nicht (vgl. Schneider/ Zeh a. a. O. (Kretzschmer), Seite 455, 459 f.). Drucksache 1/4613 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode _________________________________________________________________________________________________________ 12 Nach § 1 Abs. 1 Ziffer 1 WPrG M-V entscheidet der Landtag auf Einspruch über die Gültigkeit der Wahlen zum Landtag. Nach dieser gesetzlichen Regelung und der allgemeinen Praxis führt ein Wahleinspruch lediglich zur Überprüfung der Wahl in dem Umfange, der durch den Wahleinspruch bezeichnet wird. Der Einspruchsführer bestimmt also den Streitgegenstand und seinen Umfang. Voraussetzung ist deshalb ein konkreter und hinreichend substantiierter Sachvortrag, aus dem sich schlüssig entnehmen läßt, worin ein Verstoß gegen Wahlrechtsvorschriften liegen soll und der die Nachprüfung rechtserheblicher Tatsachen zuläßt (Schreiber, a. a. O. Rdn. 17 zu § 49, Schneider/Zeh, a. a. O. (Kretzschmer) Seite 452, BT-Drucksache 11/1805). Auszugehen ist daher von dem Sachvortrag der Einspruchsführerin. Sein Umfang begrenzt die Nachprüfung durch den Wahlprüfungsausschuß. Maßgebend für die Überprüfung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung durch den Landeswahlleiter (Wolfgang Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 4. Auflage 1990, Rdn 7 zu § 48; BT-Drucksache 7/5185, S. 8). Der Einspruchsführerin stand weder im Zeitpunkt der Listennachfolge des Abgeordneten Georg Nolte (Listenplatz 14 der Landesliste der CDU) noch im Zeitpunkt der Listennachfolge des Listenplatzbewerbers Heinz Fuhrmann (Platz 50 der Landesliste der CDU) der Anspruch zu, als Listennachfolgerin zur Abgeordneten des Landtages Mecklenburg-Vorpommern berufen zu werden. Sie hatte zwar mit Platz 10 der Landesliste eine höhere Rangstelle inne als die vom Landeswahlleiter berufenen Abgeordneten Nolte und Fuhrmann. Die Einspruchsführerin hatte aber am 24.05.1991 und damit bereits vor der Berufung des Listenplatzbewerbers Nolte am 01.06.1991 nach § 76 Abs. 3 LWahlO wirksam auf ihre Anwartschaft als Listennachfolger verzichtet. § 76 Abs. 3 der Landeswahlordnung (LWahlO) bestimmt, daß ein nichtgewählter Bewerber seine Anwartschaft als Listennachfolger verliert, wenn er dem Landeswahlleiter schriftlich seinen Verzicht erklärt. Der Verzicht kann nicht widerrufen werden. Der Inhalt der Erklärung ist eindeutig und bietet nicht zu Zweifeln Anlaß. Frau Grehn hat den Verzicht für die 1. Wahlperiode, das heißt für die gesamte Wahlzeit erklärt. Für einen Verzicht auf die Anwartschaft ist lediglich eine formlose schriftliche Erklärung gegenüber dem Landeswahlleiter erforderlich. Die Ansicht der Einspruchsführerin, der Verzicht habe, um wirksam zu sein, nach § 48 LWG DDR zur Niederschrift des Landtagspräsidenten oder eines Notars erfolgen müssen, geht fehl. Der eindeutige Wortlaut der einschlägigen Vorschrift der Landeswahlordnung ist auch nicht in der von der Einspruchsführerin vorgebrachten Weise auszulegen. Die unterschiedlichen Formerfordernisse für den Verzicht auf die in der Position auf der Landesliste erworbene Anwartschaft und für den Verzicht eines Abgeordnetenmandats finden ihre Begründung darin, daß einerseits auf ein bloßes Anwartschaftsrecht, andererseits jedoch auf ein bereits bestehendes Mitgliedschaftsrecht, das heißt auf ein Vollrecht, verzichtet werden soll. Ihre Behauptung, sie sei vom Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion angehalten worden, "ihm gegenüber eine Verzichtserklärung abzugeben, die den Platztausch bewerkstelligen sollte", ist nicht zu folgen. Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode Drucksache 1/4613 _________________________________________________________________________________________________________ 13 Es ist im Rahmen des Wahlrechts nicht möglich, einen Platztausch auf einer Landesliste vorzunehmen, mithin seinen Listenplatz "ruhen" zu lassen, bis ein neuer Fall der Listenplatznachfolge eintritt. Wenn eine Person als rangnächster Nachfolgekandidat für die Berufung zum Landtagsabgeordneten ansteht, muß spätestens in dem Zeitpunkt, in dem der Landeswahlleiter nach § 49 Abs. 1, Satz 5 in Verbindung mit §§ 46, 47 LWG DDR den Listenbewerber zur Erklärung über die Annahme des Mandats auffordert, der Benachrichtigte die Erklärung der Annahme des Mandats oder die Erklärung der Ablehnung abgeben. Eine Annahme unter einer aufschiebenden Bedingung, wie die Einspruchsführerin vorträgt, ist im Wahlrecht nicht zulässig, weil es sich hierbei um bedingungsfeindliche Rechtsakte handelt (Schreiber a. a. O. Rdn 8 zu § 46 zum Verzicht auf ein Mandat). Dies gilt auch für den Fall, daß der Verzicht ohne vorherige Benachrichtigung oder Anfrage des Landeswahlleiters erklärt wird, wie in diesem Falle von Frau Grehn, durch Erklärung vom 24.05.1991 erfolgt ist. Es sei in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, daß ein Verzicht auch ohne den akuten Fall einer Nachfolge oder ohne Anfrage des Landeswahlleiters erklärt werden kann. Eine vorherige Benachrichtigung durch den Landeswahlleiter wird von § 76 Abs. 3 LWahlO nicht verlangt. Die Verzichtserklärung vom 24.05.1991 wurde auch nicht wirksam angefochten. In Betracht kommt eine Anfechtung wegen Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB, sofern Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Anfechtung auf diese Fallgestaltung überhaupt anwendbar sind. Die Rechtsprechung und die überwiegende Meinung in der Literatur gehen davon aus, daß eine Anfechtung wegen Willensmangels nur ausnahmsweise zuzulassen sei, etwa bei Zwang oder rechtswidriger Drohung im Sinne von § 123 BGB, nicht jedoch wegen Irrtums in der Erklärung oder im Beweggrund im Sinne von § 119 BGB (Schreiber a. a. O. § 46 Rdn 11). Diese Rechtsauffassung ist anerkannt für den Fall des Verzichtes auf ein Mandat. Wenn es daher für das Vollrecht Geltung beanspruchen kann, muß es ebenso für das Anwartschaftsrecht auf Listennachfolge gelten. Allerdings liegt auch keine wirksame Anfechtung vor. Die Einspruchsführerin hat nicht rechtzeitig, das heißt nicht unverzüglich, nachdem sie von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat, ihre Willenserklärung angefochten. Frau Grehn läßt durch ihre Rechtsvertreter vortragen, daß eigentlich sie anstelle von Frau Dr. Annemarie Seite, die im Juni 1992 in den Landtag nachgerückt ist, selbst zur Abgeordneten hätte berufen werden müssen. Weiter wird von der Einspruchsführerin behauptet, daß sie sich seit diesem Zeitpunkt bemüht habe, "die Anerkennung ihres Status als Abgeordnete des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern" zu erreichen. Ausweislich der Akten hat die Einspruchsführerin erst mit Schreiben vom 26.08.1992 gegenüber dem Landeswahlleiter um Auskunft gebeten, wieso es zu einer Streichung von der "Liste der Nachrücker in den Landtag" gekommen sei. Selbst wenn man dieses Schreiben als Anfechtungserklärung auslegen würde, wäre es erst zwei Monate nach Kenntnis von der Berufung von Frau Dr. Seite in den Landtag, das heißt ca. zwei Monate nach der von ihr selbst vorgetragenen Kenntnis eines möglichen Anfechtungsgrundes erfolgt. Da eine Anfechtung wegen Inhaltsirrtums aber unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern erfolgen muß (§ 119 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist eine erst in diesem zeitlichen Abstand erfolgte Anfechtung nicht mehr fristgerecht. Drucksache 1/4613 Landtag Mecklenburg-Vorpommern - 1. Wahlperiode _________________________________________________________________________________________________________ 14 Darüber hinaus ist aber auch ein Irrtum über die Rechtsfolgen der Verzichtserklärung, wie von Frau Grehn vorgetragen, als Rechtsfolgenirrtum nach der einschlägigen Rechtsprechung unbeachtlich. Dies folgt daraus, daß § 119 Abs. 1 BGB nicht anwendbar ist, wenn der Irrtum sich auf Rechtsfolgen bezieht, die sich nicht aus dem Inhalt des Geschäfts ergeben, sondern "ex lege", das heißt als unmittelbare gesetzliche Folge eintreten (Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Rdn 15 zu § 119). Nach § 76 Abs. 3 LWahlO führt ein Verzicht des Anwartschaftsrechts auf Listennachfolge automatisch zur Streichung von der Landesliste und damit für die Zukunft zu einem Verlust des Rechtes auf Berufung als Nachfolgekandidat in den Landtag. Die Rechtsfolgen des Verzichts treten daher kraft Gesetzes ein. Der Einspruch war daher als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluß kann gemäß Artikel 21 Abs. 2 der vorläufigen Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der als Anlage beigefügt ist, beim Oberverwaltungsgericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern Beschwerde erhoben werden