Benutzer:Ulrich Walluhn
Verifiziertes Benutzerkonto von: Ulrich Walluhn
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Mein Name ist Ulrich Walluhn, und ich bin in der Eisenbahnszene kein Unbekannter, kein unbeschriebenes Blatt wie der Volksmund sagt. Über mich kursieren seit mehr als zwei Jahrzehnten etliche teils abenteuerliche und aberwitzige Legenden und Gerüchte. Ich finde, es ist die Zeit gekommen, aus erster Hand zu informieren und auch mit zahlreichem Unsinn aufzuräumen, der wieder und wieder über mich behauptet wird.
Allen Interessenten empfehle ich hierzu das im jahre 2014 eingerichtete Kritische Eisenbahnforum:
http://www.kritisches-eisenbahnforum.de
Hinzu lese man auf meiner 2015 eröffneten Hompage (Heimseite)
http://walluhn.foren.mysnip.de
Und insbesondere "Ich möchte mich allen vorstellen" und "Hexenjagd". Hier wird mit Legenden aufgeräumt.
Ich habe mehr als 40 Jahre zum Thema Lokomotivgeschichte intensiv geforscht. Meine Sammlung umfasst heute mehr als 500.000 Blatt Kopien und andere Unterlagen. Allein 240 Aktenordner füllt die Betriebsbuch-Abschriften-Sammlung von mehr als 45.000 deutschen Lokomotiven. Das gesamte Material ist auf 4 Zimmer verteilt und droht schon wieder aus allen Nähten zu platzen. Die Lokomotivgeschichte ist schon sehr lange kein Hobby mehr, sondern Berufung, Lebenswerk, Lebensaufgabe.
Ich wurde am 02. Februar 1959 um 05.35 Uhr in Erfurt geboren. Meiner Heimatstadt bin ich das ganze Leben treu geblieben, auch wenn mein Hauptwohnsitz nicht immer dort lag oder liegt. Obwohl auch ich 1989 Fluchtgedanken aus der DDR hatte, blieb ich. Und es war gut so.
Von 1965 bis 1973 besuchte ich in Erfurt die 11. Polytechnische Oberschule, das ehemalige Königin Elisabeth Gymnasium in der Melanchthonstraße. Im September 1973 wechselte ich zur Erweiterten Oberschule, der EOS Humboldt am Juri-Gagarin-Ring. Dies war ein schmuckloses Restgebäude eines im Krieg erheblich beschädigten großen Gymnasiums mit Sternwarte, das immer einen provisorischen Eindruck machte, keine Turnhalle und keine Aula besaß und dem irgendwie jede Strahlkraft fehlte. Heute findet man hier eine unzugänglich umzäunte Grundschule ebenso ohne jeden Glanz. Meine Oberschulzeit 1973 bis 1977 (vergleichbar heute mit dem Gymnasium) war rückblickend gesehen wohl die schönste meines Lebens. Die „Verbeugungen“ vor dem DDR-Staat hielten sich in Grenzen und blieben marginal hinsichtlich der Erlebnisse jener Jahre, die nicht anders waren, als bei Abiturienten etwa in Köln oder München. Die Ereignisse der Jugendjahre haben mich dauerhaft und bis heute stark geprägt. Richtige Probleme gab es nicht, dafür Schlüsselerlebnisse wie die erste große Liebe oder das Einserabitur. Schule und Freizeit standen in gesundem Verhältnis zueinander.
Dies änderte sich allerdings im Herbst 1977 mit meiner Einberufung zur Nationalen Volksarmee. Wenige Monate zuvor war ich mit den Eltern aus der Hocheimer Straße in die Grimmstraße nahe des Steigerwaldes umgezogen. Hier hatte mein Vater ein kleines Einfamilienhaus erworben. Anfang November 1977 musste ich meinen Dienst bei der Armee antreten. Ich hatte mich wie fast alle Abiturienten in der DDR auf 3 Jahre verpflichten müssen, allerdings nur mit der Maßgabe im technischen Dienst der rückwärtigen Einheiten tätig zu werden. Von einer Stunde auf die andere war meine unbeschwerte Jugend zu Ende. Der Dienstort hieß Prora auf Rügen. Drei ganze Jahre verbrachte ich dort: Ein Jahr als Unteroffiziersschüler und zwei weitere als Werkstattleiter und Lehrausbilder für Nachrichtentechnik. An sich sehr schön und „halbzivil“ mit erstaunlich vielen persönlichen Freiheiten. Kein richtiger Armeedienst. Salonsoldat in Pantoffeln sagte ich immer. Mit einem Pferdefuß: 1978 interessierte sich das Ministerium für Staatssicherheit für mich. Eigentlich unverständlich. Meine Eltern standen dem DDR-Staat kritisch gegenüber und waren für jeden erkennbar pro-westlich eingestellt. Ein Bruder meines Vaters war 1952 aus der DDR abgehauen und lebte bei Karlsruhe. Zu ihm bestand Besuchskontakt. Andere nahe Verwandte wohnten in Hamburg und Lübeck. Alles was Walluhn heißt ist in Deutschland miteinander verwandt. Das Ministerium suchte einen fähigen Nachrichtentechniker für seine Zentrale in Straußberg bei Berlin. Und sie hatten mich im Visier. Mit viel Vorsicht und Klugheit gelang es mir, das Ansinnen abzuwenden. Ich stellte mich für konspirative Arbeit einfach zu dumm an.
Ende 1980 trat ich mein technisches Studium an der Ingenieurhochschule Ilmenau an. Obwohl ich rasch zum sogenannten Beststudenten mit Leistungsstipendium aufstieg, ging es nicht lange gut. Im Sommer 1981 stand des Ministerium wieder auf der Matte: Zusammenarbeit. Ich lehnte ab. Unter einem Vorwand flog ich im November 1981 von der Hochschule. Produktionsbewährung nannte man das. Man machte einfach eine Stubenbesichtigung und fand an einer Wand ein großes Eisenbahnbild von 1912. Königlich Bayerisches Eisenbahn-Regiment. Das genügte! Revanchismus und Verherrlichung des imperialistischen Kaiserreiches sind unwürdig für einen Studenten des sozialistischen Arbeiter- und Bauern-Staates. Draußen war ich.
Im September 1982 durfte ich in Ilmenau wieder zum Studium antreten. Zuvor verbrachte ich ein Jahr als Techniker im VEB Funkwerk Erfurt. Reparatur von rechnergesteuerten Maschinen. Und was passierte nun? Genau das gleiche wie Ende 1981. Das Ministerium stand wieder auf der Matte. Ich vermied jede Diskussion und reichte aus „persönlichen Gründen“ die Exmatrikulation selbst ein. Und ging zum VEB Funkwerk Erfurt zurück. In einem Kurzsatz: Ich hatte den Kanal restlos voll.
Aber auch hier konnte ich nicht lange ungestört sein. Ich hatte inzwischen zahlreiche Kontakte in den Westen zu Eisenbahnfreunden, einer unter ihnen sehr hochkarätig und allbekannt. Man wollte mich nicht weiter im Funkwerk beschäftigen. Ich sei ein Sicherheitsrisiko. Mitte 1984 wechselte ich zur Deutschen Reichsbahn, wo es immer an Arbeitskräften mangelte. Hier waren die Arbeitsbedingungen allerdings miserabel, ja sprichwörtlich unter aller Kanone. 1985 bemühte ich mich deshalb um Wiederaufnahme des Studiums. Entgegen aller Befürchtungen durfte ich im Herbst 1985 wieder eine Hochschule betreten. Zwar nicht Ilmenau, aber die Verkehrshochschule Dresden. Zuvor musste ich allerdings eine üble Kröte schlucken: Die Mitgliedschaft in der SED – bei der Eisenbahn damals ortsüblich.
Und was geschah nun? Ganz genau, Mitte 1986 stand das Ministerium in Dresden erneut auf der Matte. Ich wich zunächst aus. Anfang 1987 folg ich auch von dieser Hochschule und erhielt DDR-weites unbefristetes Studienverbot. Begründung: Illegale Einreise im Sommer 1986 in das Sperrgebiet von Lwow (Lemberg) zu meinen Freund Konstantin Smironow. Wie ich heute aus Moskauer Akten des KGB weiß, einzig und allein von der Staatssicherheit hochgespielt und zum Elefanten aufgeblasen. Den KGB kümmerte meine Reise nicht. Begründung: Harmloser Eisenbahnfreund aus der DDR, interessiert sich nur für Lokomotiven.
Anfang 1987 kehrte ich zur Deutschen Reichsbahn in Erfurt zurück und wurde als ungelernter Hilfsarbeiter auf den Güterbahnhof verfrachtet. Hier bestand meine Aufgabe nun darin, in einer schmutzigen verfallenen Werkstatt zu hausen und Rangierfunkgeräte von den Lok ab- und auf die Lok aufzubauen. Nun gut, dies hatte unzweifelhaft auch seine Vorteile. Ich konnte den Fotoapparat mitnehmen und frei und ungestört auf dem Bahnhof fotografieren. Beruflich freilich war dies alles keine Perspektive.
Ich tat das, was damals viele Menschen taten: Ich suchte Rat und Hilfe unter dem Dach der Evangelischen Kirche, sprich in der Erfurter Thomasgemeinde und der Stadtmission. Noch heute ziehe ich den Hut vor der Unerschrockenheit von Pfarrer Capraro und Hartmann gegenüber den Staatsorganen. Wir drohten mutig mit einem Ausreisantrag. Dies half. Im Herbst 1987 wurde ich als Techniker zum Rechenzentrum der Reichsbahn in Erfurt Geibelstraße versetzt. Das war ein Sieg auf ganzer Linie. Hier nun wollte ich mich bis zur Rente einnisten und endlich Ruhe haben vor Stasi und Partei. Das Studium schrieb ich endgültig ab. Wozu denn noch? Im Rechenzentrum war es warm, sauber, trocken, wir hatten nette Kollegen und das Geld stimmte. Wozu also neue Verbeugungen vor den Machthabern machen? Außerdem hatte ich unbegrenzte Freifahrt und durch den Schichtbetrieb freie Wochentage. Ich konnte kostenlos im Lande herumfahren, fotografieren und Archive und Freunde besuchen. Und ich hatte 42 Tage Urlaub im Jahr. Die DDR-Welt schien in Ordnung.
Im April 1989 bekam ich die Möglichkeit zu einer Reise in den „Westen“. Warum man mich überhaupt fahren ließ ist bis heute nicht ganz ergründet, zumal ich nicht dorthin fuhr, wo ich eigentlich hin musste, nämlich zu meinem Onkel nach Karlsruhe. Ich rechnete mit einer Reiseablehnung, die mir den Vorwand zum Austritt aus der SED geliefert hätte. Nun ließ man mich fahren. Ich blieb nicht im Westen und kehrte nach Erfurt zurück. Und im Anschluß warf ich den verblüfften Genossen trotzdem das Parteibuch hin. Ich war weder bereit, mitverantwortlich für die (gefälschte) letzte Kommunalwahl in der DDR zu werden, noch der Betriebskampfgruppe beizutreten. Beides war mit dem Parteiaustritt automatisch vom Tisch. Ich war auch nicht bereit, passiv weiter mitzuschwimmen. Der Verfall der DDR war unübersehbar.
Ich weiß nicht was geschehen, wenn die „Wende“ vom Herbst 1989 nicht gekommen wäre. Vermutlich hätte man mich abermals rausgeworfen, diesmal aus dem Rechenzentrum. Entsprechende Ansätze gab es seit Mai 1989. Sie gingen in den Wendewirren wirkungslos unter. Trotzdem, die alten Genossen und Kader blieben und machten den kleinen Mitarbeitern bis 1992 hinein das Leben weiter schwer.
1991/1992 vollzogen sich in meinem Leben erhebliche private Veränderungen. Ich zog Anfang 1991 aus meinem Elternhaus aus, wo ich die ganzen Jahre seit 1977 leben musste, da es in Erfurt keine Wohnungen gab. Für längere Zeit verließ ich Erfurt gänzlich. Bei der Deutschen Reichsbahn kündigte ich 1992 auf eigenen Wunsch den Dienst, da es keine Perspektiven mehr gab und mein Lebensmittelpunkt auch nicht mehr in Thüringen lag.