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Julius Bursche (um 1938)

Julius Bursche (auch Juliusz Bursche) (* 19. September 1862 in Kalisch, Polen; † 20. Februar 1942 in Berlin-Moabit) war ein deutsch-polnischer evangelischer Geistlicher, Verleger sowie Generalsuperintendent und Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen.

Familie und Kindheit

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Bursches Großvater väterlicherseits, Johann Gotthelf Bursche, stammte aus Oppach in Sachsen. Er war ein einfacher Weber, der um 1820 nach Kongresspolen einwanderte und sich ließ in Turek bei Kalisch niederließ. Unter den deutschen Einwanderern dieser Zeit war auch der Weber Benjamin Müller, der Großvater mütterlicherseits.[1]

Julius Bursche wurde am 19. September 1862 als ältestes Kind des damaligen Vikars der Evangelischen Gemeinde in Kalisch, Ernst Wilhelm Bursche, und seiner ersten Gemahlin Mathilde geb. Müller geboren. 1863 zog die Familie zunächst nach Łódź, 1866 dann in das nahe gelegene Zgierz, wo der Vater zum Pfarrer gewählt wurde. Julius Bursche hatte einen Bruder und zwei Schwestern sowie sieben Halbbrüder und eine Halbschwester aus der zweiten Ehe seines Vaters mit Mathilde geb. Harmel, darunter Julius' ebenso bekannter Halbbruder Edmund Bursche (1881–1940).[1]

Das Elternhaus Julius Bursches war deutsch. Sein Vater und dessen zwei Ehefrauen beherrschten das Polnische nur unzureichend, doch alle ihre Kinder bekannten sich später zur polnischen Nationalität.[1][2]

1872 begann Bursche seine Ausbildung am Städtischen Gymnasium (heute: Adam-Asnyk-Lyzeum) in Kalisch.

Bursche besuchte das VI. Staatliche Gymnasium zu Warschau und anschließend immatrikulierte er sich 1880 an der Fakultät für Evangelische Theologie der Universität Dorpat. Hier gehörte er zur polnischen LandsmannschaftKonwent Polonia“, die zu dieser Zeit stark unter dem Eindruck des gescheiterten Aufstandes von 1863/64 stand. Außerdem gehörte er dem „Ring polnischer Theologen“ an,[3] der von den Ideen des Warschauer Pfarrers Leopold Otto beeinflusst war: Otto war überzeugt, dass die Zeit gekommen sei, mit dem stereotypen Denken „Pole – Katholik, Deutscher – Lutheraner“ zu brechen, und dass die evangelische Kirche Polens vor neuen, übernationalen Aufgaben stehe, nämlich durch Missionierung der polnischen Katholiken die Reformation in Polen erneut in Gang zu bringen.[4]

Die ersten Jahre als Seelsorger 1884 bis 1895

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Nach der Beendigung des Studiums wurde Bursche 1884 in Warschau zum Pastor ordiniert. Nach einer kurzen Tätigkeit als Vikar in Warschau wurde er 1885 zum Pfarrer in Wiskitki gewählt.[5] Er heiratete 1886 Amalie Helena geb. Krusche aus Pabianice, mit der er einen Sohn und vier Töchter bekam.[6]

1888 kehrte er nach Warschau zurück und wurde hier Pastor-Diakonus, um die beiden recht alten dortigen Pastoren Karl Gustav Manitius und Heinrich Leopold Bartsch zu unterstützen. Hier wurde er erstmals im Sinne einer Polonisierung der Evangelisch-Augsburgischen Kirche tätig, indem er an den bisher deutschsprachigen evangelischen Schulen Warschaus die polnische Unterrichtssprache einführte. Damit löste er einen viele Jahre währenden Streit um die Unterrichtssprache aus, denn nicht alle Familien begrüßten diesen Schritt.[7]

Tätigkeit als Konsistorialrat und Pastor in Warschau 1895 bis 1904

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Als Karl Gustav Manitius 1895 zum Generalsuperintendenten der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen berufen wurde, ernannte man zugleich Julius Bursche im Alter von nur 32 Jahren zum Konsistorialrat. Da Manitius nun seine Aufgabe als erster Pastor in Warschau aufgab, wurde der bisherige zweite Pastor, Heinrich Leopold Bartsch, in diese Position gewählt. Auf dessen frei gewordene Stelle bewarb sich, neben anderen Kandidaten, Julius Bursche und konnte sich durchsetzen. In der Folge konnte Bursche seinen Einfluss in der Evangelisch-Augsburgischen Kirche erheblich ausbauen.[8] Im Jahr 1899 wurde Bursche erster Pastor in Warschau.[9]

Bursche, der als vorzüglicher Organisator und Prediger bekannt war, nahm nun auch die verlegerische Tätigkeit auf gab ab 1898 die polnischsprachige Zeitschrift Zwiastun Ewangeliczny („Der evangelische Bote“) heraus. Dabei nahm er den Namen und die Zielsetzung eines von Pastor Leopold Otto in den Jahren 1863 bis 1882 verlegten Blattes wieder auf, das sich für die Missionierung der polnischen Katholiken einsetzte.[10] Der Zwiastun Ewangeliczny erscheint bis heute. Darüber hinaus stellte er ein Gesangbuch zusammen, das bis 1939 in Gebrauch war, und verlegte im Laufe seines Lebens ein paar hundert Bücher von religiösem Inhalt.

Wirken als Generalsuperintendent 1904 bis 1915

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[Ab hier weiter bearbeiten/ S. 51]

Am 1. Dezember 1904 wurde Bursche vom Zaren zum Generalsuperintendenten, dem Oberhaupt der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, ernannt. Als solcher setzte er ein Jahr später, nach der Synode von 1905, durch, dass Gottesdienste in polnischer Sprache neben der bisher fast ausschließlich gebrauchten deutschen erlaubt wurden.

In der 1849 gegründeten Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen (Kongresspolen) bildeten die ethnischen Polen eine Minderheit, die, besonders im Raum Warschau, einen ständigen Zuzug von assimilierten Deutschstämmigen erhielt. Die übrigen Evangelischen, die vor allem in der Gegend von Łódź, Kalisz, Płock sowie in den deutschen Siedlungen an der ostpreußischen Grenze und in Wolhynien konzentriert waren, behielten in großer Mehrheit die deutsche Sprache und Kulturtradition bei.

Bursches Bestreben war es, die in Kongresspolen ansässigen Lutheraner dahin zu führen, dass sie sich, unabhängig von ihrer Nationalität, als Bekenner derselben Konfession fühlten. Selbst hielt er hervorragende akzentfreie Gottesdienste und Predigten in beiden Sprachen.

In den Augen der russischen Behörden waren aber die Lutheraner in Kongresspolen weiterhin Deutsche; nach dem Kriegsausbruch in 1914 begann die Deportation der Evangelischen ins eigentliche Russland. Kurz vor der Einnahme Warschaus durch die Deutschen im Jahre 1915 wurde Bursche selbst nach Moskau verbracht, wo er bis zur ersten russischen Revolution von 1917 verweilte. Von der Kerenski-Regierung erhielt er dann die Ausreiseerlaubnis nach Stockholm und konnte anschließend nach Polen zurückkehren.

1916 schufen die Besatzungsmächte Deutsches Reich und Österreich-Ungarn ein „unabhängiges Königreich Polen“ (genannt „Regentschaftskönigreich Polen“) auf dem Gebiete Kongresspolens. Mit der Unterstützung der deutschen Zivilverwaltung und der Militärbehörden versuchten nun die so genannten „Łódźer Aktivisten“ eine unabhängige Deutsche Evangelische Kirche Polens zu schaffen, deren Verwaltung und Schulwesen völlig autonom gegenüber dem polnischen Staate sein sollte. In Abwesenheit des Oberhauptes der Kirche rief der Warschauer Generalgouverneur General Hans von Beseler eine Synode zusammen, die in Łódź tagte (18.–19. Oktober 1917) und die Pläne der Łódźer Aktivisten gutheißen sollte. Die Synode brachte kein Ergebnis; denn die große Warschauer Gruppe verließ sie in Protest gegen die Politisierung der Evangelischen Kirche.

  • 1909/1910: Auseinandersetzung mit Julian Machlejd (52)
  • 1910: Unfall mit anfahrender Straßenbahn mit Beinamputation (52)

Entwicklung in der Evangelisch-Augsburgischen Kirche während Bursches Abwesenheit 1915 bis 1918

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  • 1915-1918: Verbannung ins Innere Russlands

In der Zweiten Polnischen Republik (1918–1939)

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Am 17. Februar 1918 kehrte Bursche nach Warschau zurück und wurde zum Mitglied des Staatsrats ernannt. Schon während der letzten Phase des Regentschaftskönigreichs arbeitete er einen Gesetzentwurf aus, in welchem er schrieb: „Die Aufgabe der Kirche ist, das Evangelium zu verbreiten, unter Polen, unter solchen Polen, die früher Deutsche waren und deutsche Namen tragen, und unter denen, die Deutsche sind, nicht das Polentum oder das Deutschtum zu verkünden“.

Während der ganzen Epoche der Zweiten Republik musste sich Bursche mit der Opposition der deutschsprachigen und -freundlichen Opposition innerhalb der Kirche auseinandersetzen. Eine große Gruppe von deutschsprachigen Pastoren unter der Führung Richard Ernst Wagners boykottierte und behinderte alle seine Maßnahmen, die auf Versöhnung und Zusammenarbeit zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen hinzielten. Selbst war er loyaler Bürger des neuen polnischen Staates: 1919 wurde er als Experte zur Friedenskonferenz in Versailles entsandt, wo er sich den Plänen einer Volksabstimmung in Ermland, Masuren und Westpreußen widersetzte und die sofortige Vereinigung dieser Gebiete mit der Republik Polen forderte. Schon ab 1918 war er Vorsitzender des Masurenkomitees, des Rates der Evangelischen Kirchen in Polen und der Gesellschaft für Geschichte der Reformation in Polen. Bei der dennoch durchgeführten Abstimmung im Abstimmungsgebiet Allenstein übernahm er den Vorsitz des (polnischen) masurischen Abstimmungskomitees (Mazurski Komitet Plebiscytowy), das für einen Anschluss des südlichen Ostpreußen an Polen eintrat. In den Jahren 1922 bis 1939 war er auch Herausgeber und Chefredakteur der Gazeta Mazurska („Masurische Zeitung“).

Bursches Verhandlungen mit dem Schul- und Religionsministerium 1936 endeten mit vollem Erfolg: die Evangelische Kirche erhielt einen Rechtsstatus; er selbst wurde 1937 der erste Landesbischof seiner Kirche. Die darauffolgende Synode wurde von den deutschen Pastoren boykottiert, was im Endergebnis dazu führte, dass sie im Frühjahr 1939 eine vom Staat nicht anerkannte Deutsche Evangelische Kirche in Polen bildeten, die sich als unabhängig vom Warschauer Konsistorium erklärte.

Im Zweiten Weltkrieg

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Am 6. September 1939 erhielt Bursche den Befehl der polnischen Regierung, die belagerte Hauptstadt und das Land zu verlassen. Er gehorchte dem Befehl nur zur Hälfte und begab sich nach Lublin, wo er die seelsorgerische Arbeit in der dortigen evangelischen Gemeinde aufnahm. Am 3. Oktober wurde er vom SD verhaftet und im Gefängnis von Radom eingesperrt, danach am 13. Oktober nach Berlin ins Gestapo-Gefängnis in der Albrechtstraße verbracht. Die Verhöre wurden von Reinhard Heydrich geleitet. Man warf ihm vor, dass er seinen deutschen Ursprung verriet, dass er die deutschen evangelischen Kirchen in Großpolen, Oberschlesien und Galizien bekämpfte, dass er die Polonisierung seiner Kirche erstrebte, dass er in Versailles und Masuren gegen die Interessen des Deutschen Reiches arbeitete usw. Ende Januar 1940 wurde er in das KZ Sachsenhausen verbracht und dort im Bunker „Zellenbau“ gehalten, der für prominente Häftlinge vorgesehen war. Viele protestantische Bischöfe und auch katholische Kreise aus ganz Europa versuchten vergeblich, seine Entlassung zu erwirken.

Ende Februar 1942 benachrichtigte die Warschauer Gestapo die Töchter des Bischofs, dass er am 20. Februar dieses Jahres im Alter von 80 Jahren im Gefängnis Moabit verstorben sei. Die Herausgabe der Urne mit seiner Asche wurde verweigert. Niemand weiß, ob er wirklich an diesem Tage und unter welchen Umständen er gestorben ist.

Julius Bursches einziger Sohn Stefan wurde 1940 von der Gestapo erschossen. Beide besitzen ein symbolisches Grab auf dem Evangelischen Friedhof in Warschau. Die Tochter Helena, langjährige Rektorin des Evangelischen Anna-Wasa-Mädchengymnasiums in Warschau, starb 1975. Die zweite Tochter Aniela, nach 1945 Redakteurin der Kirchenzeitschrift Zwiastun, lebte bis 1980 in Warschau.

Der jüngere Bruder des Bischofs, Emil Bursche (* 9. Juni 1872 in Zgierz, † 10. November 1934 in Warschau), war Arzt und jahrzehntelang Chef des Evangelischen Krankenhauses in der polnischen Hauptstadt.

  • Asnykowiec (Jahresschrift 2003 des Asnyklyzeums in Kalisch), Kalisz 2003.
  • Bogdan Graf von Hutten-Czapski: Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft. 2 Bände. Mittler, Berlin 1936.
  • Eduard Kneifel: Julius Bursche – Sein Leben und seine Tätigkeit, 1862–1942. Selbstverlag des Verfassers, Vierkirchen bei München [1980]; online, pdf-Datei
  • Eugeniusz Szulc: Cmentarz Ewangelicko-Augsburski w Warszawie. Zmarli i ich Rodziny. Państwowy Instytut Wydawniczy, Warschau 1989, ISBN 83-06-01606-8, (Biblioteka Syrenki).

Einzelnachweise

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  1. a b c Eduard Kneifel: Julius Bursche – Sein Leben und seine Tätigkeit, 1862–1942. Selbstverlag des Verfassers, Vierkirchen bei München [1980], S. 9-11; online, pdf-Datei
  2. Eduard Kneifel: Geschichte der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen. Niedermarschacht 1964, S. 173.
  3. Eduard Kneifel: Julius Bursche – Sein Leben und seine Tätigkeit, 1862–1942. Selbstverlag des Verfassers, Vierkirchen bei München [1980], S. 12; online, pdf-Datei
  4. Eduard Kneifel: Julius Bursche – Sein Leben und seine Tätigkeit, 1862–1942. Selbstverlag des Verfassers, Vierkirchen bei München [1980], S. 13; online, pdf-Datei
  5. Eduard Kneifel: Julius Bursche – Sein Leben und seine Tätigkeit, 1862–1942. Selbstverlag des Verfassers, Vierkirchen bei München [1980], S. 14f; online, pdf-Datei
  6. Eduard Kneifel: Julius Bursche – Sein Leben und seine Tätigkeit, 1862–1942. Selbstverlag des Verfassers, Vierkirchen bei München [1980], S. 16; online, pdf-Datei
  7. Eduard Kneifel: Julius Bursche – Sein Leben und seine Tätigkeit, 1862–1942. Selbstverlag des Verfassers, Vierkirchen bei München [1980], S. 19-21; online, pdf-Datei
  8. Eduard Kneifel: Julius Bursche – Sein Leben und seine Tätigkeit, 1862–1942. Selbstverlag des Verfassers, Vierkirchen bei München [1980], S. 23f; online, pdf-Datei
  9. Eduard Kneifel: Die Pastoren der Evangelisch-Augsburgischen kirche in Polen. Eging/Passau 1967, S. 65; online, pdf-Datei
  10. Eduard Kneifel: Julius Bursche – Sein Leben und seine Tätigkeit, 1862–1942. Selbstverlag des Verfassers, Vierkirchen bei München [1980], S. 26f; online, pdf-Datei

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