Benutzer:Weingut II/Bunker

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Geschichte des Bunkers „Weingut II“


1944 – 1945


Um die deutsche Luftrüstungsindustrie vor den allgegenwärtigen alliierten Luftangriffen zu schützen, war es Anfang 1944 geplant im Reichsgebiet sechs unterirdische und bombensichere Flugzeugfabriken zu errichten. Drei dieser gigantischen, halbunterirdischen Bunker, mit den Decknamen Diana II, Weingut II und Walnuss II, sollten westlich von Landsberg errichtet werden. Unter der Aufsicht einer Oberbauleitung (OBL) mit dem Decknamen Ringeltaube wurde das gesamte Bauprojekt von der Organisation Todt (OT) beaufsichtigt und durchgeführt.

Im April 1944 verlegten Baufirmen ihre Baumaschinen in langen Zugtransporten von Frankreich (Atlantikwall) nach Landsberg. Im Mai begannen die Rodungsarbeiten an der Baustelle Weingut II im Frauenwald, gefolgt von den Baustellen Diana II (heute Kiesgrube Kolhöfer an der Buchloer Straße) und Walnuss II (nördlich der Anschlussstelle B17 Igling-Kaufering). Die Bauarbeiten an Diana II und Wallnuss II wurden um die Jahreswende 1944/45 eingestellt.

Zusätzlich zu zivilen Bauarbeitern und den OT-Leuten wurden Hilfsarbeiter benötigt. Diese wurden von der SS durch Rückgriff auf Häftlinge aus Konzentrationslagern (KZ) bereitgestellt.

Der erste Transport erreichte Anfang Juni 1944 den Bahnhof in Kaufering. In der Gleiskurve nach Landsberg errichtete die Organisation Todt das erste von insgesamt 10 KZ-Lagern (11 waren geplant, nur 10 wurden ausgeführt). Der Außenlagerkomplex in Kaufering entwickelte sich zum größten KZ-Lager des Stammlagers Dachau.

Nach neuester Forschung wurden 23.000 Häftlinge von Juni 1944 bis April 1945 in die Lager gebracht und mussten unter erbärmlichsten Bedingungen hausen. Ernährung, Bekleidung und Arbeitsbedingungen waren dramatisch schlecht und dienten der Maxime „Vernichtung durch Arbeit“. 6334 von ihnen starben während dieser Zeit an Erschöpfung, Hunger und Krankheiten im Lagerkomplex, weitere 2.700 Menschen wurden als arbeitsunfähig selektiert und in die Vernichtungslager Auschwitz (1300 Männer im August 1944) und Bergen-Belsen (1400 Frauen im Dezember 1944) transportiert. Den unterirdischen Flugzeugfabriken oblag der Grundgedanke, dass bei 100.000 m2 Produktionsfläche der Bau eines kompletten Flugzeugtyps, einschließlich Motoren möglich gewesen wäre. Dies hätte einen Bau mit fünf Etagen, bei einer Länge von 400 Meter erfordert. So wurden auch die Planungen für die drei Bunker ausgelegt. Im Spätsommer 1944 entschied das Reichsluftfahrtministerium, dass in Landsberg die Flugzeuge Do 335 (Nachtjäger), Ta 152 (Jäger) sowie Me 262 (Düsenjäger) gebaut werden sollten. Im Herbst 1944 wurde der Einzug der Firma Messerschmitt mit der Me 262 - Produktion in den Bunker Weingut II beschlossen. Die benötigten Düsentriebwerke wurden in München bei BMW gefertigt und somit konnte der Bunker auf eine Länge von 300 Meter reduziert werden.

Der Bunker wurde mittels einer revolutionären Methode gebaut. Im ersten Schritt wurde ein Kiesentnahmetunnel errichtet, auf dem der Aushub für die Widerlager gehäuft wurde. Im zweiten Schritt wurden die Widerlager (16 Meter tief und 8 Meter hoch) und anschließend der drei Meter dicke Gewölbebogen betoniert (Segment). Im dritten Schritt wurde dann über den Entnahmetunnel der stützende Kies entfernt und für den Bau weiterverwendet. Im letzten Schritt wurde mittels Fertigbetonteilen der fünfstöckige Innenausbau begonnen. So wuchs der Bau von Nord nach Süd.

Weingut II hatte an der Basis eine Breite von 85 Meter und eine Höhe von 26 Meter. Insgesamt wurden 233 Meter bis zum 21. April 1945 fertig gestellt. Die Anlage in Mühldorf am Inn (Weingut I) wurde 1945 zu großen Teilen gesprengt. Damit ist der Bunker Weingut II der einzige der sechs geplanten Bauten, der noch erhalten ist.

1945 - 59

Nach dem Krieg wurde das Gelände um die Bunkerbaustelle von den US-Streitkräften als Lager für Flugzeugbomben genutzt. Es war das größte Munitionslager der US-Truppen in Europa. In diesem Zusammenhang wurde der halbfertige Bunker als Sprengplatz für die auf dem Gelände gelagerten Bomben genutzt.

1960 bis heute

Im Jahr 1959 wurde das Gelände durch die deutsche Luftwaffe von den Amerikanern übernommen. Die Luftwaffe begann für die Lageung/Instandsetzung der sogenannten fliegenden Bombe MATADOR (24 Stück) und dem Nachfolgemuster MACE (95 Stück) den Bunker Weingut II umzubauen. Hierzu wurden die bereits vorhandenen Innenausbauten entfernt und ein komplett neuer Bunker eingebaut. Dieser neu entstandene Bunker war ein typisches Phänomen des Kalten Krieges. Er war vollkommen autark und mit eigener Stromerzeugung, eigenem Tiefbrunnen, sowie mit eigener Luftregenerierungsanlage ausgestattet. Der Zu- und Abtransport der fliegenden Bomben erfolgte über zwei unabhängige Kfz-Schleusen mit jeweils zwei Schleusentoren (je 169 Tonnen).

Kurz vor der Fertigstellung der Anlage wurde von der Bundesregierung beschlossen, auf die Waffensysteme MATADOR bzw. MACE zu verzichten und stattdessen die Rakete PERSHING 1 zu stationieren. Mit dieser Entscheidung verlor die Untertageanlage (UTA) im ehemaligen Bunker Weingut II ihre ursprüngliche Bestimmung und bot Raum für eine neue Aufgabe.

Diese bestand in der Unterbringung des Luftwaffenversorgungsregimentes 3 ( LwVersRgt 3) zur Lagerung von Luftwaffenversorgungsartikeln und eines Elektronikinstandhaltungskommandos des Luftwaffenparkregimentes 1 ( LwPkRgt 1) zur Instandsetzung von Flugzeugelektronikbauteilen. Mit der Einführung des neuen Jagdbombers TORNADO im Jahre 1982 kam es zu einer Umgliederung. Die Werft 15 (vorher Elektronikinstandhaltungskommando, seit 1965 5./LwPkRgt 1, seit 1968 Werft 15) wurde in Luftwaffenwerft 31 (LwWerft 31) umbenannt und dem LwVersRgt 3 unterstellt. Gleichzeitig bezog sie in der UTA das neu geschaffene oberste Geschoss Rot. Zur Pflege und Änderung der komplexen Software für den TORNADO stellte man das Programmierzentrum der Luftwaffe für fliegende Waffensysteme (ProgrZLwflgWS) auf und es fand seine Heimat ebenso in der UTA. Ende der achtziger Jahre wurde die Platzsituation für das LwVersRgt 3 immer beengter. Der Stab und seine Einheiten verstreuten sich über den gesamten Bereich der Garnisonsstadt Landsberg. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, beschloss man auf dem Gelände der UTA eine neue oberirdische Kasernenanlage zu bauen. Von 1987 bis 1989 errichtete man Unterkunftsgebäude, Wirtschaftsgebäude sowie ein Stabsgebäude für das LwVersRgt 3. Im Mai 1991 erhielt die Anlage den Namen Welfen-Kaserne. Im Zuge der Neuausrichtung der Waffensystemlogistik der Luftwaffe wurde das LwVersRgt 3 im Jahr 2002 in der Welfen-Kaserne aufgelöst und das Waffensystemunterstützungszentrum (WaSysUstgZ) mit einem komplett geänderten Auftrag und einer vollständig geänderten Unterstellungsstruktur aufgestellt. Der Regimentsstab des WaSysUstgZ wurde dabei in der Welfen-Kaserne untergebracht und zum 31.12.2012 aufgelöst und die Einheiten auf andere Regimenter aufgeteilt. Nach einer erneuten Umstrukturierung und neuen Aufgaben, wurde die LwWerft 31 - später umbenannt in Luftwaffeninstandhaltungsgruppe 13 - Anfang 2009 in Systemzentrum Avionik (SysZ Avionik) umbenannt, das bis heute seinen Dienst in der UTA verrichtet.

Geschichte der Gedenkarbeit

Nach unserer Wahrnehmung spielte die Geschichte des Bunkers bis in die Anfänge der achtziger Jahre im Bewusstsein der Bevölkerung von Landsberg und der im Bunker beschäftigten Soldaten keine Rolle. Es wurden keine Fragen gestellt oder gar Sachverhalte hinterfragt. Das Bauwerk war als Messerschmittbunker bekannt und man wusste, dass der Bunker einst für die Produktion der Me 262-Flugzeuge vorgesehen war. Dass die Anlage einst durch die Organisation Todt gebaut wurde ist Wissen das vor allem die Zeitzeugen tradiert haben. Die Existenz von Konzentrationslagern und Massengräbern jedoch wurde bewusst oder unbewusst verdrängt.

Dies änderte sich Anfang der 1980er Jahre, als in Deutschland, erst vereinzelt, dann immer mehr, Geschichtswerkstätten in Schulen und freie Initiativen entstanden und man sich bewusst mit der regionalen Geschichte und hier besonders mit der Geschichte des Nationalsozialismus beschäftigte. Landsberger Schüler und Schülerinnen des Ignaz-Kögler-Gymnasiums, unter Anleitung ihres Lehrers Anton Posset, fingen an, Fragen zu dem Thema zu stellen und gewannen mit ihrem Projekt 1981 den vom Bundespräsidenten ausgeschriebenen Wettbewerb Deutsche Geschichte. Parallel hierzu begannen Hauptmann Helmut Weißbach und Hauptfeldwebel Rudolf Schmidt, beide Angehörige der damaligen LwWerft 31, die Geschichte des Bunkers zusammenzutragen und zu erforschen. Es kam zu einer Zusammenarbeit mit der Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert, die Posset mitgegründet hatte. Gekrönt wurde diese Zusammenarbeit durch eine Ausstellung im Landratsamt von Landsberg. Bedingt durch Meinungsverschieden-heiten trennte man sich und jeder arbeitete für sich weiter. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens des damaligen Luftwaffenversorgungsregiments 3 wurde im Mai 1984 eine Gedenktafel zur Erinnerung an die vielen Toten, welche der Bau forderte, aufgestellt. Nach der Versetzung des mittlerweile zum Oberstleutnant beförderten Weißbachs im Jahre 1986, verlor das Projekt Bunkergeschichte an Fahrt. Schmidt, mittlerweile Stabsfeldwebel, arbeitete in seinem Sinne weiter, wurde aber von der damaligen Regimentsführung nicht mehr uneingeschränkt unterstützt. Nach seiner Pensionierung kam das Projekt zum Erliegen und geriet fast in Vergessenheit.

1995 wurden zum 50. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager ehemalige KZ-Häftlinge durch die Stadt Landsberg am Lech und der Gemeinde Kaufering eingeladen. Zum ersten Mal besuchten Überlebende den Ort ihrer Qualen und Demütigungen. Fregattenkapitän Fritz-Walter Odinius wurde vom Kommandeur des Luftwaffenversorgungsregimentes 3 als Projektoffizier (PO) für dieses Treffen benannt. Der sehr emotionale Besuch der Überlebenden und Familienangehörigen wurde ein großer Erfolg. Vorurteile wurden ausgeräumt und es entwickelten sich tiefe Freundschaften zwischen Soldaten und Überlebenden. (Überlebende kommen erstmals nach ihrer Befreiung in Kontakt mit Soldaten der Bundeswehr und erleben eine moderne, aufgeklärte und fest in die Demokratie verwurzelte Armee (Bürger in Uniform). Die schrecklichen Erlebnisse mit den damaligen Uniformträgern des Dritten Reiches bekommen für die Überlebenden eine neue Bedeutung hinsichtlich Menschenwürde und Menschenrechte. Menschenwürde und Menschenrecht sind wieder erlebbar).

Fregattenkapitän Odinius war von dieser Begegnung so tief beeindruckt, dass er sich ab diesem Zeitpunkt dafür einsetzte, zumindest den Soldaten und zivilen Mitarbeitern der Untertageanlage die Geschichte der Überlebenden näher zu bringen. Jeder Bundeswehrangehörige erhielt von da an eine Führung durch den Bunker und wurde mit den Geschichten der Überlebenden vertraut gemacht. Im Anschluss an diese Schulung der Soldaten, wurden Führungen durch die Untertageanlage entwickelt, die speziell für die Schüler und Schülerinnen benachbarter Schulen konzipiert waren. Dieses Engagement „Gegen das Vergessen“ wurde von der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem mit einer ihrer höchsten Auszeichnungen der „Silbernen Minora“ gewürdigt.

Mit der Zeit wurde in der Untertageanlage eine Ausstellung aufgebaut. Ergänzt wurde diese durch eine von Schülern und Schülerinnen des Ignaz-Kögler-Gymnasiums erstellte Dokumentation. In dieser schildern sie, wie sie einen bis dahin in Vergessenheit geratenen Ort – das Konzentrationslager Nr. 11 – „wieder entdeckten“ und zugänglich gemacht haben.

Im Jahr 2009 ging Fregattenkapitän Odinius in Pension und eine neue Mannschaft, Oberstabsfeldwebel Helmut Müller ab Herbst 2008 und Oberstleutnant Gerhard Roletscheck ab Sommer 2009 – beide beim damaligen Stab WaSysUstgZ – übernahmen die Gedenkarbeit und führen sie bis heute fort. Die Führungen wurden inhaltlich überarbeitet und ausgeweitet.

Der Schwerpunkt wurde auf die Aufarbeitung der gesamten Geschichte des Bunkers gelegt. Somit wurde die Zeit nach dem Krieg, einschließlich der Nutzung des Bunkers durch die Luftwaffe, in die Gedenkarbeit integriert. Im Überregionalen wurde der Kontakt zur KZ-Gedenkstätte Dachau bzw. zur Dachorganisation Stiftung Bayerischer Gedenkstätten ausgebaut. Des Weiteren wurde der Kontakt zu regionalen Gedenkorten und Organisationen gesucht beziehungsweise erneuert.

Im September 2016 übernahm Oberstabsfeldwebel Michael Siebert das Amt von Oberstabsfeldwebel Helmut Müller, da dieser in Ruhestand verabschiedet wurde. Weiterhin werden die Führungen und die Ausstellung durch Archivarbeiten ständig aktualisiert und auf neuestem Stand gehalten.

Militärgeschichtliche Sammlung

Heute besuchen diese Ausstellung, mit Vortrag und Führung, vor allem Schulklassen ab Jahrgangsstufe 8 aller Schulsysteme, Lehrerkollegien, Studenten und Studentinnen, Angehörige von Volkshochschulen sowie selbstverständlich Soldatinnen und Soldaten. Mindestens zweimal im Jahr sind noch ehemalige KZ-Häftlinge mit ihren Angehörigen zu Besuch. Auch Gäste aus dem öffentlichen Leben besuchen diese Ausstellung. Die Besucherzahlen sind seit 2008 ständig gestiegen. Mittlerweile sind es gut 3700 Besucher pro Jahr.

Ende Juni 2011 ist die Ausstellung durch den Amtschef des Luftwaffenamts als Militärgeschichtliche Sammlung Erinnerungsort Weingut II anerkannt worden.