Benutzer:Wolfgang Deppert/Eppelsheimer Formel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Religionswissenschaftliche Einordnung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Eppelsheimer Formel ist in Deutschland die erste, auf demokratische Weise zustandegekommene gemeinsame Glaubensaussage der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft. Mit ihr kommt der Kerngedanke der aufklärerischen und basisdemokratisch organisierten Religionsgemeinschaft Freier Protestanten - Deutsche Unitarier zum Ausdruck, wonach sich alle Mitglieder der Religionsgemeinschaft grundsätzlich an der Formulierung der gemeinsamen Glaubensaussagen beteiligen können. Dieses religionswissenschaftliche Novum findet seine Fortsetzung in den Leitgedanken von 1957, den Grundgedanken von 1977 und den Grundgedanken von 1995, die heute noch für die Mitglieder der Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft gültig sind und die alle in der der Tradition der Eppelsheimer Formel nach einem langen Einigungsprozess von einer Hauptversammlung der Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft beschlossen worden sind.[1]

Die Eppelsheimer Formel wurde am 19. September 1948 von der Generalversammlung der "Religionsgemeinschaft Freier Protestanten - Deutsche Unitarier" in Eppelsheim beschlossen.

Nach dem Verbot der Deutschen Unitarier durch das nationalsozialistische Regime schon im Jahre 1933 erlebte die Religionsgemeinschaft Freier Protestanten - Deutsche Unitarier nach 1945 ein rasches Wachstum. Nicht nur ihre Mitgliederzahl hatte im Vergleich zu den Jahren vor dem nationalsozialistischen Verbot zugenommen, sondern auch die räumliche Ausdehnung. Dabei entstanden zum ersten Male auch freiprotestantisch-unitarische Großstadtgemeinden, wobei auch Menschen dazustießen, die ganz anderen sozialen Schichten entstammten und die auf ganz andere Nöte und Probleme eine Antwort erwarteten als der alte Mitgliederstamm. Bei der Generalversammlung der Religionsgemeinschaft Freier Protestanten - Deutsche Unitarier, die am 19. September in Eppelsheim (Rheinhessen) zusammentrat, kamen zum Teil sehr divergierende inhaltlichen Auffassungen zum Ausdruck, die nach einer mühevollen Versöhnungsarbeit durch den einstimmigen Beschluss der sogenannten Eppelsheimer Formel überwunden werden konnte, deren Wortlaut von Hans-Dietrich Kahl, später Professor für mittelalterliche Geschichte, formuliert worden war.


Der Wortlaut der Eppelsheimer Formel

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der von Hans-Dietrich Kahl formulierte Text der Eppelsheimer Formel lautet:

  • ‚Die Religionsgemeinschaft Freier Protestanten setzt sich eindeutig ab vom dogmatischen Kirchenchristentum, aber auch von allem Antichristentum wie von jeder feindlichen Frontstellung gegen andere religiöse Auffassungen überhaupt. Sie sucht das Erbe unserer bisherigen christlich-abendländischen Glaubensgeschichte für die religiöse Weiterentwicklung fruchtbar zu machen, lehnt es aber ab, sich allein an dieses Erbe zu binden. Als vorläufige Richtschnur gelten ihr die auf Seite 13 bis 14 der Schrift "Religiöser Unitarismus" von Rudolf Walbaum aufgestellten zehn Punkte.‘


Zur Bedeutung der Eppelsheimer Formel

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hans-Dietrich Kahl hat selbst einen Kommentar zur Eppelsheimer Formel geschrieben, aus dem hier lediglich die wichtigsten Kernaussagen zitiert sein mögen:

  • 'Freie Protestanten: das bedeutet zweierlei. Als Protestanten bekennen wir uns bewusst zu einer Tradition; als Freie Protestanten aber stehen wir ihr mit der Unabhängigkeit gegenüber, die das ständige Weiterschreiten der Geschichte von uns verlangt. Darin liegt einmal, dass wir eine Lösung der Glaubenskrise unserer Gegenwart durch einen radikalen Bruch mit der bisherigen religiösen Welt des Abendlandes für unmöglich halten, vielmehr einen organisch weiterführenden Entwicklungsgang anstreben. Zweitens aber bedeutet das, dass wir das Zutrauen zu den Mitteln des bisherigen Protestantismus und zu den alten Konfessionskirchen überhaupt verloren haben. Die Sprache ihrer Theologie ist uns unverständlich, ihre Anschauungsweise fremd geworden, ohne Aussicht, dass sich das ändern könnte, und deshalb haben wir uns, auf dem einst von der Reformation begonnenen Wege weiterschreitend, von ihnen lösen müssen.'
  • '... Wir sind uns bewusst, dass unter der erstarrten Kruste echte religiöse Werte verborgen liegen - wie hätten sonst fast zwei Jahrtausende hindurch Menschen aller Weltgegenden in solcher Unzahl an jenem Glauben festhalten können? Diese Werte sind zwar unter den vielen verhüllenden Schichten oft kaum noch erkennbar, aber wir dürfen sie deshalb doch nicht preisgeben, denn das würde uns der Gefahr derselben inneren Verarmung ausliefern, an der die ganze moderne Entwicklung krankt, seit die große Aufklärungsbewegung im 17. und 18. Jahrhundert Kern und Schale nicht zu scheiden wusste und leichtfertig glaubte, beides fortwerfen zu dürfen.'
  • '...Was uns vom Christentum überlieferter Gestalt trennt, ist ... die Tatsache, dass der Menschengeist inzwischen weiterschreiten, dass er neuer, ungeahnter Ausblicke teilhaftig werden durfte und dass darüber der alte Glaube in entscheidenden Zügen zeitfremd geworden ist. Daraus gilt es Folgerungen zu ziehen, und dazu sind wir bereit.
  • '...Beides, das christliche wie das außerchristliche Erbe, gehört mit hinein in unsere neue Welt, soweit - und diese Einschränkung ist wichtig - soweit es uns als Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts, als Deutschen des zwanzigsten Jahrhunderts, nach dem Verlust zweier Weltkriege, noch etwas zu sagen hat. Deshalb sind wir nicht nur Freiprotestanten, sondern zugleich Unitarier geworden, Glieder jener umfassenden Weltgemeinschaft, die sich von den Vereinigten Staaten im Westen bis zu den Philippinen im Osten ausdehnt und die sich um die Einheit (unitas) hinter und über den alten geschichtlichen Religionen bemüht. In ihrem Rahmen suchen wir zu unserem Teil die verhängnisvolle Isolierung unseres Volkes in der Welt zu überwinden.'


Ähnlichkeiten zur Eppelsheimer Formel in anderen Ländern und Gemeinschaften

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den USA sind die gemeinsamen Glaubensinhalte der UUA (Unitarian Universalist Association) 1980 umformuliert und auf demokratische Weise wie folgt beschlossen worden:

"There are seven principles which Unitarian Universalist congregations affirm and promote:

The inherent worth and dignity of every person; Justice, equity and compassion in human relations; Acceptance of one another and encouragement to spiritual growth in our congregations; A free and responsible search for truth and meaning; The right of conscience and the use of the democratic process within our congregations and in society at large; The goal of world community with peace, liberty, and justice for all; Respect for the interdependent web of all existence of which we are a part."[2]


Die Eppelsheimer Formel wurde in der ersten Ausgabe der ersten Zeitschrift der Deutschen Unitarier "Glaube und Tat" veröffentlicht.

Ein Abdruck der Eppelsheimer Formel sowie der gesamte Kommentar von Prof. Dr. H.-D. Kahl und weitere Erläuterungen dazu finden sich auch in:
  • Deppert, Wolfgang: Religion und Toleranz. Die Deutschen Unitarier in der öffentlichen Auseinandersetzung - eine Stellungnahme, unitarische hefte 5, Verlag Deutsche Unitarier, München 1992.
  • Wolfgang Seibert: Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft. Entwicklung, Praxis und Organisation. Quell Verlag, Stuttgart 1989 (Eine Publikation der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen im Quell Verlag), Kapitel Die Eppelsheimer Formel, S. 31-37.


  1. Vgl. W. Deppert, Religion und Toleranz. Die Deutschen Unitarier in der öffentlichen Auseinandersetzung - eine Stellungnahme, unitarische hefte 5, Verlag Deutsche Unitarier, München 1992.
  2. Vgl. http://www.uua.org/visitors/6798.shtml