Benutzer:Wolfgang Höfft
Sich zum Recht äußern zu können, ist essentiell.
Den Menschen widerfährt von Staats wegen nicht so viel Recht, wie die Gesetze unseres Staates vorsehen, sondern nur so viel, wie die Justiz zulässt. Justiz betreibt gelegentlich ihrer Aufgabe, Recht zu gewähren, leider auch eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Filterung des Rechts, indem sie die Beachtung von Gessetze zulässt - oder eben nicht.
Zwar ist die Herrschaft des Rechts Staatsräson.
Aber Richter und Staatsanwälte arbeiten nicht besser, als es die externe und interne Weisungspraxis nach §§ 146 ff GVG sowie die Dienstaufsicht und die beamtenrechtliche Disziplinaraufsicht vorgeben, erwarten lassen bzw. erzwingen.
Staatsunrecht, begangen durch die Justiz, geschieht nicht selten, zu einzelnen Themen sogar in ständiger Wiederkehr.
Zu staatlicher Unrechtsroutine im Bereich des Tarifvertrags- und Arbeitskampfwesens, die von der juristischen Fachliteratur außer Kritik gestellt und rhetorisch zu „Richterrecht“ geschönt wird, besteht unter den Medien Konsens zu schweigen. Bei dem Richterrecht zu diesem Thema handelt es sich nicht um legitime Rechtsfortbilldung im Sinne des § 45 Abs. 4 ArbGG, sondern um illegitime judikative Ersetzung legislativer Regelungen durch judikative Regelungen - ohne dass dadurch die "ersetzten" legislativen Regeln ihr Gültigkeit verlieren.
Die Medien lassen allerdinigs zum Teil - sozusagen als diskrete Erweiterung der Vierten Gewalt in unserem demokratischen Rechtsstaat - die kommentarweise Thematisierung von Justizunrecht, über das sie selbst nicht berichten mögen, in ihren Internetforen zu. Die medienunabhängige Internet-Publizistik zu diesem Thema erfährt nach meiner Erfahrung keine obrigkeitliche Behinderung.
Ich blicke auf mehr als 30 Jahre Anwaltstätigkeit zurück und gehöre dem Freundeskreis der Ludwig-Erhard-Stiftung an.
Recht, dessen Wahrung, Anwendung und Pflege sich jedes Rechtspflegeorgan, so auch der Rechtsanwalt, verpflichtet weiß oder wissen sollte, ist ein Kulturgut - dem mein besonderes Wohlwollen gilt.
Der Weg zu einem Konsensrecht, einem von einem demokratisch legitimierten Gesetzgeber zu schaffenden, für alle gleich geltenden Canon von Regeln gesellschaftlich richtigen Verhaltens, unter dessen Herrschaft jeder sein Recht unter Ächtung von Selbstjustiz vor den Gerichten sucht, ist die kulturelle Entwicklung von Faustrecht, Selbstjustiz, Fehde und Blutrache zum Rule of Law bzw. zur Herrschaft des Rechts.
Ob das Recht dann praktisch und tatsächlich herrscht, hängt allerdings in vielen Einzelfällen davon ab, wie diejenigen, denen die Rechtspflege in Judikative und Exekutive anvertraut wird, das Recht zu beachten bereit sind.
Es gibt real nicht so viel Recht, wie das Gesetz vorsieht, sondern nur so viel Recht, wie die Justiz zulässt.
Dass dies derzeit zu wenig ist, um eine Herrschaft des Rechts feststellen zu können, wird von der öffentlichen Meinung, die, von der Rechtswissenschaft gestützt, in den Medien widergespiegelt wird, zu wenig thematisiert und zu klaglos hingenommen– gerade auch dort, wo Justizorgane nicht nur in Einzelfällen, sondern in gleichartigen Fällen in ständiger Übung vom Recht abweichen und sogar verbrecherisch, nämlich nach § 339 StGB, § 12 StGB Staatsunrecht generieren.
Mit besonderer Verwunderung kann man die sich vom Gesetz immer weiter entfernende richterrechtliche Genese eines Arbeitskampfrechts beobachten, das die Verursachung gigantischer Schäden fördert und salonfähig zu machen sucht. Dies Richterrecht leugnet konludent das gesetzlich vorgesehene Recht auf Unterlassung der Schädigungen und verweigert den Geschädigten den durch § 253 Abs. 4 StGB strafbewehrten Schutz von Verfassungsgrundrechten (Art. 2 Abs. 1 GG und Art 14 GG) und die gesetzlich für die zu erleidenden Schäden vorgesehene Kompensation, indem es - ohne diese Gesetze dabei ausdrücklich zu nennen - ein richterrechtliches Recht auf Erpressung (Streik) so an die Stelle dieser verdrängten Gesetze setzt, dass eine Berufung der Geschädigten auf diese Gesetze in rechtsförmlichen Verfahren chancenlos bzw. praktisch unmöglich ist.
Es ist mir ein Anliegen, den Blick darauf zu öffnen, dass wir einen größeren Reichtum an sinnvollen Gesetzen haben, als die bekannte Rechtsprechung und die sie protokollierende "Rechtswissenschaft" vermuten lässt, und dass das Ungemach, das wir beispielsweise als Folgen des Arbeitskampfunwesens erleiden und miterleben, nicht als gottgewollt und auch nicht als rechtsgewollt kompensationslos ertragen werden muss - konkret: dass das Gesetz weder den Arbeitskampf noch die dadurch zu verursachenden Schäden gutheißt sondern einen auf Verhinderung von kriminellen Vereinigungen (z. B. Gewerkschaften) und Ersatz von Schäden gerichteten Rechtsschutz bietet, und dass alle Rechtsverletzungen, die die Arbeitskampfrechtsprechung widerrechtlich fordert bzw. billigt, justiziabel sind.
Verbreitete Unkenntnis des Schutz bietenden Rechts ist ein wesentlicher Grund dafür, dass der Schutz dieses Rechts leerläuft, weil die Rechtsschutzinstitutionen, die auf Antrag den Schutz bieten, nicht angesprochen werden.
Es liegt nicht nur im Interesse der durch den als Erpressung strafbaren Arbeitskampf unmittelbar Angegriffenen, sondern im Interesse aller, durch Nutzung der rechtsstaatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten das Schädigungsunwesen des Arbeitskampfbetriebes zu beenden.
Zur Beendigung der durch "Tarifautonomie" in Richtung Deindustrialisierung Deutschlands in Gang gesetzten Entwicklung (Auslagerung ganzer Industrien ins Ausland, Outsourcing einzelner Produktionen ins Ausland, Aufgabe und Verhinderung von Arbeit im Inland und inflationsweise Vernichtung von gewerblichen, privaten und öffentlichen Rücklagen) ist eine Reaktivierung und Durchsetzung des Rechts, das zur Vermeidung dieser Entwicklung zur Verfügung steht, dringend geboten.
Die justizförmliche Nutzung des derzeit ungenutzten staatlichen Rechtsschutzes wird aussichtsreich, wenn in der Justiz ein Rechtsethos entsteht, dem das Recht wichtig ist, und hinreichend viele derjenigen, deren Recht verletzt wird, sich für ihre Rechte interessieren und durch den Erwerb entsprechender Gesetzeskunde der Verbreitung des populären Märchens vom Streikgrundrecht offensiv entgegenwirken.
Eine solche Verbreitung von Wissen um das vom Gesetz getragene Recht hat insbesondere bei denjenigen Chancen, die von der Nichtachtung von Gesetzen nachteilig betroffen sind.
Sie werden durch das Wissen um das Recht in die Lage versetzt, sich zur Erreichung dessen, was das Recht ihnen gewähren will, auf das Gesetz zu berufen. Auf Gesetze, die einem unbekannt sind, kann man sich nicht berufen.
In einer Gesellschaft, in der nur 30 % der prozesserfahrenen Bürger volles Vertrauen in die Justiz haben, gibt es eine breite Akzeptanz für die Forderung, dass die Gerichte das Gesetz ernst und von der Anwendung von Rechtsmärchen anstelle des anzuwendenden Gesetzes Abstand nehmen sollten.
Dass 70 % der Gesellschaft kein volles Vertrauen in die Justiz hat, besagt, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass Richter das anzuwendende Recht von sich heraus, also von Amts wegen, beachten. Das wiederum schließt aber nicht aus, dass der Richter sich, wenn er von dem prozessbestimmenden Rechtsanwalt an das einschlägige Gesetz herangeführt wird, mit dem Gesetz - selbst wenn es für ihn juristisches Neuland ist - befasst und es zu Gunsten des Klägers anwendet und der Klage stattgibt.
Dass die Gesellschaft ihre Justiz in dem wünschenswerten Maße an die Beachtung der Gesetze heranführt und die Justiz das für die Herrschaft des Rechts erforderliche Vertrauen zurückgewinnt, ist erreichbar und geboten. Denn wenn angesichts zu vieler schlechter Erfahrungen mit der Justiz für zu viele Bürger der Weg des Rechts zu den Gerichten keine Option mehr ist, ist damit die Rückkehr zur Selbstjustiz und zum Faustrecht progrrammiert. Das sollte niemand für die zum Rechtsstaat erstrebenswertere Alternative halten wollen.
Zur Verteidigung des Rechtsstaats braucht es gute Rechtsanwälte, aber auch Bürger, die sich aus eigenem Antriieb für das Recht interessieren, auch wenn sie in ein Gerichtsverfahren involviert sind, sich aber auf jeden Fall für ihr eigenes Recht interessieren, um ggf. mit ihrem Anwalt auf Augenhöhe über die Rechtslage sprechen zu können. Ein wirklich guter Anwalt ist dafür empfänglich und weiß das zu schätzen.
Die Rückkehr zu rechtsstaatlichen Verhältnissen ist eine realistische Vision unter der Bedingung, dass das Interesse für dies Thema sich über die juristischen Fachzeitschriften hinaus verbreitert und der Druck auf die Justiz und die Ordnungsbehörden, Gesetze zu beachten, zunimmt. Dieser Forderung Öffentlichkeit zu verschaffen, sollte die Presse als Vierte Gewalt zu ihrem Anliegen machen.
Alle überregionalen Medien geben bereits derartige Leserzuschriften, wie dies +Google-Profil vielfach zeigt, unzensiert wieder - auch dort, wo deren Redakteure die eigene Befassung mit dem Thema meiden. Dies ist ermutigend angesichts des Umstandes, dass viele derjenigen, die die Meinung der Zeitungen bestimmen, der DJU bzw. dem DJV, den Gewerkschaften der Journalisten, angehören. Diese sind - wie alle Gewerkschaften - Befürworter des Streiks und bestrebt zu verhindern, dass die volkswirtschaftlichen und die jeden persönlich treffenden Folgen turnusmäßiger kollektiver Lohnerhöhungen (Arbeitsplatzabbau, Deindustrialisierung und Inflation) wie die Strafbarkeit des Streiks als [null Erpressung] (Zur Pönalisierung des Streiks als Erpressung vgl. RGSt. 21, 114) öffentlich thematisiert werden. Deren Widerstand gegen die Thematisierung dieses Sujets lässt sich überwinden durch seriöse, wirtschaftlich und juristisch sachkundige Publizisten, die sich dieses Themas in der Erkenntnis seiner Wichtigkeit annehmen.
Unter dem Regime der Meinungs- und Pressefreiheit lässt sich gegen eine aufgeklärte Öffentlichkeit staatliche Unrechtspraxis, deren nachteilige Wirkungen alle treffen, nicht dauerhaft aufrecht halten.