Benutzer:Zenon/Exzerpt: Adorno-Biographie

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Stefan Müller-Doohm (2003): ADORNO. Eine Biographie
ISBN 3-518-58378-6 (Suhrkamp)


Was ist der Sinn des persönlichen Lebens?

ZITAT Seite 11 (Institut für Sozialforschung, 1956: Soziologische Exkurse)
Noch die biographische Einzelperson ist eine soziale Kategorie. Sie bestimmt sich einzig innerhalb eines Lebenszusammenhangs mit anderen, der ihren Sozialcharakter bildet; erst in ihm hat ihr Leben unter gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen Sinn.

Wie erklärt sich der Name Adorno?

ZITAT - Seite 21
Dem wenigen zufolge, was überliefert ist, war es offenbar Genua, vielleicht auch Turin, wo er [Theodor W.'s Großvater Jean François Calvelli] auf diesen Namen stieß. Er hatte das Glück, in einer dieser Städte für längere Zeit in einer "Villa Adorno" bzw. bei einer oberitalienischen Familie gleichen Namens Fechtunterricht erteilen zu können. Wie dem im einzelnen auch gewesen sein mag, als er etwa 1859/60 auf Empfehlung des späteren russischen Konsuls Nicolaus Wertheim, den er in Stuttgart kennengelernt hatte, in die Freie Reichsstadt Frankfurt am Main einreiste, geschah dies unter dem eindrucksvollen Namen Calvelli-Adorno della Piana.

Wie erklärt sich der Name Wiesengrund?

ZITAT - Seite 28
Die beiden Brüder [Beritz und Abraham David] hatten [in Dettelbach am Main] jeweils Familien gegründet und ihren erheblichen Besitz vermehrt; sie besaßen eigene Häuser, waren zunächst im Viehhandel, dann im Grundstücks- und Haushandel tätig, erst später kam der Weinhandel hinzu. Aufgrund einer Anweisung des Würzburger Fürstbischofs von 1817 waren alle jüdischen Mitbürger aufgefordert, ihre Namen zu ändern: aus dem Namen David wurde Wiesengrund.

Welche gemeinsame Adresse hatten Arthur Schopenhauer und die Wiesengrunds?

ZITAT - Seite 29
Der energische Kaufmann [Bernhard Wiesengrund, 1801-1871, Adornos Urgroßvater] war klug genug, sich 1867 in einer der bevorzugten Wohngegenden Frankfurts niederzulassen: Die "Schöne Aussicht Nummer 7" machte ihrem Namen ebenso Ehre, wie das viergeschossige, klassizistische Gebäude imponierte, in dem Geschäft und Weinkellerei untergebracht waren. [...] Die Straße, die sich am nördlichen Mainufer entlangzog, war breit angelegt und bestanden mit Bäumen gegenüber einer Zeile heller Bürgerhäuser. In einem davon, in der Nr. 16, hatte Arthur Schopenhauer während seiner Frankfurter Jahre gewohnt.

Was habe ich mit dem Namen "Wiesengrund" zu tun?

Zenon 17:27, 24. Aug 2003 (CEST)
Meine Großeltern väterlicherseits lebten im Nachbardorf "Im Wiesengrund".

Was ist bereits für Adornos frühe Musikkritiken charakteristisch?

ZITAT - Seite 76
Typisch für diese Konzert- und Opernkritiken des jungen Adorno war nicht nur die Eindeutigkeit der Stellungnahmen in musikalischen Dingen, sondern der Autor gab durch seine Begrifflichkeit zu erkennen, dass er neben den musikalischen Interessen philosophische Intentionen hatte.

Welchen tieferen Sinn haben Krimis?

ZITAT Seite 79 (Siegfried Kracauer 1922/23: Der Detektiv-Roman)
Ohne Kunstwerk zu sein, zeigt doch der Detektiv-Roman einer entwirklichten Gesellschaft ihr eigenes Antlitz reiner, als sie es sonst zu erblicken vermöchte. Ihre Träger und ihre Funktionen: in ihm legen sie Rechenschaft ab über sich und geben ihre verborgene Bedeutung preis.

Welche Vorteile hat das Diktieren eigener Texte?

ZITAT - Seite 89f
Denn "zu diktieren", so resümiert Adorno seine Erfahrungen später, "spornt nicht bloß zur Konzentration an, sondern hat überdies einen sachlichen Vorzug. Das Diktat ermöglicht es dem Schriftsteller, sich in den frühesten Phasen des Produktionsprozesses in die Position des Kritikers hineinzumanövrieren." (Minima Moralia) Was während des Diktierens, den eigenen Gedankengängen spontan folgend, noch ganz vorläufig entworfen werde, sei von vornherein für den Prozess der vollständigen Überarbeitung gedacht. Sobald der maschinenschriftlich fixierte Text vorliege, könne sich der Autor mit ihm aus der Distanz wie mit einem fremden Text auseinandersetzen.

Warum hatten Theodor W. und Gretel Adorno keine Kinder?

ZITAT - Seite 93
Soweit sich zu diesem Sachverhalt etwas sagen lässt, war die Kinderlosigkeit eine von Adorno und seiner Frau bewusst getroffene Entscheidung, die sich aus der Dramatik der zeitgeschichtlichen Ereignisse und den daon bestimmten Zukunftsperspektiven ergab. Als Adorno Ernst Bloch zur Geburt von dessen Sohn Jan Robert im Oktober 1937 brieflich gratulierte, schrieb er: "Schön und tapfer, jetzt ein Kind zu haben, fast ein wenig beschämend für uns, die wir es nicht wagen, da man immerhin nicht wissen kann, mit wem es einmal marschieren muss."

Wie war Adornos Beziehung zu Frauen?

ZITAT - Seite 94f (Becker-Schmidt 1991: Wenn die Frauen erst einmal Frauen sein könnten)
Er flirtete, sobald er mit einer Frau zusammen war. Das hatte manchmal schon etwas Beliebiges, so, als wäre er gegenüber der Individualität einer je spezifischen Frau "farbenblind" - ihn entzündete scheinbar automatisch "das Weibliche an sich". Allerdings war für Adorno erotische Freizügigkeit kein Männerprivileg - er gestand sie Frauen ebenso zu. Adorno war aber in meinen Augen weder ein Chauvinist noch ein Sexist. Und ich kann das sagen, weil er mir persönlich sehr nahe war und ich ein erotisches Flair in unserer Beziehung nicht unterschlagen mag. Seine Annäherungen hatten nichts machohaft Viriles, eher etwas unbefangen Kindliches - wie sich Adorno auch in anderen Bereichen viel von einer ungebrochenen Spontaneität bewahrt hat, die aus der Kindheit stammt. Zu ihm gehört aber auch ein großes Maß an Timidität [Furchtsamkeit, Schüchternheit], die sich mit dem Typ des rücksichtslosen Draufgängers nicht verträgt. Ich habe darüber hinaus Adorno in seinem Verhalten gegenüber seinen Freundinnen als zuverlässigen, anhänglichen Menschen erfahren. Was für mich das Ausschlaggebende gewesen ist (...): Ich war mit ihm und mit Gretel befreundet. Für mich war die Beziehung zwischen den beiden genau durch diese Spannung gekennzeichnet: Treue trotz allem, Zuverlässigkeit, eine fast symbiotische wechselseitige Bezogenheit auf der einen Seite und die Fähigkeit, sich die Freiheit zu lassen, auf der anderen.

Was hat Liebe mit einem Blitz zu tun?

ZITAT Seite 98 (Adorno: Aufzeichnungen zum neunzackigen Krönchen)
Liebe ist nichts anderes als das Aufblitzen des Traumes in der Erfahrung des Wirklichen, eigentlich das déjà vu in der Erscheinung eines Menschen. Sichtbar wird es nur für den Bruchteil einer Sekunde.

An wem und wie übt man immanente Kritik?

ZITAT Seite 514 (Adorno 1955: Brief an Heinz Maus)
Schelsky ist, wenn sich das auch bei der Menge des von ihm Produzierten nicht immer erweist, ein sehr gescheiter Mann. Jede Polemik gegen ihn, die einen bloß dogmatischen Charakter hätte und nicht dadurch über ihn hinausgeht, dass sie die von ihm hervorgehobenen Tendenzen, anstatt sie zu verleugnen, besser erklärt als er, wäre ein Bumerang.

Welche sozialen Bedingungen würden zum wahren Leben gehören?

ZITAT Seite 523 (Adorno: Minima Moralia)
Vielleicht wird die wahre Gesellschaft der Entfaltung überdrüssig und lässt aus Freiheit Möglichkeiten ungenützt, anstatt unter irrem Zwang auf fremde Sterne einzustürmen.

Wie entstand Adornos Verbindung mit Jürgen Habermas?

ZITAT Seite 569f
Adorno war auf den 1929 geborenen Habermas, der 1954 seine Promotion mit einer Arbeit über Schelling in Bonn abgeschlossen hatte, durch eine kritische Rezension aufmerksam geworden, die dieser im Juli 1953 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus Anlass der Veröffentlichung von Heideggers Vorlesung aus dem Jahre 1935 geschrieben hatte; in ihr war unverändert von der "Größe und inneren Wahrheit des Nationalsozialismus" die Rede. Auch der Aufsatz, den Habermas im Augustheft 1954 der Kulturzeitschrift Merkur unter dem Titel "Dialektik der Rationalisierung" veröffentlichte, zeigte die Affinität im Denken zwischen ihm und Adorno. Der erste Kontakt wurde durch Adolf Frisé hergestellt, der als Kulturredakteur vom Handelsblatt zum Hessischen Rundfunk gewechselt war.

Wie vertraut war Adorno mit Paris?

ZITAT Seite 617f
Die Stadt war für ihn Zeit seines Lebens ein Mythos. Er hatte sie häufiger vor der Emigration von Frankfurt und London aus besucht, um mit Benjamin zusammen zu sein und verschiedene Aufgaben für das Institut für Sozialforschung wahrzunehmen. Als Professor an der Frankfurter Universität hatte er seit 1949 Verbindung zu dem Kunstmäzen und -experten Daniel Henry Kahnweiler, der ihm später eine Mappe mit Graphiken Picassos schenkte, mit dem Dirigenten, Musikkritiker und Autor Frederick Goldbeck, den er schon seit den zwanziger Jahren kannte, sowie zu dem Dirigenten und Musikschriftsteller René Leibowitz, außerdem zu dem marxistischen Literatursoziologen Lucien Goldmann. Schon im November 1958 hielt er in Paris an der Sorbonne bzw. an der Faculté des lettres et sciences humaines drei Vorträge, zum einen über Erfahrungsgehalte der Hegelschen Philosophie, zum anderen über Musiksoziologie sowie über das Verhältnis von Gesellschaftstheorie und Sozialforschung. Drei Jahre später wurde er, vermittelt durch den französischen Germanisten Robert Minder, an das Collège de France eingeladen. Er führte an drei Spätnachmittagen Vorlesungen durch, die teilweise im thematischen Zusammenhang seines Frankfurter Kollegs für das Wintersemester 1960/61 über Ontologie und Dialektik standen. Adornos Pariser Vorlesungen, er trug in französischer Sprache vor, waren offenbar gut besucht, Maurice Merleau-Ponty, Jean Wahl waren anwesend, natürlich Robert Minder und weitere Bekannte aus der französischen Metropole. Zu ihnen zählten Roger Caillois, George Friedmann, Frederick Goldbeck.

Waren Adorno und Heidegger persönlich miteinander bekannt?

ZITAT Seite 656 [Niemals gab es] eine persönliche Begegnung zwischen beiden im Nachkriegsdeutschland, obwohl sie sich einst im Januar 1929 im Hause des Universitätskurators Kurt Riezler kurz kennengelernt hatten. [Vgl. Mörchen, Adorno und Heidegger, 1981]

Wie verhalten sich Denken und Handeln bzw. Theorie und Praxis zueinander?

ZITAT Seite 700f (Adorno 1969: Marginalien zu Theorie und Praxis)
Das von ihnen diffamierte Denken strengt offenbar die Praktischen ungebührlich an: es bereitet zu viel Arbeit, ist zu praktisch.

Was spricht gegen ein Hobby?

ZITAT Seite 708 (Adorno: Freizeit)
Mit dem, womit ich mich außerhalb meines offiziellen Berufs abgebe, ist es mir, ohne alle Ausnahme, so ernst, dass mich die Vorstellung, es handele sich um hobbies, also um Beschäftigungen, in die ich mich sinnlos vernarrt habe, nur um Zeit totzuschlagen, schockierte, hätte nicht meine Erfahrung gegen Manifestationen von Barbarei, die zur Selbstverständlichkeit geworden sind, mich abgehärtet.

Welches moralische Gebot ist unbedingt zu befolgen?

ZITAT Seite 732 (Adorno 1966: Negative Dialektik)
Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe.