Benutzer:Ziko/Insider-Jargon
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Insider-Jargon in der Wikipedia und verwandten Problemen: Zu häufig verwenden Wikipedianer falsche, ungenaue oder nur erfahrenen Wikipedianern vertraute Begriffe und Ausdrucksweisen. Lesern und neuen Benutzern wird der Gebrauch der Wikipedia dadurch unnötig erschwert.
Unnötige Hürden für Leser und Neulinge
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Wikipedia hat zwar einen sehr großen Leserkreis, schätzungsweise von mehreren Millionen Menschen im deutschsprachigen Raum, aber nur vergleichsweise wenige Leser werden zu aktiven Wikipedianern. Nach der offiziellen Statistik haben von 2001 bis 2008 insgesamt 55.321 Menschen jeweils mehr als zehn Änderungen irgendwann in der Wikipedia vorgenommen. "Aktiv" im Sinne der Statistik waren nur etwa 7.200 Menschen, sie haben im Monat Dezember 2007 mindestens fünf Änderungen gemacht. "Sehr aktiv" waren knapp tausend Menschen. Aufgrund von Mehrfachkonten sind es in Wirklichkeit wahrscheinlich weniger "reale" Menschen gewesen.
Die Zahl der Neuzugänge ist im Jahr 2007 stark zurückgegangen: Noch im Dezember 2006 kamen monatlich 1.300 neue Wikipedianer bei der Wikipedia an, im letzten Monat 2007 nur noch knapp 600.[1] Eventuell lässt sich das als allmähliche Ausschöpfung eines natürlichen Potentials erklären.
An sich ist es normal, dass nur ein Bruchteil der Leser tatsächlich aktiv Änderungen an der Wikipedia vornimmt, auch wenn er ausdrücklich dazu aufgefordert wird. Praktische Erfahrungen vieler Wikimedia-Aktivisten zeigen die Hürden:
- Viele Menschen trauen sich nicht zu, an einer Enzyklopädie mitzuschreiben, weil sie ihr Wissen und ihr Schreibtalent (berechtigt oder unberechtigt) für zu gering halten.
- Um mit der Technik der Wikipedia zurecht zu kommen, muss man sich sehr viel Wissen und Erfahrung aneignen. Gerade für Menschen, die nicht mit Computern aufgewachsen sind, ist diese Hürde sehr, sehr hoch. Sie wird von erfahrenen Wikipedianern aber oft unterschätzt. Hilfeseiten auf der Wikipedia selbst reichen nicht aus, benötigt werden Kurse von Mensch zu Mensch in kleinen Gruppen.
- Der Umgangston in der Wikipedia-Gemeinschaft hat sich in den letzten Jahren tendenziell verbessert, ist aber im Großen und Ganzen noch zu grob. Die Gemeinschaft scheut sich teilweise, selbst beleidigende Benutzer auszuschließen, wie der Fall Hans Bug ("Arschlochtexter") über ein Jahr lang gezeigt hat.
- Insider-Jargon und uneinheitliche Benennungen machen es Lesern und Neulingen unnötig schwierig, die Wikipedia voll auszunutzen oder aktiv zu werden.
Der Informationswissenschaftler Rainer Hammwöhner kritisiert zum Abschluss seiner Studie zur Qualität der Wikipedia:
- "Hinsichtlich der Wissensorganisation ist festzustellen, dass die Nutzer der Wikipedia das System nur sehr unvollständig konzeptualisiert haben. In manchen Fällen führten irreführende Bezeichnungen sogar zu Fehlkonzeptualisierungen. Hier wäre z.T. mit einfachen Maßnahmen Abhilfe zu schaffen."[2]
Er hatte eine Gruppe von Studenten befragt, und zwar sehr computer-affine Menschen, wie er ausdrücklich schreibt. Vielen war beispielsweise der Unterschied zwischen Artikel- und Volltextsuche unklar, was manchmal die Interpretation der Suchergebnisse erschwerte; große Probleme bereitete das Kategoriensystem, oder diese Strukturen der Wissensorganisation wurden gar nicht wahrgenommen. Allein schon die Vereinheitlichung von Bezeichnungen würde das Mitmachen sehr vereinfachen.[3]
Sprachliche Probleme im Einzelnen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wenn es konkret um den Sprachgebrauch in der Wikipedia geht, lassen sich folgende Probleme unterscheiden:
- Computerfachsprache: Unter Wikipedianern werden technische Begriffe wie Server, Tool und URL meist als bekannt vorausgesetzt.
- Kommunikation der Netzkultur: Zur Sprache der Netzkultur gehören Ausdrücke wie IMHO (in my humble opinion, zum Abschwächen einer eventuellen Schärfe der Aussage) oder die Verwendung des @-Zeichens, um in einer Diskussion anzugeben, wen man anspricht: "@WilliX: Ich stimme dir zu. @Franzl: Der Hinweis ist nicht sinnvoll."
- Ideenwelt der Open-Source-Bewegung: Der Gedanke, dass durch viele Mitmacher die Qualität einer Sache verbessert wird, ist den meisten Menschen außerhalb der Open-Source- oder Freies-Wissen-Bewegung nicht ohne Weiteres eingängig.
- Wikipedia-Fachsprache/Jargon:
- Fachsprache: Begriffsklärungsseite, Review, Weiterleitung... Oftmals wird das Verständnis zusätzlich erschwert durch Anglizismen (redirect) und Abkürzungen (rc, BKL).
- Jargon: Vandalismus ist zwar ein allgemeines Wort, hat aber im Wikipedia-Jargon eine eigene Bedeutung; die Wikipedia wird oft als "das Projekt" bezeichnet.
- Grobianismen und Ungenauigkeiten.
Die Herkunft des problematischen Sprachgebrauchs ist leicht erklärbar. Die Wikipedia entstammt einer kleinen Gemeinschaft, die sich zumeist aus Computerfachleuten gebildet hat. Jimmy Wales beispielsweise ist Unternehmer aus der IT-Branche. Als die Wikipedia-Gemeinschaft gewachsen ist, wurden manche Leute vom Sprachgebrauch abgeschreckt, andere kannten ihn bereits oder haben ihn sich angeeignet. Auf diese Weise wurde quasi am Eingang des Hauses gesiebt, und das Ergebnis ist die heutige Wikipedia-Gemeinschaft.
Lösungsversuche
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein gruppeneigener Sprachgebrauch ist an sich nicht etwas Schlechtes. Er trägt zur Gruppenbildung bei, indem er ein Gefühl der Zugehörigkeit gibt. In praktischer Hinsicht wird Kommunikation durch eine eigene Fachsprache durchaus erleichtert, zumindest für die Gruppenangehörigen. Es wäre also falsch, alles verbieten zu wollen, was nach Jargon aussieht, außerdem können Änderungen im Sprachgebrauch nur mit Zustimmung der Mehrheit der Gemeinschaft geschehen.
Das Problem erkennen und benennen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es ist einerseits zu unterscheiden, was gesagt werden, und andererseits, wo es gesagt werden kann:
- Sprachgebrauch:
- Fachsprache ist sinnvoll und notwendig, die Begriffe müssen aber unbedingt vereinheitlicht werden.
- Jargon sollte überhaupt vermieden werden, so dass ein Neuling möglichst wenig hinzulernen muss, um einer Diskussion folgen zu können.
- Ort des Sprachgebrauches:
- Die Enzyklopädie selbst und die Hilfeseiten sollten unbedingt jargonfrei sein und, wo nötig, Fachsprache gezielt und angemessen einführen. Gerade Werbematerialien für die Wikipedia müssen sehr streng auf Jargon und Fachsprache hin überprüft werden.
- Auf Benutzerseiten und in speziellen Foren ist Fachsprache akzeptabel, Jargon je nach Kontext zu tolerieren.
Ein Fortschritt wäre es bereits, wenn die Wikipedianer für diese Probleme sensibilisiert würden. Viele verwenden Jargon nicht etwa absichtlich, um Neulinge auszuschließen, sondern, weil sie ihn automatisch übernommen haben.
Konkrete Maßnahmen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Führung von Lesern und Neulingen ist noch sehr verbesserungswürdig. Eventuell wäre es am vernünftigsten, eine Kommission einzusetzen, die die konkreten Probleme erfasst (auch anhand von Befragungen von Neulingen) und eine Gesamtlösung aus einem Guß vorstellt. Beispiele für Probleme:
- Angenommen, ein Leser will erfahren, wie er die Wikipedia gescheit nutzen kann, zum Beispiel die zwei unterschiedichen Suchfunktionen. Er muss ziemlich herumklicken, bis er Informationen dazu gefunden hat.
- Ein neu angemeldeter Benutzer bekommt einen ansprechend gestalteten Begrüßungs- und Informationstext auf die Diskussionsseite gestellt (Beispiel Diskussionsseite). Die Gefahr besteht, dass der Neuling mit dieser Fülle an Informationen (oder: Einstiege zu diesen Informationen) erschlagen wird.
- Auf den Hilfeseiten werden Begriffe nicht immer korrekt verwendet, zum Beispiel "anmelden" und "registrieren" durcheinander gebracht.
- Fachsprache und auch Jargon lassen sich nicht völlig vermeiden. Hilfreich wäre es, Hilfe:Glossar entsprechend zu erweitern und auf Jargon als solchen hinzuweisen.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Siehe Offizielle Wikimedia-Statistik.
- ↑ Rainer Hammwöhner: Qualitätsaspekte der Wikipedia. In: kommunikation@gesellschaft, Jg. 8, Beitrag 3, S. [20].
- ↑ Rainer Hammwöhner: Qualitätsaspekte der Wikipedia. In: kommunikation@gesellschaft, Jg. 8, Beitrag 3, S. [20].