Benutzer Diskussion:Klaus-Rüdiger Utschick

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Letzter Kommentar: vor 17 Jahren von Klaus-Rüdiger Utschick in Abschnitt Textbeispiele, die Bellmans Besonderheit zeigen
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Textbeispiele, die Bellmans Besonderheit zeigen

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Lieber Jossi,

vielen Dank für das Lob! Gerne bin ich bereit, Strophen aus meinen Bellman-Übersetzungen für die Verwendung in Ihrem Wikipedia-Artikel zu überlassen. Welche hätten Sie gern?

Wenn Sie mich selbst um einen Vorschlag bitten würden, würde ich nicht etwas auswählen, was in Deutschland besonders bekannt ist, auch nicht, was in Schweden besonders populär ist. Das sind ja meist die Lieder, die am einfachsten zu singen sind. (Das Besondere an Goethe wird ja auch nicht unbedingt am Beispiel des Heiderösleins verständlich, so schön und schlicht das Gedicht auch ist.)

Ich würde versuchen, einen Text zu finden, der das Besondere von Bellmans Dichtung zeigt. Der Dichter Johan Gabriel Oxenstierna schrieb nach einem Besuch bei Kommissar Lissander, wo er „Bellmans Späße" ansah, in sein Tagebuch, daß Bellmans Verse „immer schön sind, manchmal lustige, manchmal sublime, aber immer neue, immer starke, immer unerwartete Gedanken enthalten, über die man nur staunen und außer sich geraten kann vor Verwunderung oder vor Lachen." Ich würde also Verse als Beispiel nehmen, die auf möglichst knappem Raum das „manchmal lustige, manchmal sublime" zeigen.

Das Originelle in Bellmans Werken, seine überraschenden Übergänge, wie er z.B. in einer Elegie die Wendung zur Gesellschaftssatire vollzieht, oder in einer Schäferdichtung mit den Mitteln der Naturlyrik das Fehlen von ordentlichen Wegen und einem Wirtshaus konstatiert. Bellman hat sich, vor allem in seiner Fredmandichtung, oft (aber keineswegs immer!) über die zu seiner Zeit „geltenden" Genreregeln hinweggesetzt bzw. die Genres vermischt.

Jeder der folgenden Verse könnte wohl als typisch für Bellman gelten:

1. Zum Beispiel die (bei den Schweden sehr populäre) Fredmans Epistel 64 „An Korporal Bomans Grab": 

Nie eine Iris auf diesem fahlen Feld / jemals Blumen pflückte / zum Wohlduft für des Schäfers Zelt, / und nie ein Vogel am lichten Tagesrand / Baum und Strauch beglückte, / hierhergelockt vom Mälarstrand. / Niemals hörte man die Lerche singen / und der Turteltaube Qual bezwingen, / die so traut, die so traut / zwischen Todes Pfeilen ihr Nest gebaut.

Die ersten drei Strophen der Elegie sind Betrachtungen über diesen Ort der Stille, dann hört man Stimmen: schreiende Klageweiber, schließlich die schluchzende Witwe des wackren Toten:

„Dank dir, mein Boman, Dank dir für jeden Tag: / für Liebkosung, zarte, / und auch für jeden Fluch und Schlag!"

Und die Elegie endet mit den tröstenden Worten:

„Mutter Boman, höre auf zu klagen! / Mowitz soll die Harfe lieblich schlagen. / Fort all Qual! Fort all Qual! /Auf der Bettbank wähl ein’ neu’n Korpral!"

2. Oder Fredmans Lied über die unwirtliche Natur des Stadshagen in der Form von Schäferlyrik (aus Fredmans Gesang 58): 

Die Dächer glänzen mild, / froh tönt der Vögel Morgensang, / doch quietscht kein Wirtshaus-Schild / an irgendeiner Stang’./ Ach hätte Fredman noch Verlag, / säh man an jedem Eck / ’ne Deckelkanne mit Beschlag / und einem Adler keck.

3. Oder ein in der Form eines Gebetes gehaltenes Trinklied: „Bacchi Gebet- und Sentenzenbuch" (aus Fredmans Gesang 57): 

Wenn ich zur Vollendung komme, / wie das Blatt vom Tau beglückt, / mach, daß ich entschlafe fromme, / ohne Durst und stillvergnügt! / Lasset uns beten, wie Bacchus uns lehrt, / lasset uns tun, was die Seele begehrt! / Zum Wohl! Zum Wohl!

4. Oder die kabarettistisch anmutenden „Dokumente über Baccchi Konkurs" (aus Fredmans Gesang 46: Bacchi Offenbarungseid): 

Herr Präses mit Zwieback im Munde, / Gesetzbuch gleich neben der Pontac-Terrin’, / die Sach’ fand beschlußreif zur Stunde, / Partei auch präsent zum beraumten Termin, / darum mit ’nem Schnaps erst belehrte / den nackenden Bacchus vorm Eid. / „Gesundheit, Ihr Herrn Rechtsgelehrte!" / Es wankte der Präses, zum Spruche bereit. /

5. Oder Gesellschaftssatire, hier über eine ungetreue Ehefrau (aus Fredmans Gesang 44): 

„Doch, Bruder Jockum, will sie denn nicht kosen? / Gibt’s nicht ein Küßchen dann und wann?" / „O ja, sie sagt: ’Zieh an die warmen Hosen, / und nimm den Mantel, lieber Mann!’, / schraubt hinters Ohr mir die Perücke, / doch merk ich wohl, daß sie mich dreist betrügt."

Natürlich hat Bellman auch makellose Naturlyrik geschrieben, z.B: Böljan sig mindre rör aus dem Singspiel Bacchi Tempel:

Leise die Welle rauscht, / Äolus hält inne, / als er am Strande lauscht / unsrer Mandoline. / Des Mondes Miene / glimmt im Wasser still und kalt. / Flieder, Jasmine / geben Duft in Feld und Wald. / Falter im goldnen Grün / gaukeln, wo Blumen blühn. / Bald kriecht die Raupe im Revier. :||:

Leise die Linde rauscht, / Haus von Fink und Staren. / Amsel die Federn bauscht, / will ihren klaren / Morgensang paaren / mit dem Mandolinenspiel. / Summend sich scharen / Bienen schon zu neuem Ziel, / Fischlein in Spiel und Laich / tanzen im Wellenreich. / Bald tagt der Morgen klar und schier.  :||:

Die erste Strophe dieses Liedes, vorgetragen von Helena Ek mit dem Ensemble Ginestra, ist hier zu hören


(Sehr schnurrig sind Fredmans Gesänge 49 und 31, die jeweils nur aus einer Strophe bestehen; da sie aber erst durch den sängerischen Vortrag zur Wirkung kommen, würde ich sie für Ihren Zweck vielleicht nicht für so geeignet halten, aber das ist wohl Geschmacksache:

Fredmans Gesang 49. Vertagungsbeschluß.

Da schon lang gestritten, / hat nun das Gericht entschieden, / daß Bacchi partes / tranken so viel Wein und Hartes, / und somit / niemand sieht, / wo ist Himmel, wo hienieden, / also mag / diese Sach / bis zum Freitag ruhn in Frieden.

Fredmans Gesang 31. Bacchi Kalender.

Im Monat Januar, prost, Kamerad, / da kaufte ich ’ne Weste aus Goldbrokat, / dann kauft’ ich in der Staken-Gass’ / ’nen Rock, der saß. / Im März, Cousinchen, kaufte ich ein / ’nen Hausrock fein, unendlich fein / aus Satin mit Glanz wie Perlenschein. / Schenk ein mehr Wein! / Hurra! von März bis Mai dann, mon cher, / da hatte ich keinen Heller nicht mehr / und weder Hose, Rock oder Schuh. / Trink, trink, trink, trink auch du! / Von Juni, Juli bis zum August / und bis September hatte ich Durst / und voll und nackt und häßlich war – / dann kam Neujahr.)


Ich hoffe, ich konnte mit meinen Überlegungen einen kleinen Beitrag leisten. Wählen Sie aus, was Ihnen dienlich erscheint. (Sie müssen sich dabei selbstverständlich nicht auf die angeführten Beispiele beschränken.)

Freundliche Grüße

-- Klaus-Rüdiger Utschick 15:13, 2. Apr. 2007 (CEST)Beantworten