Benutzer Diskussion:Scialfa/ Johannes Dieckmann
DIECKMANN, Johannes, Prof. Dr. jur. h.c., * 19.1. 1893 in Fischerhude bei Bremen, als Sohn des evangelischen Pfarrers und Schulinspektors Wilhelm D., † 22.2. 1969 in Berlin, Politiker. D. besuchte 1899 bis 1904 die Volksschule Fischerhude. 1904 bis 1907 ging er auf die Mittelschule Rotenburg in Hannover, 1907/08 auf das Realgymnasium des Johanneums in Hamburg. 1908 bis 1911 besuchte er das Realgymnasium in Uelzen und 1911 bis 1913 die Oberrealschule in Bremen. Nach seinem Abitur studierte er ab dem Sommersemester 1913 auf der Handelshochschule Berlin. Dort trat er dem nationalen Verein Deutscher Studenten (VDSt) bei. 1914 studierte er an der Universität Berlin Nationalökonomie und Philosophie. Im Wintersemester 1914/15 studierte er in Gießen, wo er die Geschäfte des VDSt und dessen Vertretung im Studentenausschuß übernahm. Ab Sommer 1915 wurde er als Rekrut des 173. Infanterieregiments (IR) zum Militärdienst in St. Avold an der Westfront einberufen. Als Musketier des 173. IR erkrankte er im Frühjahr 1916 schwer und wurde als "dauernd dienstuntauglich" entlassen. Im Sommersemester 1916 setzte er sein Studium in Göttingen fort. Im Oktober 1916 wurde er erneut als Landsturmmann zur Truppe einberufen. Nach Einsatz im Rekrutendepot des 66. IR in Bernburg kam er Ende 1916 zur Westfront. Anfang 1917 wurde er im Stab des 2. Bataillons des 66. IR verwendet und im Mai 1917 in Italien eingesetzt. Anfang 1918 erhielt er eine Abkommandierung zu einem mehrwöchigen Hochschulkurs nach Freiburg. Nach mehreren Lazarettaufenthalten aufgrund von Erkrankungen und Verwundungen wurde er im Sommer 1918 zum Leutnant d. R. befördert. Im November 1918 war er Vorsitzender des Soldatenrates eines Feldrekrutendepots. Nach seiner Rückkehr in die Heimat, trat er Ende November 1918 der Deutschen Volkspartei (DVP) bei. Er verzichtete auf Fortsetzung seines Studiums und organisierte den Wahlkampf Gustav Stresemanns (1878-1929) zur Weimarer Nationalversammlung. Im März 1919 wurde er DVP-Parteisekretär im Wahlkreis Weser-Ems mit Sitz in Osnabrück. Dort heiratete er im Juni 1920 Thea Hoerstebrock. 1921 sandte ihn Stresemann als Parteisekretär und Redakteur in den niederrheinischen Wahlkreis Duisburg/Oberhausen. Da er eine von den belgischen Besatzungstruppen nicht genehmigte Wochenschrift herausgab, wurde er Mitte September bis 2. Oktober 1922 in einem belgischen Militärgefängnis inhaftiert. Stresemann bot ihm anschließend den Posten des Generalsekretärs im Wahlkreis Ostsachsen mit Sitz in Dresden an. Dort stieg D. zum Generalsekretär für Sachsen auf. Ab Ende 1929 bis Februar 1933 gehörte er als DVP-Abgeordneter dem Sächsischen Landtag an. Nach dessen Zwangsauflösung durch die Nationalsozialisten im Februar 1933 verlor er seine Ämter und arbeitete ab 5. Oktober 1933 bis 30. August 1939 als Geschäftsführer der Brennstoffkontrolle GmbH und als Syndikus des Kohlengroßhändlerverbandes Ostsachsen. Von August 1939 bis Januar 1941 diente er als Wehrmachtsoffizier am Westwall und im Frankreichfeldzug, zuletzt als Hauptmann d. R. Ab 15. Januar 1941 bis 1945 war er Geschäftsleiter des Oberschlesischen Steinkohlensyndikats. Im Zusammenhang mit dem Hitlerattentat vom 20. Juli 1944, in dessen Zusammenhang sein Vetter und Bundesbruder Wilhelm Dieckmann (1893-1944) hingerichtet worden war, wurde er unter scharfe Beobachtung der Gestapo gestellt. Ab 6. Juni 1945 war er kohlenwirtschaftlicher Berater der Stadt Dresden. Er gründete den Verlag "Sächsisches Tageblatt" und übernahm am 1. Oktober 1945 bis 1948 die Leitung der von ihm gegründeten Sächsischen Kohlekontor GmbH, die später in den ersten landeseigenen Betrieb Sachsens umgewandelt wurde. Im Oktober 1945 war er Mitbegründer des Deutschen Kulturbundes. 1945 war er mit seinem Bundesbruder Hermann Kastner (1886-1956) Mitbegründer der Demokratischen Partei Deutschlands (später in die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands - LDPD überführt) in Dresden. 1945 bis 1952 war er Mitglied des LDPD-Landesvorstandes Sachsen. 1946 bis 1952 saß er bis zu dessen Auflösung als LDPD-Abgeordneter im Sächsischen Landtag. Dort trat er für die Einbeziehung seiner Partei in das Blockparteiensystem der DDR ein. Er war Vorsitzender der LDPD-Fraktion und Mitglied des Landtagspräsidiums. Vom 10. März 1948 bis zum 11. Dezember 1949 war er als Nachfolger Kastners sächsischer Justizminister und Stellvertretender Ministerpräsident des Landes Sachsen. 1946 bis 1969 war er Mitglied des LDPD-Zentralvorstandes, seit 1949 einer der stellvertretenden Vorsitzenden. 1948 bis 1949 war er Mitglied der Deutschen Wirtschaftskommission, aus der die provisorische Regierung der DDR hervorging und Mitglied des Deutschen Volksrates sowie dessen Verfassungsausschusses. Ab 7. Oktober 1949 bis zu seinem Tod war er Präsident zunächst der Provisorischen Volkskammer, dann der DDR-Volkskammer. In dieser Funktion hatte er im Sommer 1956 einen längeren Briefwechsel mit seinem Bundesbruder Bischof Otto Dibelius (1880-1967) über die Frage der Kriegsdienstverweigerung, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und die Seelsorge an den Soldaten der Bundeswehr. Während Dibelius vorschlug, daß die DDR die Verweigerung des Kriegsdienstes aus Gewissensgründen anerkennen solle, forderte Dieckmann gleich den Verzicht auf die gesamte Wehrpflicht, wodurch sich die Frage der Kriegsdienstverweigerung von selber gelöst hätte. Das Zusammengehen von Militärseelsorge und der Bundeswehr - die er mit der Wehrmacht verglich - stellten für Dieckmann eine ernste Gefährdung einer friedlichen Zukunft der Deutschen dar. Ungeachtet davon wurde der Militärseelsorgevertrag zwischen der Bundesregierung und der Evangelischen Kirche Deutschlands am 22. Februar 1957 unterzeichnet. In der Funktion als stellvertretender Vorsitzender der LDPD war er vom 12. September 1960 bis zu seinem Tod einer der stellvertretenden Vorsitzenden des Staatsrates der DDR. Ab 1950 war er Mitglied des Präsidiums der Nationalen Front, welche für die ideologische Vorbereitung der Wahlen und die Erstellung der Listen der Wahlkandidaten zuständig war. 1947 gehörte er zu den Mitbegründern der Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion (ab 1949: Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft - DSF) und wurde Mitglied ihres Zentralvorstandes. 1963 bis 1968 war er Präsident der DSF. Er war Vorsitzender der Ständigen DDR-Delegation der "Internationalen Konferenz zur friedlichen Lösung der deutschen Frage" und Vorsitzender des "Veteranenfonds der Volkssolidarität". Mehrfach versuchte er Gespräche über eine Lösung der Deutschen Frage in Gang zu bringen. Neben zahlreichen anderen DDR-Ehrungen verlieh ihm die Universität Leipzig am 19. Januar 1953 den Ehrendoktor. Am 19. Januar 1963 wurde er zum Professor ernannt. Er liegt auf dem Dorotheenstädtischen Kirchhof in Berlin begraben.
Werke: Rudolf Heinze, in: Maßmann, Karl und Oßwald, Rudolf Paul (Hrsg.): VDSter - 50 Jahre Arbeit für Volkstum und Staat. Den Vereinen Deutscher Studenten zum 6. August 1931 gewidmet, Berlin 1931, 61-65; (Hrsg.): Die gegenwärtigen Länderverfassungen in Deutschland vergleichend betrachtet, Berlin 1948; Bericht über die Revolutionsfeier 1949 in der Sowjetunion vor der Provisorischen Volkskammer der DDR am 7.12.1949, Leipzig 1950 (Dokumente der DDR, H. 3); Ein Liberaldemokrat über Frieden und Einheit. Deutsche an einem Tisch, Berlin 1951; Annäherung, Verständigung, Einheit, Erklärung des stellvertretenden Vorsitzenden der LDPD, Berlin 1955; Gespräche über Lebensfragen der deutschen Nation. Deutschland im Schnittpunkt weltpolitischer Kraftlinien, Berlin 1955; Fortsetzung des ersten schriftlichen Meinungsaustauschen zwischen dem Präsidenten der Volkskammer der DDR und Bischof D. Dr. Dibelius über die allgemeine Wehrpflicht und über die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, Berlin 1956; Gedenken an Robert Schumann, Berlin 1956; In Deutschlands entscheidungsvoller Zeit. Reden und Aufsätze, Berlin 1958; (Hrsg.): Die Vereinten Nationen (UNO), Berlin 1958 (Kleine Dokumentensammlung); Wir schützen unsere Bürger vor der NATO. Über das Paßgesetz, Berlin 1958; Chopin zum Gedächtnis, Berlin 1960; Marburg. 13. Januar 1961, Berlin 1961; Was ist und was bedeutet uns heute "Rapallo"? Vortrag, Leipzig 1961 (Schriftenreihe der Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse Reihe C: Landwirtschaft, 25); Wohin der Weg führt. Reden und Aufsätze, Berlin 1962; Fünfzehn Jahre Deutsche Demokratische Republik. Festrede, Halle 1964 (Hallesche Universitätsreden, 1964, 4); Die spezifische Funktion der Presseorgane der anderen Blockparteien beim umfassenden Aufbau des Sozialismus. Vortrag, Leipzig 1965 (Leipziger Universitätsreden, NF., 29); Berlin - Bogota, Dresden 1965; Dr. Wilhelm Külz. 18.2.1875 - 10.4.1948, Berlin 1965 (Material zum 20. Jahrestag der Befreiung); 50 Jahre Oktoberrevolution - 50 Jahre deutsch-sowjetische Beziehungen, Berlin 1967 (Blickpunkt Weltpolitik); Johannes Dieckmann. Der Weg einer Freundschaft in Selbstzeugnissen d. Wortes und der Tat. Zum 75. Geburtstag, Berlin 1967; Dokumente - Reden - Aufsätze, Berlin 1982.
Lit.: Teilnachlaß im Archiv des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung Gummersbach; Teilnachlaß im Bundesarchiv, Berlin; Schriftwechsel des VDSt Marburg mit dem Präsidenten der Volkskammer Dr. h.c. Johannes Dieckmann, in: Akademische Blätter (Ak.Bl.) 58. Jg. 1956, 89-91; - Dieckmann, Johannes, in: Kosch, Wilhelm: Biographisches Staatshandbuch. Lexikon der Politik, Presse und Publizistik, Bd. 1, Bern und München 1963, S. 240; - Zentralvorstand der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (Hrsg.): Johannes Dieckmann. Aus seinem Leben und Wirken, Berlin (Ost) 1968; - Hans Dieckmann gestorben, in: Ak. Bl. Jg. 71, 1969, 59; - Bundesbrüder sehen Dieckmann. Zum Tode des Volkskammerpräsidenten, in: Ak. Bl. Jg. 71, 1969, 71; - Begegnung und Erfahrung mit Johannes Dieckmann, in: Ak.Bl. 71. Jg. 1969, 87; - Internationales biographisches Archiv (Munzinger-Archiv) 18/1970; - Johannes Dieckmann, in: Rössler, Hellmuth und Franz, Günther: Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte, Bd. 1, 2. Auflage München 1973, S. 530-531; - Johannes Dieckmann. Beiträge zu seiner politischen Biographie 1945-1969. Aus d. Protokoll d. Kolloquiums d. Komm. zur Erforschung d. Parteigeschichte der LDPD und des Wissenschaftlichen Rates der Zentralen Parteischule "Dr. Wilhelm Külz" der LDPD anläßlich des 80. Geburtstages Johann Dieckmanns am 16. Februar 1973, Berlin 1974 (Liberal-Demokratische Partei Deutschlands: Schriften, H. 11); - J. Nowak-H.: Johannes Dieckmann, in: Rössler, Hellmuth und Franz, Günther (Hrsg.): Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte, Bd. 1, 2. Auflage München 1975, 529-530; - Jordan, Karl: VDSter im Wirken für Volk und Staat, 61-62, in: Gutekunst, Dieter; - Jakob, Dieter (Hrsg.): In Verantwortung. 1881-1981 Verband der Vereine Deutscher Studenten, Tirschenreuth 1981; - Hanemann, Theo (Hrsg.): Moment bitte, Herr Dieckmann. Geschichten, Anekdoten, Erinnerungen, Berlin 1983; - Wandlungen und Wirkungen. Protokoll des Wissenschaftlichen Kolloquiums des Politischen Ausschusses des Zentralvorstandes der LDPD am 17. Januar 1983 zum Thema "Johannes Dieckmann, sein Verhältnis zur Arbeiterklasse und sein Beitrag zur Bündnispolitik" anläßlich des 90. Geburtstages von Prof. Dr. Dieckmann, Berlin 1983 (Liberal-Demokratische Partei Deutschlands: Schriften der LDPD, Bd. 26); - Stupperich, Robert: Otto Dibelius. Ein evangelischer Bischof im Umbruch der Zeiten, Göttingen 1989; - Hübsch, Reinhard: Dieckmann raus - hängt ihn auf! Der Besuch des DDR-Volkskammerpräsidenten Johannes Dieckmann in Marburg am 13. Januar 1961, Bonn 1995; - DBE, Bd. 2, München 1995, 514; - Baumgartner, Gabriele und Hebig, Dieter (Hrsg.): Biographisches Handbuch der SBZ/DDR 1945-1990, Bd. 1, München 1996, 121; - Dieckmann, Johannes, in: Müller-Enbergs, Helmut (Hrsg.): Wer war wer in der DDR? Ein biographisches Lexikon, Berlin 2000, 151.
Marc Zirlewagen
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