Benutzer Diskussion:Scialfa/ Kurt Vieweg

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Kurt Vieweg (*29. Oktober 1911 in Göttingen ; †2. Dezember 1976 in Greifswald ) war einer der führenden Landwirtschaftspolitiker in den frühen Jahren der DDR. Er war zeitweise Generalsekretär der VdgB ,Abgeordneter der Volkskammer und Mitglied des ZK der SED.

Jugend und Emigration

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Kurt Vieweg wurde als Sohn eine Bankangestellten in Göttingen geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums absolvierte er 1930 und 1931 eine Ausbidung zum landwirtschaftlichen Gehilfen in Eisleben. In seiner Jugend war er Mitglied in der Wandervogel- und der Landvolkbewegung. 1930 trat Vieweg in die HJ ein, in welcher er bis 1932 verblieb, und brachte es dort bis zum stellvertretenden Jungbannführer. Parallel dazu wurde er ab 1931 für den KJVD tätig. 1932 wurde Vieweg schließlich Mitglied des KJVD in Weißenfels und Mitglied der KPD. Seine kommunistische Tätigkeit fand in Deutschland zunächst ihren Schlußpunkt als Mitarbeiter des KJVD für Sachsen-Anhalt.
Im Herbst 1933 emigrierte Vieweg nach Dänemark. Er war zunächst in Lyngby und Gentofte für die Rote Hilfe tätig. Ab 1935 bis zur Besetzung des Landes 1940 war Vieweg Gasthörer an der landwirtschftlichen Hochschule in Kopenhagen. Parallel dazu war er ab 1936 Mitarbeiter der illegalen KPD-Abschnittsleitung Nord. Vieweg gehörte dabei einer Gruppe um Walter Weidauer an, die sich „Bauernkommission“ nannte und Kontakte zu Bauernkreisen in Deutschland aufbauen sollte. Diese Gruppe gab die Zeitschrift „Bauernbriefe“ heraus, für die Vieweg unter dem Pseudonym „Oswald“ Artikel schrieb. Da er sich in der Außendarstellung nicht unbedingt als Kommunist zeigte, konnte er ab Anfang 1940 offiziell Landwirtschaft studieren. Durch die deutsche Besetzung im April 1940 wurde Vieweg allerdings wieder in die Illegalität gedrängt. Die nächsten Jahre verbrachte er mit weitgehend politischer Untätigkeit. Er beschäftigte sich vor allem mit dem Erstellen von Material über die skandinavische Landwirtschaft für die Moskauer KPD-Zentrale. 1943 schickte die KPD die meisten ihrer Mitglieder in Dänemark nach Schweden, darunter auch Vieweg. Dort wurde er kurzzeitig in einem Lager bei Tyllesand interniert. Danach arbeitete er zunächst als Wald- und Fabrikarbeiter. Als Leiter der KPD-Gruppe in Göteborg-Borås kam er hier wohl das erste Mal mit Herbert Wehner in Kontakt. Da Vieweg seine Gasthörerschaft in Kopenhagen erfolgreich nachweisen konnte, durfte er ab 1944 im Rahmen eines schwedischen Hilfsprogrammes für skandinavische Hitler-Flüchtlinge an der Landwirtschaftlichen Hochschule Ultuna in Uppsala sein Studium wieder aufnehmen. Während seines Aufenthalts in Schweden wurde er vor allem von dem agrarpolitischen Programm der schwedischen SAP beeinflußt. Dieser Einfluß zeigte sich in seinem 1944 veröffentlichten Programm „Die Bauern und die kommende demokratische Republik“, in welchem er schon die Gründung von Genossenschaften forderte, aber sich auch für eine Beibehaltung der kapitalistischen Produktionsweise aussprach. Dieses Program und sein Studium waren Beleg für Viewegs Profilierung zu dem Agrarexperten der Exil-KPD. Im Frühjahr 1945 kehrte Vieweg nach Dänemark zurück. Er wurde zunächst Sekretär des antifaschistischen Flüchtlingsausschusses in Kopenhagen und wurde später als Mitarbeiter beim dänischen Sozialministerium angestellt. Vor seiner Rückkehr nach Deutschland war Vieweg zudem der politsche Leiter der Kopenhagener KPD-Gruppe.

Zurück in Deutschland

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Im Sommer 1946 kehrte Vieweg zusammen mit seiner Frau Gertrud über Polen in die Sowjetische Besatzungszone nach Halle zurück. Als ehemaliges KPD-Mitglied fand er nun natürlich Aufnahme in die SED. Er wurde von den Funktionären der VdgB zugeteilt und wurde deren stellvertretender Landessekretär für Sachsen-Anhalt. Schon bald stieg er jedoch zum Landessekretär auf. Mitte August 1947 wurde Vieweg nicht zuletzt wegen seiner fachlichen Qualifikation durch Parteibeschluß mit dem Posten des Generalsekretärs der VdgB als Nachfolger von Anton Jadasch betraut. Der 1. Deutsche Bauernkongreß, auf dem die Landesverbände aufgelöst und ein Hauptverband gegründet wurde, legitimierte diesen Beschluß durch eine offizielle Wahl. Vieweg entwickelte nun eine rege Tätigkeit und hielt Vorlesungen an verschiedenen Universitäten über seine agarpolitischen Vorstellungen, in denen er unter anderem den bäuerlichen Familienbetrieb immer wieder verteidigte. Er sprach sich konsequent für die Beibehaltung der damaligen landwirtschaftlichen Strukturen und für die „volle Entfaltung der privaten Initiative der bäuerlichen Betriebe“ aus. Diese wissenschaftliche Tätigkeit führte 1951 zur Berufung zum Ordentlichen Mitglied der Deutschen Akademie für Landwirtschaftswissenschaften. 1948 wurde Vieweg als Mitarbeiter in das Sekretariat der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) berufen, der Vorläuferin der DDR-Regierung.
Im Januar 1949 wurde Kurt Vieweg in den Parteivorstand der SED kooptiert und auf dem III. SED-Parteitag 1950 in das Zentralkomitee der SED gewählt, in welchem er bis 1954 verblieb, und dort zum Sekretär für Landwirtschaftsfragen bestimmt. In dieser Funktion entwarf Vieweg im Rahmen der damaligen sowjetischen Deutschlandpolitik mehrere, auch gesamtdeutsche Agrarprogramme, in die auch deutsche und skandinavische sozialdemokratische Prgrammatik, aber auch Ideen des Reichsnährstandes einflossen. Bei der Volkskammerwahl am 19. Oktober 1950 wurde er zudem als Abgeordneter der SED gewählt, welcher er für die gesamte erste Wahlperiode blieb. Im Auftrag des ZK der SED begann Vieweg des weiteren mit dem Aufbau illegaler Apparate, unter anderem dem konspirativen „Gesamtdeutschen Arbeitskreis für Land- und Forstwirtschaft“, in der BRD, die er auch leitete.

Parteifeind Vieweg

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Im Frühjahr 1952 wurde diese illegale Westarbeit der VdgB jedoch aufgedeckt. Dieses Ereignis und eine Untersuchung von Viewegs Tätigkeit in der skandinavischen Emigration durch die Zentrale Parteikontrollkommission der SED im Rahmen einer Parteisäuberung brachten Vieweg nach und nach in Mißkredit. Da man mit seiner Flucht rechnete, ließ man ihn vom Ministerium der Staatssicherheit überwachen. In Konsequenz der Befragungen durch die Zentrale Parteikontrollkommission wurden Vieweg trotz sehr widersprüchlicher Darstellungen seiner Tätigkeit in Skandinavien durch Zeugen Fragebogenfälschungen vorgeworfen, die es nach Ansicht der Kommission erforderlich machten, ihn zumindest aus dem Sekretariat der SED zu entfernen. Offiziell wurde ein Ausscheiden aus gesundheitlichen Gründen bekanntgegeben. Auch von seinem Amt als VdgB-generalsekretär wurde er entbunden. Vieweg wurde jedoch nicht ganz fallen gelassen, sondern mit dem Aufbau des Insituts für Agrarökonomik an der Deutschen Akademie für Landwirtschaftswissenschaften betraut. Weiterhin gelang ihm zunächst eine akademische Karriere. Er promovierte 1955 an der Humboldt-Universität Berlin zum Dr. agr., ahbilitierte und wurde zum Professor der Deutschen Akademie der LAndwirtschaftswissenschaften ernannt. Als Herausgeber zusammen mit Otto Rosenkranz des mehrbändigen Standartwerks „Handbuchs des Genossenschaftsbauern“ erhielt er im selben Jahr den Nationalpreis der DDR . Für sein Institut beanspruchte Vieweg den Status einer Leiteinrichtung in der agrarökonmischen Forschung der DDR. Dieser Anspruch und die Erstellung von parteiinternen Broschüren, die nicht zuletzt von seiner Studienreise nach Schweden und Dänemark im November 1955 beeinflusst wurden und bei vielen hohen SED-Funktionären auf wenig Gegenliebe stießen, wirkten sich jedoch nicht vorteilhaft für ihn aus. An ihm und seinem Institut vorbei schuf die SED eine Agrarkommission, um die Kollektivierung voran zu treiben. Ernüchtert von dieser Politik und betroffen von den Enthüllungen des 20. Parteitags der KPdSU und den Ereignissen im Herbst 1956 in Ungarn kritisierte Vieweg die bestehende Agrarpolitik der SED. Vieweg legte im November 1956 von daher sein eigenes Programm mit dem Titel „Neues Agrarprogramm für die Entwicklung der Landwirtschaft beim Aufbau des Sozialismus in der DDR“ vor. Auf dem 30. ZK-Plenum am 30. Januar 1957 wurde dieses Programm jedoch von Walter Ulbricht als „Restauration des Kapitalismus in der Landwirtschaft“ diskreditiert. Damit war der Stab über Vieweg gebrochen. Die Zentrale Parteikontollkommission der SED beschloß am 18. März 1957 den Parteiausschluß. Einher ging damit der erzwungene Rücktritt von allen politischen Ämtern.

Flucht und Inhaftierung

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In dieser Situation sah Vieweg nur einen Ausweg in der Flucht in die Bundesrepublik Deutschland. Am 27. März 1957 setzte er sich über Westberlin ab. Er fand zunächst Zuflucht in Herbert Wehners Wohnung. Am 19. Oktober kehrte Vieweg jedoch überraschend in die DDR zurück[1]. Entgegen wahrscheinlich vorhandener Absprachen wurde er sofort verhaftet, wobei ihm der Haftbefehl erst am 27. März 1958 eröffnet wurde. Im Oktober 1959 verurteilte das Oberste Gericht der DDR Kurt Vieweg wegen „Staatsverrats“ zu zwölf Jahren Zuchthaus, einhergehend mit der Aberkennung aller Titel umd Ansprüche[2]. Durch einen Gnadenerlaß des Staatsratsvorsitzenden im Dezember 1964 wurde er aus dem Zuchthaus Bautzen II entlassen.

Greifswalder Akademiker

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Vieweg wurde 1965 eine Stelle als Mitarbeiter am Nordischen Institut der Universität Greifswald zugewiesen. 1996 wurde er Forschungsgruppen-Leiter und er nahm seine Lehrtätigkeit wieder auf. Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit arbeitete Vieweg auch für die Hauptverwaltung Aufklärung des MfS. 1971 wurde Kurt Vieweg zum ordentlichen Professor ernannt. 1974 ging er in den Ruhestand.

  1. In der bisher zu diesem Thema vorhandenen Literatur wird vermutet, dass Vieweg auf ein Versprechen von Markus Wolf hin, Straffreiheit zugesichert zu bekommen, und auf Drängen Herbert Wehners zurückkehrte.
  2. Erst am 27. Dezember 1990 wurde das Urteil durch das Landgericht Berlin aufgehoben.

Wer war Wer in der DDR

  • Michael F. Scholz: Skandinavische Erfahrungen erwünscht?. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3515076514.
  • Michael F. Scholz: Bauernopfer der deutschen Frage. Der Kommunist Kurt Vieweg im Dschungel der Geheimdienste. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1997, ISBN 3746680301.

[1]

sofort in »Schutzhaft«, 27.3.1958 Haftbefehl; Okt. 1959 durch das (27.12.1990 Aufhebung des Urteils durch das LG Berlin), ; Dez. 1964 Gnadenerlaß des Vors. des Staatsrats u. Entlassung aus dem Zuchthaus Bautzen II; ab 1965 wiss. Mitarb. am Nord. Inst. in Greifswald; ab 1969 dort Forschungsgr.-Ltg. u. Lehrtätigkeit, Forschungstätigkeit u. a. Aktivitäten für die Hauptverw. Aufklärung des MfS; 1971 a. o. Prof.; 1974 Ruhestand; gest. in Greifswald.

Publ.: Die Bauern u. die kommende demokrat. Rep. In: Pol. Info. (1944) 13; Agrarprobleme des neuen Dtl. In: Ebd. (1944) 21 u. 22; Zur Theorie der Standortverteilung der landw. Prod. Berlin 1954; Zu Fragen des landw. Bauwesens. In: Die Dt. Landw. (1956) Sondernr.; Zu den neuen Aspekten der gegenwärt. ideolog. Diskussion in der dän. Sozialdemokratie; In: Nordeuropa Studien (1966) 1; Zu einigen theoret. Aspekten der Diskussion über europ. Sicherheitsfragen in Skandinavien. In: Ebd. (1969) 3. Sek.-Lit.: Rehabil. von Prof. K. V. u. M. Langendorf. In: Neue Justiz (1991) 3; Scholz, M. F.: Bauernopfer der dt. Frage. Der Kommunist K. V. im Dschungel der Geheimdienste. Berlin 1997 März 1957 bot Herbert Wehner einem Flüchtling aus der DDR in seiner Wohnung Zuflucht, so berichten deutsche Zeitungen und Zeitschriften im Frühjahr 1997 unter Berufung auf den Vorabdruck eines neuen Buches des früheren Spionage-Chefs der DDR, Markus Wolf. Der Name des Flüchtlings, zu dem Wehner seit Kriegsende Kontakt hatte und den er zur Rückkehr in die DDR bewegt haben soll: Kurt Vieweg.

Erstmals liegt mit dieser Publikation von M. Scholz eine Biographie Kurt Viewegs vor, der einst zur SED-Spitze gehörte, dann aber in der DDR jahrzehntelang totgeschwiegen und in der Alt-Bundesrepublik vergessen war. Der Leser erhält dabei Einblicke in interne Vorgänge in der SED-Führung, in die Landwirtschaftspolitik der SED und DDR und in geheime Kontakte in die Bundesrepublik. Scholz' Untersuchung unterscheidet sich wohltuend von oberflächlichen, Sensation erheischenden Veröffentlichungen der letzten Jahre. Sie zieht ihre Solidität aus einer seriösen Quellenbasis und der fundierten Einordnung in die zeitgeschichtlichen Abläufe. Hauptbasis bildeten die Untersuchungsprotokolle der Zentralen Parteikontrollkommission der SED aus den fünfziger Jahren. Hier erlangte der Autor an Hand der Originalmaterialien wesentliche Informationen über den gesamten Lebensweg Viewegs. Weitere Säulen seiner Darstellung bilden Akten des früheren Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Gestapo-Akten, Materialien der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe der DDR, Unterlagen aus skandinavischen Archiven und des Archivs der Universität Greifswald.

Vieweg wurde am 29. Oktober 1911 in Göttingen als Sohn eines Bankangestellten geboren. Er erhielt eine Ausbildung an einer Landwirtschaftsschule und war dann auch in der Landwirtschaft tätig. In dieser Zeit hatte er sich der Wandervogelbewegung und Jugendbünden, dann der Hitlerjugend angeschlossen. 1932 trat er zum kommunistischen Jugendverband über und wurde Mitglied der KPD. Nach Hitlers Machtantritt muß er bereits im Herbst 1933 in die Emigration. Im Exil, in Dänemark und Schweden, gelang es dem strebsamen Mann, Agrarwissenschaften zu studieren, avanciert er schnell zum Spezialisten für Agrarfragen in der KPD-Emigration. 1944 legte Vieweg das agrarpolitische Programm „Die Bauern und die kommende demokratische Republik“ vor, in dem er Anregungen aus der skandinavischen Sozialdemokratie verarbeitete.

Nach Kriegsende kam er im Juli 1946 in die sowjetischen Besatzungszone zurück. Er machte sich als Fachmann für Landwirtschaftsfragen unentbehrlich, wurde hauptamtlicher Funktionär der Bauernorganisation Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB), seit Ende 1947 als deren Generalsekretär. Sein Aufstieg führte ihn in die Schaltzentralen von Partei und Staat: 1950 wurde er Mitglied des ZK und Sekretär des Zentralkomitees der SED, zuständig für Agrarfragen. Der Kurs einflußreicher sowjetischer Kreise auf Neutralität und Einheit Deutschlands bot ihm Möglichkeiten, gegenüber der oft rigorosen Linie der SED-Führung eigene agrarpolitische Vorstellungen auszuloten. Insbesondere seine Überlegungen über eine differenzierte, die konkrete Situation berücksichtigende Landwirtschaftspolitik (vor allem gegenüber den Mittel- und Großbauern) geraten - wie Scholz nachweist - in Widerspruch zur herrschenden Linie. Für seine pragmatischen, an der Wiedervereinigung Deutschlands orientierten Aktivitäten nutzte er die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten als Verantwortlicher für den Westapparat der VdgB und im Gesamtdeutschen Arbeitskreis der Land- und Forstwirtschaft. Vieweg unterhielt enge Kontakte nach Westdeutschland, auch zu konservativen Kreisen, ein Bereich, der sich eng mit konspirativer Arbeit verknüpfte und ihn in die Sphäre geheimdienstlicher Apparate führte. In politischen Fragen war er Anton Ackermann verantwortlich, im nachrichtendienstlichen Bereich waren G. Heidenreich und M. Wolf seine Ansprechpartner.

Doch Vieweg geriet in Ermittlungen der ZPKK. Er blieb im machtpolitischen Kampf allmählich auf der Strecke, wird, so die Formulierung und Interpretation des Autors, „zum Bauernopfer der Deutschlandpolitik“ (u. a. S. 229). Sein Fall ist, gemessen an anderen Beispielen, sozial gut abgefedert. Er wurde 1954 Direktor (und dann Professor) am Institut für Agrarökonomik an der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften.

Scholz zeigt, wie auch für Vieweg der XX. Parteitag der KPdSU eine Zäsur bildete. Er sah neue Chancen für eine sozialistische Landwirtschaftspolitik, entwickelte ein Reformprogramm. (Sein Entwurf „Neues Agrarprogramm für die Entwicklung der Landwirtschaft beim Aufbau des Sozialismus in der DDR“ ist als Anhang abgedruckt.) In ihm plädierte er für ein langsameres Tempo der Kollektivierung, für vielgestaltigere und für die Bauern annehmbare Formen des Übergangs zum Sozialismus. Angesichts nachfolgender Ereignisse (Ungarn und Polen im Herbst 1956, das Konzept einer deutschen Konföderation 1956/57, Suche nach Revisionisten in der SED) wagte er sich mit seinen innenpolitischen Konsequenzen wie auch in seinen außenpolitischen Aspekten zu weit. Forderungen, sich von seinem Programm zu distanzieren, beeindruckten ihn nicht, erst Anfang Januar 1957 lenkte er ein. Zu spät. Im Februar leitete die ZPKK ein Parteiverfahren ein. Der starke Druck ließ Vieweg bald darauf um seine Ablösung „bitten“. Am 26. März 1957 schloß ihn das Politbüro aus der SED aus. Die Begründung: Revisionismus. Typisch für die bestehenden Strukturen, daß nun alle Verdienste vergessen waren.

Vieweg sah nur den Ausweg, in die Bundesrepublik zu fliehen. Das war insofern einmalig, als kein anderer hochrangiger Funktionär aus der DDR in den Westen floh. Vieweg kehrte aber nun auch noch freiwillig in die DDR zurück. Warum, kann Scholz auch nicht eindeutig erklären. Er vermutet ein Versprechen von Markus Wolf. Wieweit die Einwirkung Herbert Wehners im Spiel war, wird vielleicht in naher Zukunft erhellt oder nie mehr geklärt werden können. Die Zusicherung eines Beauftragten des MfS, er werde bei Rückkehr in die DDR keine Schwierigkeiten haben, wurde jedenfalls gebrochen. Nach zermürbenden Verhören in der Untersuchungshaft durch Staatssicherheitsoffiziere wurde Vieweg im November 1959 zu einer 12jährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Er wurde dennoch vorzeitig im Dezember 1964 aus der Haft entlassen. Er startete sogar zu einer neuen, zu einer zweiten wissenschaftlichen Karriere an der Universität Greifswald, an deren Nordischen Institut. 1971 wurde er erneut zum Professor berufen.

Erstaunlich (oder vielmehr logische Konsequenz seines Lebensentwurfs), auch nach seiner Entlassung arbeitete er weiter für den DDR-Geheimdienst, bot sich dem Ministerium für Staatssicherheit für eine Mitarbeit selbst an. Für das MfS stellte Vieweg Kontakte in die Bundesrepublik und nach Skandinavien her, erarbeitete wissenschaftliche Expertisen. Immer wieder taucht dabei der Name Herbert Wehner auf. Ob Vieweg nur aufgrund der Hilfe des MfS seine Stellung im „normalen“ bürgerlichen Leben zurückerhielt (vgl. S. 231), mag dahingestellt sein, obwohl Scholz dafür viele Fakten bringt. Zu sehr sah und nannte sich Vieweg, wie er in einem zitierten Bericht betonte, „mit einem gewissen Recht Revolutionär“ (S. 215). Selbst als er 1974 in Pension ging, war er weiter mit Gutachten und Forschungsaufträgen für das MfS aktiv.

Insgesamt ist die Publikation eine wertvolle Arbeit, die nicht nur ein detailliertes Bild von Viewegs Lebensweg gibt, sondern auch das gesellschaftliche und politische Umfeld ausleuchtet und somit einen Beitrag zur Geschichtschreibung über die DDR und die deutsch-deutschen Beziehungen liefert. Ein weiterer Vorzug ist, daß agierende Personen mit einem kurzen Werdegang vorgestellt werden. Der wissenschaftliche Apparat ist übersichtlich und enthält das Notwendige, führt wie auch die Auswahlbibliographie an Zusatzinformationen heran. Leider unterliefen einige Detailfehler oder fragliche Wertungen (z. B. galt Kopenhagen keineswegs Anfang der 30er Jahre als „das wichtigste revolutionäre Zentrum außerhalb Moskaus“ [S. 24]; die Transformationsphase der SED zur Partei neuen Typs wurde nicht erst durch die Parteikonferenz 1949 eingeleitet [S. 79]; der Einfluß von O. Grotewohl ist wohl überschätzt, wenn ihm [S. 83] zugeschrieben wird, im SED-Parteivorstand 1949 eine Direktive durchgesetzt zu haben, die nicht von der Spaltung Deutschlands als Tatsache ausging und nicht unmittelbar den Übergang zum Sozialismus vollzog).

Nach der Lektüre stellt sich die Frage: Warum ließ sich Vieweg als „Bauer“ im politischen Schachspiel „benutzen und opfern“ (so auch Hermann Weber im Vorwort, S. 7). Dies, wie von Weber, allein darauf zurückzuführen, daß der kommunistische Funktionärstyp, wie ihn der Stalinismus erzeugt habe, dem „einmal das Rückgrat gebrochen“ war, geopfert werden konnte, ohne den Bruch des Betroffenen mit dem Kommunismus zu befürchten, dürfte zu kurzschlüssig sein. Oder führten Vieweg nicht vornehmlich, was schwerlich zu ermessen sein dürfte, die Ideale, die Hoffnung und die Erwartung auf eine sozialistische Gesellschaft? Vieweg verstarb am 2. Dezember 1976 in Greifswald, erst am 27. Dezember 1990 wurde das Strafurteil gegen ihn aufgehoben.